Wie kaum ein anderes Hotel auf der Welt steht das Mandarin Oriental in Bangkok für Exotik, Luxus und Tradition. Seit mehr als 100 Jahren steigen hier Schriftsteller, Musiker, Staatschefs und gekrönte Häupter ab.
Alle waren sie hier. Michael Jackson, Mick Jagger, Elizabeth Taylor, Lady Diana, George Bush senior, Helmut Kohl – Könige und Königinnen: Wie der Blick in die illustre Gästeliste offenbart, nächtigten im Oriental aber nicht nur Reiche, Schöne und Mächtige, sondern auch zahlreiche Schriftsteller und Künstler. Graham Greene, Tennessee Williams und James-Bond-Übervater Ian Fleming suchten im Oriental genauso Inspiration wie John Steinbeck und Barbara Cartland. John Le Carré beispielsweise nutzte das Hotel als Basis, als er «The Honorable School Boy» schrieb. James Michener, Autor von «Tales of the South Pacific», war ebenfalls Stammgast, und auch Somerset Maugham schrieb im Oriental an einem Roman. «The Gentleman in the Parlour» soll zu grossen Teilen an den Ufern des Chao Phraya verfasst worden sein. Diese einzigartige Beziehung zu den Kulturschaffenden aus der westlichen Welt ist im Hotel überall spürbar. Ganz besonders im sogenannten Authors’ Wing, dem ältesten und ursprünglichen Teil des Hotels. Hier – und zum Teil auch in den anderen Flügeln des Hotels – sind die Suiten nach den Schriftstellern benannt, die sich im Oriental aufgehalten haben. Wer es liebt, in opulenten, etwas barock und schöngeistig verklärt anmutenden Zimmern zu übernachten, ist in den «Heritage-Suiten» im Author’s Wing bestens auf gehoben. Für alle anderen Gäste sind die zwar ebenfalls konservativ, aber sehr elegant und zeitgemäss eingerichteten Zimmer in den jüngeren Flügeln des Orientals die bessere Wahl.
Was aber macht die besondere Magie des Hauses aus? Die Erwartungen bei unserem Besuch im Januar sind gross. Und dies, obwohl die mehr als zwei Jahrzehnte alten Erinnerungen an unseren ersten Versuch, im Oriental einen Tee zu trinken, durchzogen sind. Unvergessen das höfliche, aber bestimmte «No-Go» des Türstehers, der dem jungen Mann den Einlass in die Lobby verwehrte, weil dieser damals offene Sandaletten trug. Gegenüber so viel «Etiketten-Gehorsam» waren auch die Argumente der ebenso charmanten wie hübschen Begleiterin machtlos. Sandaletten seien heute kein Problem mehr, lächelt uns 25 Jahre später ein viel toleranterer Türsteher an. Eigentliche Dresscodes gebe es auch nicht mehr. Und wie wir in der Lobby feststellen können, haben sich nicht nur die Ansprüche an das Outfit der Gäste, sondern die Gästestruktur selbst deutlich verändert. Während in den späten Achtzigerjahren vornehmlich gut betuchte Gäste aus Europa hier ihren Nachmittagstee zu klassischen Klängen des Streichquartetts genossen haben, spiegelt sich in den heiligen Hallen des Orientals heute der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufschwung (südost-)asiatischer Länder. Freilich, der Ignorant aus Frankreich, der «Indochine» wider besseres Wissens als «natürliches» Untertanengebiet der «Grande Nation» bezeichnet, zählt leider noch immer nicht zu den vom Aussterben bedrohten Touristenarten im Oriental. Und auch das traditionsbewusste englische Ehepaar, das dem Umstand nachtrauert, dass Thailand nie eine (britische) Kolonie war, erscheint wie in guten alten Zeiten pünktlich zur Tea Time. Das Pendel der Gästeherkunft zeigt nun aber eindeutig nach Asien.
Vor allem Chinas Jeunesse dorée scheint eine neue Bühne für ihren grossen Auftritt entdeckt zu haben. Das Stelldichein der jungen Reichen und Schönen in Lobby und Bar gleicht denn auch einem perfekt inszenierten Catwalk. Designerjeans mit glänzenden Hermès-Schnallen treten an gegen körperbetonte Versace-Miniröcke, während Louis Vuitton offenbar Exklusivrechte für edle Taschen auf weiblichen Schultern besitzt. Bei den Männern dominiert edles Armani-Tuch. Und – Mann ist ja ganz Mann: In der legendären Bamboo-Bar werden kubanische Cigarren geraucht. Der «neue» Gästemix tut der Klasse des Hauses keinen Abbruch. Im Gegenteil. Vorurteile und kulturelle Hürden verflüchtigen sich spätestens im Dunst des Cigarrenrauchs. Von einem dreissigjährigen chinesischen Unternehmer erfahren wir, wie er mit dem Export von Textilien Millionen verdient habe und dass er gegenwärtig im Norden von Thailand Wohnhäuser für Interessenten aus dem Westen baue. Ein in England aufgewachsener Inder – er schwört auf die Partagás Nummer 4 und auch er ist noch keine 40 Jahre alt – besitze ebenfalls ein florierendes Exportunternehmen in China.
Die Cigarren-Aficionados sind sich darin einig, dass es in Bangkok mittlerweile grössere und originellere (Design-)Zimmer gebe als im Oriental. Aber Service, Gastfreundschaft, Lage am Chao Phraya, die hervorragende Qualität der Gourmet-Restaurants auf beiden Seiten des Flusses, die eigenen Schiffe, der schöne Swimmingpool und die Wellnessanlagen machen aus dem Oriental eine Ferienoase, die in Bangkok noch immer unschlagbar sei. «Und wo sonst werden in einem Hotel in der Stadt der Engel gleichzeitig vier gänzlich verschiedene Live-Darbietungen geboten?», fragt der weit gereiste indische Unternehmer. In der Tat: Das klassische Streichquartett in der Lobby, die Jazz-Band in der Bamboo-Bar, die traditionelle Thai Performance im Restaurant Sala Rim Naam und die lokale Popband, die im Freien auf der Riverside Terrace westliche Ohrwürmer spielt, überzeugen durch ihr hohes künstlerisches Niveau. Und vom Service sind wir ebenfalls begeistert: Die aufmerksamen Geister in der Bamboo-Bar sind nicht nur auffallend gross und hübsch. Sie sprechen sehr gut Englisch und interpretieren ihren Job mit Charme und Professionalität. Genauso verhält es sich in den Restaurants und im Spa. Überall hat man den Eindruck, als Gast überaus willkommen zu sein. Schnell wird klar: Die zahlreichen liebenswürdigen Mitarbeiter sind der wahre Schatz des Hotels. Sie machen die Magie des Hauses aus. Viele von ihnen arbeiten seit Jahren hier, gewissermassen nach dem Vorbild des deutschen Direktors Kurt Wachtveitl, der 42 Jahre an der Spitze des Hotels stand und das Oriental zu dem gemacht hat, was es heute ist: eines der führenden Spitzenhotels weltweit. Kein leichtes Erbe für seine Nachfolger!
Von Markus Weber