Bordeaux und seine Weine sind bekannt. Die nördlich gelegene Cognac-Region in Südwestfrankreich ist aber besonders für kulinarisch Interessierte immer noch ein Geheimtipp.
Wenn Pierrette Trichet die Kellereien des renommierten Cognac-Herstellers Rémy Martin betritt, lässt sie ihre wissenschaftlichen Kenntnisse draussen. Sie taucht ein in eine Welt, in der sie sich von ihrer Nase führen lässt, sich auf ihren Geschmackssinn konzentriert und horcht, was ihr sensorisches Talent ihr sagt. Die Biochemikerin, die bei Rémy Martin vor mehr als dreissig Jahren im Labor angefangen hat, verlässt sich hier auf ihre Sinne, nutzt ihre Intuition, ihre Neugierde und ihre Kreativität.
Seit 2003 ist Pierrette Trichet Kellermeisterin von Rémy Martin. Sie wacht über die rund 200 000 Eichenfässer in den Kellereien des Unternehmens, in denen Cognacs dank ihrem aussergewöhnlichen Lagerpotential über Jahrzehnte heranreifen. Dabei werden sie zuerst in neueren, später in alten Fässern gelagert, die aus Eichenholz aus der Region Limousin gefertigt sind. Pierrette Trichet besucht die Küfer, sie wählt zusammen mit ihrem Expertenteam die Weindestillate der Winzer aus, die zu qualitativ hochstehenden Bränden heranreifen sollen, überprüft die Entwicklung dieser sogenannten Eaux- de-vie und vermählt sie, wie es im Fachjargon heisst, zu perfektem Cognac. Denn das Bouquet, die Farbe und der Geschmack eines Cognacs sind nicht nur abhängig von der Qualität der Ernte im entsprechenden Jahr, sondern Resultat der perfekten Mischung individueller Brände aus vielen verschiedenen Fässern. Durch die Arbeit des Kellermeisters wird Beständigkeit erreicht und Tradition bewahrt, weil ein Cognac aus dem Hause Rémy Martin als solcher erkannt werden soll. Pierrette Trichet erweitert die Kollektion der Cognacs aber auch fortwährend mit neuen Kreationen, die ihre persönliche Handschrift tragen, wie etwa den in diesem Jahr neu lancierten VSOP Mature Cask Finish mit seinen ausgeprägten Fruchtaromen. Sie hat auch den «Cœur de Cognac» kreiert, der verglichen mit seinen Brüdern leichter und lieblicher schmeckt. Vielleicht weiblicher? Seit Rémy Martin im Jahr 1724 gegründet wurde, ist Trichet die erste weibliche Kellermeisterin. Und auch in den anderen grossen Cognac-Häusern hatte noch nie eine Frau diese prestigeträchtige Funktion inne.
Von Seefahrern in die Welt getragen
Die Cognac-Hersteller sind alle in der Region Cognac im Südwesten Frankreichs angesiedelt, der Name ist eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung (AOC). Das heisst: Nur Edelbranntweine, die aus dem seit 1939 klar definierten Gebiet kommen, dürfen sich auch Cognac nennen. Die Region im Département Charente, rund eine Autostunde nördlich von Bordeaux gelegen, ist in sechs Zonen aufgeteilt. Sie gilt als eine der sonnigsten in ganz Frankreich und profitiert dank der Nähe zum Atlantik auch von Einflüssen eines maritimen Klimas. Jede dieser Zonen hat eigene klimatische Bedingungen und andere Böden, die den weissen Weintrauben sechs unterschiedlicher Crus ihr spezifisches Aroma geben. Rémy Martin verwendet jedoch ausschliesslich Ugni-Blanc-Trauben aus den Lagen Petite und Grande Champagne.
Das Herz der Cognac-Region bildet das gleichnamige Städtchen. Idyllisch liegt es eingebettet in die sanfte Hügellandschaft, die von Rebbergen und alten, charmanten Gutshöfen sowie dem Fluss Charente geprägt ist. In der Altstadt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier wurde schon im Mittelalter mit Salz und Wein gehandelt. Seefahrer deckten sich über den Flusshafen mit dem bekannten Wein aus der Region ein – bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Verfahren der doppelten Destillation in der Region aufkam, welches noch heute in einem langsamen Prozess in kupfernen Destillierapparaten zur Anwendung kommt. Schnell merkten die Seeleute, dass der so gewonnene Branntwein lagerfähiger und deshalb besser zu transportieren ist als Weisswein – der Cognac trat seinen Siegeszug an.
Tafeln wie Louis XIII.
Die Geschichte des Cognacs ist untrennbar mit der Geschichte und der Identität der Region verknüpft. Savoir-vivre wird im Cognac-Gebiet grossgeschrieben. Die Gastronomie hat einen hohen Stellenwert, Meeresfrüchte, hochwertiges Rindfleisch, Foie gras und Schnecken gehören zu den besten Produkten des Terroirs. So bietet sich die Region als eine schöne und bisher eher unbekannte Alternative zu Bordeaux mit seinen Weinen an.
Geniesser nähern sich dem Cognac dabei nicht nur bei Degustationen, sondern sie können ihn im wahrsten Sinne des Wortes erleben: Rund hundert Cognac-Hersteller gibt es im Département Charente. Viele öffnen ihre Türen für Besucher, laden zu Tastings, kulinarischen Highlights, Führungen und Treffen mit Kellermeistern. Alleine Rémy Martin hat von Mitte April bis Ende September zahlreiche Angebote im Programm. Die Auswahl reicht von geführten Touren durch die Rebberge über den Besuch der Kellereien bis zu Cognac- und Schokolade-Degustationen oder der Möglichkeit, selber einen Cognac zusammenzustellen. Auch ausgedehnte kulinarische Erlebnisse fehlen nicht. Sie tragen Titel wie «The Louis XIII Experience», «Under the stars» und «About Chocolate».
Vom Digestif zum Mojito
Letzteres zeigt die neuen Bemühungen der Cognac-Häuser, Cognac auf exzellente Weise mit Nahrungsmitteln zu kombinieren. In alter französischer Tradition wird Cognac nur als Digestif nach dem Essen getrunken und höchstens zusammen mit einer Zigarre genossen. Doch mit dem Erfolg auf fremden Kontinenten – wichtigster Markt für Cognac ist zurzeit Asien – hat sich auch die Anwendung verbreitert: Cognac wird für Cocktails und Longdrinks verwendet oder als Aperitif «on the rocks» genossen.
Während Traditionalisten ob einer solchen Kühnheit wohl nur den Kopf schütteln, unterstützt Kellermeisterin Pierrette Trichet, die selbst aus der Cognac-Region stammt, die Erweiterung des Cognac-Genusses. Den von ihr neu kreierten VSOP Mature Cask Finish empfiehlt sie beispielsweise für Mojitos.
Zudem unterstützt sie mit ihrer feinen Nase und ihrem ausgebildeten Geschmackssinn immer wieder den Chefkoch des Restaurants Club Rémy Martin, wo Gäste aus aller Welt verwöhnt werden. Er schwärmt beispielsweise von der Kombination französischer Schokoladen-Makronen mit dem XO Excellence von Rémy Martin und empfiehlt zu salzig-süssem Ziegenkäse ein Glas VSOP.
So kombiniert, soll der Cognac auch einer jüngeren Kundschaft vermittelt werden. Und die ist längst auf den Geschmack gekommen.
Von Stefanie Schnelli
www.remymartin.com
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