Tamar Welti gelangte zufällig nach Portugal. Sie hat dort gefunden, was sie benötigt, um sich zu Hause zu fühlen. In einem Naturschutzgebiet hat sie ein Bauern haus renoviert und Gästewohnungen gebaut.
«In meinen Adern fliesst schweizerisches, israelisches, deutsches und russisches Blut. Geboren bin ich in Israel, aufgewachsen in London. Aber am meisten zu Hause fühle ich mich in Portugal. Seit 20 Jahren lebe ich hier im Osten der Algarve. Ein aussergewöhnlich schönes Fleckchen Erde. Ich habe es über einen Umweg in die Schweiz gefunden.
Mit 19 Jahren wollte ich die Heimat meines Vaters erkunden und machte mich auf nach Bern. Aber auch nach mehr als einem Jahr fühlte ich mich dort, was Sprache und Mentalität betraf, nicht genügend gerüstet, um eigene Projekte verwirklichen zu können. Ich lernte einen Schweizer kennen, der in der Algarve ein Haus vermietete, und als er mich bat, vor Ort ein paar Aufgaben für ihn zu übernehmen, sagte ich spontan zu. So kam ich nach Portugal.
Ich war sofort angetan von der Region. Im Gegensatz zum Westen der Algarve ist der Osten touristisch fast unberührt. Es ist eine sehr ruhige, grüne Gegend, die bis heute authentisch geblieben ist. Die Portugiesen sind freundliche und tolerante Menschen, alles schien so friedlich und entspannt. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass sich in dieser Atmosphäre gut eigene Ideen entwickeln lassen. Ich fing an, als Englischlehrerin zu arbeiten. Und eines Tages, als ich mit dem Fahrrad unterwegs war, entdeckte ich meinen Traum: ein altes Bauernhaus, mitten im Naturschutzgebiet Ria Formosa, teilweise zerfallen und schon seit Jahrzehnten unbewohnt. Zusammen mit meinem Vater, er ist Architekt, konnte ich das Haus kaufen und begann es umzubauen.
Neben Fröschen schwimmen
Seit zehn Jahren sind mein portugiesischer Partner Miguel, unsere zwei Kinder und ich nicht mehr alleine auf dem Grundstück. Wir haben Appartements gebaut, die wir an Gäste vermieten. Sie kommen von überall her: aus der Schweiz, Deutschland, England, Skandinavien, Frankreich. Im Winter kommen oft ältere Paare, im Sommer und Herbst viele Familien.
Unsere Kinder freunden sich meist schnell mit den jungen Gästen an und sie spielen zusammen rund ums Haus. Kinder sind bei uns immer bestens unterhalten. Entweder sie besuchen unsere Hühner, Truthähne, Ziegen und Schweine, denen sie ihre Essensreste verfüttern können, oder sie planschen neben den Fröschen im Schwimmteich. Der künstlich angelegte Teich ist ein Paradies. Er ist rund 400 Quadratmeter gross, die Hälfte ist frei zum Schwimmen, die andere Hälfte ist von Pflanzen bedeckt, die ihn auf natürliche Weise reinigen. Dieser Mikrokosmos wird nicht nur von unseren Gästen geschätzt: Auch Störche, Salamander, Frösche und Libellen kommen zu Besuch.
Der Teich ist bei unseren Gästen so beliebt, dass viele lieber «zu Hause» bleiben, als ans Meer zu fahren. Dabei kann man dort selbst im Hochsommer ein ruhiges Plätzchen finden. Der Strand liegt eigentlich auf einer Insel und ist nur zu Fuss oder per Boot erreichbar. Generell sind wir hier meistens mit dem Fahrrad unterwegs. Ein Auto ist für die Gäste nicht nötig. Auch nicht, um ins nächstgelegene Städtchen Santa Luzia zu gelangen. Ein altes Fischerdorf, in dem heute noch die meisten Einheimischen vom Meer leben. Die hiesigen Fischer sind auf Tintenfische spezialisiert, aber in den Restaurants gibt es alle Arten von Meeresfrüchten. Dieses Ursprüngliche, Traditionelle mag ich hier besonders.
Wie der Garten Europas
Für mich ist die Region so etwas wie eine hübsche, verborgene Nische. Es fühlt sich an wie der Garten Europas. Alles ist so grün, und vor allem im Frühling und im Herbst ist das Licht fantastisch. Wir versuchen, im Einklang mit der Natur zu leben und arbeiten daran, ein Agri-Turismo aufzubauen. Mir schwebt vor, unsere Gäste in ein paar Jahren mit Produkten aus dem Garten verköstigen zu können. Für die Zubereitung würde ich Köche aus der Region anstellen. Wir ernten schon heute viel Gemüse, das wir aber im Moment noch verkaufen. Wir haben auch Mandel-, Oliven-, Feigen- und Johannisbrotbäume. Die Feigen trocknen wir auf die hier traditionelle Weise. Aus den Oliven lassen wir Öl pressen oder wir marinieren sie.
Der Garten, die Kinder und die Wohnungen geben viel zu tun. Trotzdem arbeite ich noch an der Online-Plattform Jacaranda Holidays mit, die ich mit Freunden ins Leben gerufen habe. Wir stellen darauf Miethäuser in der Region vor – nur solche, in denen wir auch Ferien machen würden.
Für meinen eigentlichen Beruf, ich habe in London Kunst studiert, habe ich im Moment keine Zeit. Kunst ist mir dennoch wichtig. Schon mein Urgrossvater, Albert Welti, war Maler. Von ihm stammt das Fresko der Landsgemeinde im Ständeratssaal in Bern. Ich hoffe, ich kann mich der Kunst widmen, wenn ich älter bin. Aber das hat Zeit.
Text Stefanie Schnelli