Die Hauptattraktion Costa Ricas ist zwar zweifellos die Natur, dennoch sind es oft auch seine Bewohner, die mit ihrer bedingungslosen Freude am Leben eine jede Reise in diesen zentralamerikanischen Staat zum Erlebnis werden lassen.
«Pura vida!» – sinngemäss: Prima! – ist ein populärer Ausruf in Costa Rica. Geniesse den Tag, die Zukunft wird es schon richten, könnte die Devise des typischen «Tico» lauten. Solch positives Lebensgefühl und entspanntes Gottvertrauen macht das Land für Touristen sympathisch. Will man als Ortsunkundiger sein Ziel finden, verlässt man sich allerdings besser auf ein GPS-Gerät als auf die freundlichen Bewohner, die lieber eine falsche Auskunft geben als keine.
Pura vida ist der Ausblick von einem der Vulkane ins weite Zentraltal, wo der Grossteil der 4,7 Millionen Costaricaner lebt, pura vida die Begegnung mit einem Rudel Brüllaffen während der Dschungelwanderung, pura vida der Zeitlupensturz der Tropensonne ins glitzernde Meer, während man in der Hängematte unter Palmen eine Piña Colada trinkt. Damit ist schon angedeutet, was die Hauptattraktion des Landes ist: Eine üppige Natur mit riesiger Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, die zwar auch hier von einer wachsenden Bevölkerung, Verschmutzung und Spekulation gefährdet, aber doch noch über weite Strecken intakt ist – nicht zuletzt, weil über 20 Prozent des Staatsgebietes in über 60 Nationalparks und privaten Reservaten unter Schutz stehen.
Ein, zwei Tage sind dennoch für den Besuch der Hauptstadt zu empfehlen. San José bietet zwar kein spanisches Kolonialambiente, denn dafür ist seine Geschichte zu kurz. Erst 1824 wurde es zur Kapitale, nachdem ein Erdbeben die Vorgängerin Cartago zerstört hatte. Eine historische Perle hütet das Stadtzentrum aber trotzdem: das Nationaltheater, Ende des 19. Jahrhunderts dank den aufstrebenden Kaffee-Exporten erbaut und wunderschön renoviert, samt einem vom Fin-de-siècle angehauchten Café. Unter dem benachbarten Platz der Kultur liegt das Goldmuseum der Zentralbank. Seine Sammlung von fein gearbeitetem prähispanischem Schmuck steht hinter jener des Museo del Oro von Bogotá nicht weit zurück, ist aber noch fast ein Geheimtipp. Von hier führt eine in den letzten Jahren herausgeputzte Fussgängerzone zum gedeckten Mercado Central, wo man alle Früchte, Gemüse, Gewürze, Fisch- und Fleischprodukte des Landes schauen und riechen kann. Einen Einblick in die bis Mitte des letzten Jahrhunderts ziemlich bewegte Geschichte des Landes gibt das Museo Nacional in einem ehemaligen Festungsbau.
San José bietet gute Hotels aller Preisklassen. Wer pura vida logieren will, zieht freilich ein kleineres Haus in der grünen Umgebung vor und unternimmt von dort aus Ausflüge in die weitere Umgebung. Ein Muss ist die Fahrt auf einen der Gipfel der Vulkankette, die das Valle Central gegen Norden abschliesst. Wo sonst sind Vulkane, wie hier der Poás und der Irazú, auf guten Strassen zu erreichen? Auf Strassen, die fast bis an den Rand eines Kraters führen, in welchem ein giftgrünes Seelein köchelt, aus dem schweflige Dämpfe aufsteigen. Diese Fahrten können mit lohnenden Nebenzielen garniert werden, im Fall des Poás etwa eine Kaffeplantage oder ein Schlangen-Terrarium, im Fall des Irazú der botanische Garten der Universität von Costa Rica (Lankester Gardens in der Nähe von Cartago) mit Dutzenden Orchideenarten oder das idyllische Orosí-Tal mit einem alten Adobe-Kirchlein, das alle Erdbeben überstanden hat.
Eine Rundreise durchs Land sollte beide Küsten umfassen. Auf der Atlantikseite liegen Richtung Panama die Strandorte Cahuita und Puerto Viejo, wo sich viele Stress-Aussteiger aus Europa und Nordamerika niedergelassen haben. Limón ist Hauptort und Hafenstadt der Region, mit farbig-karibischem Ambiente und mehrheitlich schwarzer Bevölkerung, deren Vorfahren zur Arbeit in den Bananenplantagen ins Land gebracht wurden. Weiter nördlich, im Gebiet von Tortuguero, ersetzen Kanäle und natürliche Wasserwege die Strassen. Wie der Name sagt, vergraben Seeschildkröten an den hiesigen Stränden zur Brutzeit ihre Eier. Mit diversen Lodges ist das abgelegene Gebiet für den Ökotourismus gut erschlossen.
Auf dem Weg zur Pazifikküste sollte man zwei Destinationen nicht auslassen. Am Fuss des bisweilen stark aktiven Vulkans Arenal haben heisse Mineralquellen dem Gebiet von La Fortuna einen Boom von Wellnesstourismus beschert. Der nahe Arenal-Stausee ist ein Paradies für Windsurfer. Hoch in den Bergen, bereits auf der Westseite, liegt Monteverde. Diese Quäkerkolonie hat sich vom Zentrum der Milchwirtschaft zum Hauptziel des Ökotourismus in Costa Rica entwickelt. Mit kundigen Führern können in den verschiedenen Reservaten im Nebelwald seltene Vögel wie der langgefiederte Quetzal beobachtet werden. Ein Terrarium im Dorf zeigt die im natürlichen Habitat kaum je sichtbaren Zwergfrösche, darunter auch giftige in abschreckenden Leuchtfarben.
Monteverde liegt bereits in der Nordwestprovinz Guanacaste. Dort ist die Halbinsel Nicoya mit ihrem trockeneren Klima zum Zentrum des Badetourismus, der Zweitwohnungen und Altersresidenzen geworden, weshalb auch die Bauspekulation Spuren hinterlassen hat. Dennoch gibt es noch ausreichend Strände, die nicht verunstaltet sind oder die unter Naturschutz stehen. Von Papagayo im Norden über Coco, Tamarindo, Nosara und Sámara bis Montezuma und Tambor am Südende der Halbinsel laden Hotels aller Grössen- und Preisklassen zu Erholung, Entspannung und Sport ein. Die Pazifikküste wartet in den letzten Jahren auch mit mehreren Golfplätzen von Format auf; der Golftourismus hat in Costa Rica neben dem Ökotourismus gute Zukunftsaussichten.
An der San José am nächsten gelegenen mittleren Pazifikküste hat sich Manuel Antonio zu einem Modeort gemausert. Der benachbarte kleine Nationalpark ist vom Ansturm der Besucher bisweilen überfordert, seine Tiere sind zahm geworden. Für ein schnelles Schnuppern im Tropenwald ist eine schönere Umgebung aber kaum vorstellbar. Einen Hauch von Abenteuer bringt allerdings erst ein mehrtägiger Abstecher auf die Halbinsel Osa ganz im Süden des Landes. Zauberhaft gelegene Lodges, die zum Teil nur per Boot erreichbar sind, organisieren dort für ihre Gäste ausgiebigere Trecks in den Regenwald des Corcovado-Nationalparks – pura vida!
Langaufenthaltern sei schliesslich die mindestens drei Tage beanspruchende Wanderung auf den höchsten Berg Costa Ricas, den 3810 Meter hohen Chirripó, empfohlen. Etwas Fitness wird vorausgesetzt, immerhin sind beim Aufstieg am ersten Tag bis zur Schutzhütte etwa so viele Höhenmeter zu überwinden wie von Zermatt aufs Matterhorn. Dabei durchquert man alle Klimazonen vom tropischen Regenwald bis zur Hochlandsteppe. In der Nacht fällt auf dieser Höhe auch mitten in den Tropen das Thermometer unter Null, und in den Gipfeltälern hat die Eiszeit Gletscherspuren hinterlassen. Dafür winkt im wetterlich optimalen Zeitfenster (vor allem zweite Hälfte März) die fast einmalige Sicht auf zwei Ozeane.
Text Peter Gaupp*
* NZZ-Korrespondent für Zentralamerika und die Karibik