Marrakesch in Marokko wirkt magisch auf Touristen – vor allem dank dem lebendigen Charme aus alten Tagen. Der König selbst hat hier ein Resort bauen lassen, das einem Palast für Reisende gleicht.
Es muss eine besondere Erschütterung sein, welche die Schlangen auf dem Platz Djemaa el Fna wahrnehmen. Der Herzschlag einer ganzen Stadt. Warum sonst suchen die Kobras und Vipern der Schlangenbeschwörer nicht schleunigst das Weite, sobald sie aus ihren Körben gescheucht werden? Zusammengekringelt liegen sie auf dem Pflaster, manche heben ihren schwarzen Kopf mit der typischen Ausbuchtung, die dicken Vipern schlängeln ein bisschen, gut bewacht von ihren Haltern. Grosse, schlanke Männer mit markanten Gesichtern und langen Gewändern. Gar nichts erinnert hier an die natürliche Umgebung der Reptilien. Hunderte Menschenbeine wandern über den grossen Platz im Zentrum von Marrakesch, die rhythmischen Klänge von Tamburinen elektrisieren, Duftschwaden von Essen und Feuer liegen in der Luft. Die Abendsonne scheint flach durch den Nebel der Garküchen und taucht alles in ein mystisches Licht. Es ist ein Gewimmel, ein Lärm, es ist Afrika und der Orient.
Das Schauspiel, das sich hier nach Sonnenuntergang abzieht, hat die Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Tagsüber scheint der Platz, abgesehen von seiner Grösse, eher unscheinbar. An Ständen wird frisch gepresster Orangensaft verkauft, ein kleiner Markt findet statt. Abends aber, wenn die Hitze des Tages von einem kühlen Wind vertrieben wird, kommen Gaukler und Künstler, Wahrsager und Affendompteure, Musiker, Verkäufer und eben: Schlangenbeschwörer. Sie alle übertönen einander, versuchen die Gunst von Touristen und Einheimischen zu erlangen. Hier werden Geschichten erzählt, Menschen können zaubern und Heiler Wunder vollbringen. Unterhaltung, wie vor sehr langer Zeit. Der Djemaa el Fna ist Königin gewählt worden. In der Medina, der Altstadt, faszinieren die schönen Riads mit ihrem Charme. Das sind Stadthäuser von reichen Kaufmännern, von aussen unscheinbar, aber mit wunderbaren, bepflanzten Innenhöfen und typisch dekorierten Zimmern darum herum. Viele dieser Häuser beherbergen heute Hotels oder Restaurants. Auf ihren Dachterrassen unter Sonnentüchern schmeckt der süsse marokkanische Minzentee besonders gut. Diese Sitzplätze sind die wenigen Orte in der Medina, die Überblick gewähren. Die Gassen zwischen den Häusern sind oft eng, verschlungen und anfänglich einem Labyrinth gleich. Nur die roten Tafeln, die immer wieder den Weg zum Djamaa el Fna anzeigen, bieten Orientierung. Oder ein einheimischer Führer.
Der bringt Gäste auch gerne zu den Souks, den Märkten, die in Marrakesch eine feste Institution sind und nach Handwerk aufgeteilt werden. Da gibt es den Platz der Metallschmiede, wo Lampen und Eisenarbeiten, kunstvoll verziert, orientalisches Ambiente für daheim versprechen. Den Markt für Flechtwaren, den farbigen Bazar von Keramikkünstlern, ganze überdachte Strassen, in welchen Kleider und die bekannten marokkanischen Lederfinken, die Babouche, verkauft werden. Um den Preis zu feilschen ist hier Ehrensache, und nebenbei halten die Verkäufer gerne ein Schwätzchen. Sie heissen willkommen, wünschen Glück, laden zum Tee ein – und zeigen ihre Ware von der besten Seite. Eine fremde Welt, die dank den Französischkenntnissen der Einheimischen etwas verständlicher wird. Ein eigener Kosmos, umgeben von dicken Stadtmauern aus dem 12. Jahrhundert, die früher vor Feinden geschützt haben.
Palast für Touristen
Direkt an diese Mauer, nur fünf Gehminuten vom Place Djemaa el Fna entfernt, schliesst auch das erstklassigste Hotel der Stadt, das Royal Mansour Marrakech. Besitzer ist der marokkanische König selbst, er hat hier einen Palast für Touristen geschaffen. Drei Jahre dauerte die Bauzeit, bis die 3,5 Hektar grosse Anlage im Juni 2010 eröffnet wurde. Vor Ort haben die Arbeiter des Königshauses die unzähligen Verzierungen und Mosaike, die den orientalischen Stil ausmachen, in Handarbeit hergestellt. Keine Ecke, die sich nicht genauer zu betrachten lohnt. Liebe zum Detail bekommt hier eine neue Dimension. Jedes noch so kleine Stück ist perfekt und authentisch.
Das gilt selbstverständlich auch für das Konzept des Resorts. Es ist einer alten marokkanischen Stadt nachempfunden. Wie früher treten die Gäste durch ein imposantes Tor in diese geschützte Zone. Sozusagen den Kern dieses Dorfes bildet die Lobby mit wunderschönem, offenen Innenhof und einem Pool in Kreuzform. Symmetrisch darum herumgegliedert führen die Wege nach traditioneller Architektur zu den drei Restaurants, zur Réception, den drei Bars, der Teeterrasse und der Bibliothek im ersten Stock. Lesen lässt sich unter dem Sternenhimmel, das Dach der Bibliothek kann wie ein Buchdeckel geöffnet werden. Solche technische Finessen sind überall vorhanden, aber nirgends ersichtlich. Der Komfort soll da sein, aber nicht das Bild einer alten Stadt stören.
Statt in Zimmern oder Villen wohnen die Gäste im Royal Mansour in 53 Riads. Sie stehen in einem Garten verteilt, der in der arabischen Vorstellung ziemlich genau dem Paradies entspricht: Wasserläufe und plätschernde Brunnen begleiten den Spaziergänger, 700 bis 800 Jahre alte Oliven und Orangenbäume sowie Dattelpalmen spenden Schatten und der Geruch von Jasmin, Zitrone, Thymian oder Rosenblüten betört. Auch die Riads haben alle einen eigenen Patio, einen Innenhof mit Brunnen und einem Platz zum Verweilen. Von allen drei Stockwerken hat man Blick auf diesen Innenhof. Zuoberst auf der Dachterrasse kühlt ein Pool von der Hitze. Privatsphäre ist garantiert und für alle Riads ab zwei Schlafzimmern steht ein Butler zur Verfügung.
Damit sich dieser, und auch sonst das ganze Servicepersonal, diskret durch die Anlage bewegen können ohne aufzufallen, wurde eine unterirdische Servicestadt geschaffen. Eine Anlehnung an den Königspalast. Rund 500 Mitarbeiter sind um das Wohl der Gäste besorgt. Das sind sieben Personen pro Riad. Sie schauen, dass das Ambiente bleibt wie es ist – vom kleinsten Mosaikstein bis zu den lichtdurchfluteten Patios königlich.
Von Stefanie Schnelli, Bilder Bjoern Gantert / Royal Mansour Marrakech