Geländewagen, SUV oder reinrassiger Sportwagen? Der neue Cayenne GTS ist in erster Linie ein Porsche. Kompromisslos in der Qualität, herausragend in den Fahreigenschaften.
Porsche steht für solide deutsche Ingenieurskunst, kompromisslose Qualität und herausragende Fahreigenschaften. Und für unglaublich viel Fahrspass. Für einmal sei ein Konzept der Zuffenhausener Ingenieure aber hinterfragt: Ein tiefergelegtes SUV, geht das? Zumal mit einer Motorisierung, welche die Vermutung aufkommen lässt, dass im Norden von Stuttgart die Bedeutung der Klimaerwärmung noch immer nicht ernst genommen wird.
Aber sagen wir, wie es ist: Der Porsche Cayenne GTS ist ein Prachtskerl. Und dies nicht nur, weil sein optischer Auftritt spontan gefällt: Der GTS überzeugt in erster Linie dank seiner «inneren» Werte. Da ist er Porsche durch und durch. Er beschleunigt wie ein Berserker, fährt auch in engen Kurven wie auf Schienen und vermittelt dem Fahrer gleichwohl stets das Gefühl, wie auf einer Sänfte über die Landschaften getragen zu werden. Für dieses – scheinbar sich widersprechende – Fahrverhalten haben die Ingenieure von Porsche sehr viel Technik bereitgestellt. Das Zusammenspiel zwischen dem Porsche Traction Management (PTM) und dem Porsche Active Suspension Management (PASM) sowie der tiefe Schwerpunkt machen das bemerkenswerte Fahrverhalten erst möglich.
Der GTS verfügt mit dem PTM über ein intelligentes Allradsystem. Dabei treibt der Motor direkt die Hinterachse an, und eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung regelt die Verteilung der Antriebskraft zur Vorderachse. Erhöht sich der Schlupf an der Hinterachse, beispielsweise beim Beschleunigen, geht automatisch mehr Antriebskraft von den Vorderrädern aus. Auch das Fahrwerk wird elektronisch überwacht. Das PASM regelt unter Berücksichtigung der Unterlage und der Fahrweise die Härte der Stossdämpfer. Damit wird eine grosse Bandbreite zwischen sportlicher und komfortabler Abstimmung ermöglicht. Per Knopfdruck kann der Fahrer zwischen straffer und weicherer Federung wählen.
Die Synthese aus Komfort und Sportlichkeit kommt auch im Interieur des Cayenne GTS zum Tragen. Lederausstattung und handgenähte Alcantara-Applikationen strahlen ein gediegen elegantes Ambiente aus. Die achtfach elektrisch verstellbaren Sportsitze bieten hervorragenden Halt. Das Cockpit ist übersichtlich, auch wenn die zahlreichen Knöpfe und Hebel erst einen Blick in die Bedienungsanleitung und eine Gewöhnungszeit abverlangen.
Das Kernstück des neuen GTS ist der überarbeitete 4,8-Liter-V-Motor, der gegenüber seinem Vorgänger nochmals um 20 PS zugelegt hat. 420 Pferde und ein Drehmoment von 525 Newtonmetern bei 3500 Umdrehungen stehen nun zur Verfügung. Der kernige Sound des Motors betont die unbändige Kraft des GTS-Achtzylinders. Manchmal auch zum Leidwesen des Fahrers. Denn was für den Porschefan wie Musik in den Ohren klingt, mag für weniger motoraffine Menschen beispielsweise auf dem Fussgängerstreifen eine Provokation darstellen. So geschehen bei einer Testfahrt im Zürcher Seefeld. Da haben weder das höfliche Respektieren der Vortrittsregel noch die Auto-Start-Stopp-Funktion, welche den Motor bei jedem Zwischenhalt sofort abstellt, den Passanten bei Laune halten können. Im Gegenteil. Als der Fuss nach geduldigem Warten am Fussgängerstreifen wieder von der Bremse ging und der Motor sich drehfreudig und – zugegebenermassen – wenig diskret zurückmeldete, waren nur böse Blicke und sogar ein prominenter Mittelfinger zu ernten. Die Erkenntnis des Testfahrers: Mit Neid und Missgunst müssen Cayenne-Besitzer schon umgehen können.
Dabei hat der GTS derart viele Sicherheitsfeatures, die selbst kritische Verkehrsteilnehmer begeistern sollten. Überzeugt haben uns beispielsweise der Abstandsregeltempostat (optional), der Distanz und Geschwindigkeit von vorausfahrenden Fahrzeugen permanent überwacht und den GTS automatisch abbremst und wieder beschleunigt. Damit können Auffahrunfälle praktisch ausgeschlossen werden. Zur erhöhten Sicherheit tragen auch die in den Rückspiegeln eingebauten Leuchten bei, welche ein oranges Licht ausstrahlen, wenn Autos im «toten Winkel» neben dem GTS herfahren. Der sogenannte Spurwechselassistent ist vor allem auf der Autobahn nützlich. Auch der nach unten versetzte Schwerpunkt des tiefer gelegten Fahrwerks trägt zur erhöhten Sicherheit des Fahrzeugs bei. Damit ist eigentlich schon gesagt, dass es kein konzeptioneller Widerspruch sein muss, einen «Geländewagen» tiefer zu legen. Berücksichtigt man ausserdem, dass die meisten Käufer von Offroad-Fahrzeugen sowieso nur im Stadtdschungel unterwegs sind, ist der GTS im Gegenteil sogar viel näher bei den Bedürfnissen des typischen Geländewagenfahrers als jedes andere konventionelle SUV-Modell. Also doch ein durch und durch vernünftiges Auto? Benzinverbrauch (14 Liter pro 100 Kilometer im Test), CO2-Ausstoss (251 g/km) und der Preis (rund CHF 160 000 mit ansprechender Ausstattung) machen die Beantwortung dieser Frage auch für den Porschefan nicht ganz einfach. Aber was wäre die Welt ohne das Salz der Unvernunft? Der GTS ist einfach ein scharfes Auto.
von Markus Weber