Altehrwürdig und jugendlich – geschichtsträchtig und familien-freundlich: in den heiligen Hallen des denkmalgeschützten Grand Hotel Kronenhof fühlen sich anspruchsvolle Paare genauso wohl wie lebenslustige Kinder und deren Eltern.
Ein Luxushotel für alle? Ein Museum, in dem Kinder gerne Ferien machen? Wie geht das? Das einzige Fünfsternehaus in Pontresina scheint vieles richtig zu machen. «Das Geheimnis liegt in der Destination, in unserem Angebot und im Kronenhof-Spirit», sagt Marc Eichenberger, der sympathische Direktor des Hotels. In der Tat: Wer Ferien im Oberengadin in Betracht zieht und es dabei ruhiger und naturnaher als im mondänen St. Moritz angehen will, ist auf der sonnigen Hangterrasse in Pontresina genau am richtigen Ort. Der Blick aus dem Kronenhof auf das majestätische Berg- und Gletscherpanorama sagt bereits alles über die fantastische Lage des Hotels aus. Hier lässt es sich leben. Und wer durch die sorgfältig renovierten, öffentlichen Hallen und Räume spaziert, versteht sehr schnell, wieso in diesem Haus mehrere Gäste-Generationen eine fast harmonische Koexistenz führen und sich die Wege der eleganten Industriellengattin aus Norditalien und des aufgeweckten Primarschülers aus Bremen kaum kreuzen. Da ist enorm viel Platz vorhanden. Allein für die Kinder gibt es mehrere Spielräume und Esszimmer. Paare treffen sich vorzugsweise in der grosszügigen Bar, in der Adi Gloor seit vielen Jahren seine Gäste verwöhnt. Sein Bellini, zubereitet mit frischen weissen Pfirsichen, ist Weltklasse und schlägt sogar das Original aus Harry’s Bar in Venedig. Selbstverständlich dürfen nun auch Damen die früher nur den Herren der Schöpfung vorbehaltene Zigarren- und Whiskey-Lounge benutzen. Dafür herrscht Gegenrecht im Salon Bleu, dem «Ladys Salon». Auch hier gibt es keine Zutrittsbeschränkungen mehr. Ausgelassen ist die Stimmung im Billard Room oder auf der Kegelbahn. Es scheint, als böte der Kronenhof jedem Gast ein spezielles Plätzchen zum Verweilen an. Auch wenn alle 112 Zimmer gebucht sind, wirkt das Haus alles andere als voll. Ein Hauch von distinguierter Rücksichtnahme prägt denn auch das Zusammenleben der verschiedenen Gäste-Generationen.
Dafür ist mitunter der wunderschöne Kronenhof Spa verantwortlich. Der 2007 gebaute Wellness-Bereich ist grösser als manches öffentliche Hallenbad. Auch hier herrscht nie ein Gedränge. Schwimmbad, Kinder-Pool, Erlebnisbad und Sauna sind alle sehr grosszügig angelegt. Besonders gefallen hat uns die Relax-Floating-Grotte. Warmes Wasser, Unterwassermusik und an die Decke projizierte Bilder von Wasserquellen vermitteln ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Entspannung pur.
Im Rahmen der 35-Millionen-Erweiterung im Jahr 2007 sind im Kronenhof 28 neue Zimmer entstanden. Beeindruckend, wie es dem Architekten Rolf Som gelungen ist, die historisch wertvolle Bausubstanz des bestehenden Hotels mit einem zeitgenössischen Anbau harmonisch zu vereinen. Die Gäste können nun zwischen den (renovierten) Zimmern im denkmalgeschützten «Ganzoniflügel» und den jüngeren Kategorien in der «Bellavista» wählen. Eleganz und Stil zeichnen alle Zimmer aus.
Spitzengastronomie im Kronenstübli
Neuankömmlingen wird bereits nach Kurzem klar, was Marc Eichenberger mit dem «Kronenhof-Spirit» meint. Die herzliche Gastfreundschaft der Kronenhof-Crew ist augenfällig. «Unsere zum Teil sehr langjährigen Mitarbeitenden sind die Seele des Hotels. Sie kennen ihre Gäste sehr schnell beim Namen.» Ob im legendären Grand Restaurant, dessen Ursprünge ins Jahr 1872 zurückreichen, oder im Gourmet-Restaurant Kronenstübli: Überall wird der Gast mit einer spontanen Herzlichkeit empfangen. Und natürlich entspricht die Qualität des Gebotenen auch der Klasse der Gastgeber. Das Kronenstübli allein ist schon eine Reise nach Pontresina wert. Die Spezialität ist die «Canard à la presse», ein wieder aufgeblühter Klassiker der französischen Küche. Es lohnt sich aber auch, die weiteren Köstlichkeiten aus seiner abwechslungsreichen Karte zu degustieren. Besonders genossen haben wir das konfierte Seeteufel-Bäckchen, serviert mit Pfifferlingen, Schwarzwurstravioli und weissem Pfirsich. Ein einmaliges Geschmackserlebnis! Grossartig – intensiv und harmonisch zugleich – war bereits das Entrée: Tataki und Tatar vom roten Thunfisch mit Avocado, Gurke, Thai Curry und einem Tom-Yam-Süppchen. Perfekt zubereitet und schön präsentiert dann auch der Hauptgang mit dem Charolais-Kalb. Ebenso beeindruckte uns die vielfältige Weinkarte, die den Bündner Tropfen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Zudem hat der Kronenhof als Reminiszenz an seine Ursprünge im Weinhandel die eigene Abfüllung «Strata» aus dem Veltlin im Angebot. Sowohl der Weisswein (Blend aus Chardonnay und Sauvignon Blanc) als auch die beiden Rotweine (Nebbiolo) können gut zu einem hochwertigen Essen als Begleiter gewählt werden.
Die mit den Pferden spricht
Der heimliche Star des Hauses gehört eigentlich nicht ausschliesslich zum Hotel. Wer das Glück hat, Helen Riedberger dabei zu beobachten, wie sie die 120-jährige, sorgfältig restaurierte Kutsche des Kronenhofs mit ihren zwei Pferden – millimetergenau! – seit- und rückwärts zwischen die Nobelkarossen vor dem Hoteleingang parkiert, wird künftig sicher nie mehr behaupten, Frauen könnten nicht manövrieren. Und das Erstaunliche dabei: Die Kutscherin spricht mit ihren Pferden, als würden sie jedes Wort verstehen: «Ein bisschen mehr rechts, ein wenig zurück, mehr links, noch mehr links, jetzt wieder geradeaus.» Und noch verblüffender: Die Pferde reagieren auf jedes gesprochene Wort mit unglaublicher Präzision. «Ja, Beauty und Jeannette verstehen mich», sagt Helen Riedberger mit einem Lächeln. Kommunikation sei das Wichtigste zwischen ihr und den Tieren. Sie spüre jeden Morgen sehr genau, wie es ihren Pferden gehe, ob sie gut gelaunt oder noch müde seien. Da fühlen wir uns fast wie im Film. Der Kutschenausflug ins Val Roseg, in eines der schönsten Täler des Engadins, zählt denn auch zu den Höhe punkten unseres Besuchs in Pontresina. Die Bündnerin offenbart sich auf unserer beschaulichen Fahrt in Richtung Roseggletscher nicht nur als sagenhafte Pferdeflüsterin, sondern auch als spannende Geschichtenerzählerin. Wenn sie von ihren blaublütigen Gästen Anekdoten zum Besten gibt, bewahrt sie freilich Diskretion. Namen nennt sie nie. Helen Riedberger weiss auch viel Wertvolles zur Geschichte des Oberengadins und des Val Rosegs zu erzählen. Kein Wunder, denn ist sie für einmal nicht mit ihren Pferden unterwegs, versinkt sie am liebsten in ihre Bücher.
von Markus Weber