Noch selten wurde ein Schiff mit so viel Spannung erwartet wie die Europa 2 von Hapag-Lloyd. Kreuzfahrtanalyst und -journalist Thomas P. Illes hat sich während regulärer Reisen an Bord umgesehen.
Seit knapp einem Jahr ist die Europa von Hapag-Lloyd nicht mehr die einzige Königin der Reederei. Mit der Europa 2 hat sie grosse Konkurrenz bekommen. Wie schlägt sich nun die «Neue» gegenüber der «Etablierten»? Und umgekehrt? Es gibt Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede.
Zielgruppe
Europa: Anspruchsvoll, vornehmlich deutschsprachig mit ausgeprägtem Sinn für Perfektion. Eher konservativ, Wunsch nach klassisch-traditionellen Kreuzfahrttugenden. Interesse/Zeit für längere, exotische Routen in niveauvoller Umgebung.
Europa 2: Qualitätsbewusst und luxusorientiert. Internationaler, jünger, heterogener. Offen für Neues. Gesundheits- und fitnessorientiert(er). Etliche Paare (auch innerhalb der Gay Community) und Familien. Fokus auf individuell-flexible Lebensgestaltung. Beruflich oft eingebunden.
Lifestyle
Europa: Klassisch, elegant, traditionell. Galaabende, Kapitänsempfang, feste Tischordnung usw. Atmosphäre kultiviert-entspannt. Grossteil der Gäste wünscht sich Rundumbetreuung, schätzt ein als angenehm-elitär empfundenes, gesellschaftliches Rahmenprogramm und zelebriert gerne die prestigeträchtige Gewissheit, einem exklusiven Klub anzugehören. Familiäreres, intimeres Ambiente aufgrund der moderateren Schiffsgrösse.
Europa 2: Modern, zwanglos, leger – gleichwohl ruhig-entspannt. Entsprechend der anvisierten Zielgruppe, die sich in den Ferien keinem zu strukturierten Tagesablauf unterziehen möchte, wurden «alte Kreuzfahrtzöpfe» (wie zum Beispiel das traditionelle Kapitänsdinner) radikal über Bord geworfen. Was die einen – altersunabhängig (darunter auch einige bisherige Europa-Stammgäste) – als befreiend stressfrei erleben, vermisst ein Teil der traditioneller orientierten Europa-Gäste schmerzlich und empfindet die Verbindung von grösserem Schiff, breiterem Bordangebot bei gleichzeitig fehlenden «Social Events» als etwas anonym und steril.
Familienfreundlichkeit
Europa: Trotz engagierter Betreuung seitens der Besatzung: Für Kids (ab 4 Jahren) und Teens mag der traditionellere Lebensstil verbunden mit den bescheideneren Freizeitaktivitäten zuweilen etwas behäbig und langweilig erscheinen.
Europa 2: Infrastruktur und professionell-individuelles Betreuungsangebot für Kinder (ab 2 Jahren) bis Teenager schaffen eine Verbindung von Luxus und Kinderfreundlichkeit wie auf bislang weltweit keinem anderen Schiff der Luxusklasse.
Bordsprache
Europa: Deutsch – auf international ausgeschriebenen Reisen zusätzlich Englisch.
Europa 2: Konsequent zweisprachig Deutsch/Englisch.
Schiffsdesign
Europa: Kombination von klassischer Eleganz, modernen Kontrapunkten und Yachting-Flair. Hohe Decken schaffen ein für diese Schiffsgrösse unübliches Raumgefühl, welches zum Beispiel im wunderschön-festlichen Hauptrestaurant mehr an einen Atlantikliner vergangener Tage als an eine Jacht erinnert. Edle Materialien, dezente Kunst. Verzicht auf billige Wow-Effekte. Sehr gepflegte Aussen-/Promenadendecks mit Rundumblick – fast alle mit echtem Teakbelag. Viel Platz. Während kürzlicher Renovation Entschärfung partieller Elemente tendenzieller «Biederkeit».
Europa 2: Schlicht atemberaubend – hell, ultramodern und luftig. Wegweisende Kombination von loungig-coolem Landresort und stilvoller Superjacht. Gefühl räumlicher Grosszügigkeit wird gegenüber der Europa nochmals um einiges übertroffen. Gegenwärtig grösstes Raumangebot pro Passagier. Weitläufige Fensterflächen für permanenten Kontakt zu Meer und Destinationen. Moderne, zuweilen gewollt provokative Kunst- und Dekoelemente.
Kabinen
Europa: Sehr geräumig (Hapag-Lloyd spricht nur von Suiten), bestens ausgestattet. Design etwas konservativer. Doppelbetten (ausser Penthouse Grand Suiten) in zwei Einzelbetten teilbar. Knapp ein Fünftel der Aussensuiten ohne eigene Veranda.
Europa 2: Ausschliesslich Suiten mit eigener Veranda. Lichtdurchflutetes, ausgesprochen wohnliches Ambiente, perfektionierte Ausstattung, hochwertige Möblierung im kontemporär-funktionellen Design. Bedienung der zahlreichen technischen Gimmicks (zum Beispiel des ausgeklügelten Lichtsystems) wird von etlichen Gästen als zu umständlich empfunden. Für ein Schiff mit dem Slogan «Die grosse Freiheit» nicht ganz standesgemäss: Doppelbetten nicht in zwei Einzelbetten teilbar.
Sport und Wellness
Europa: Nach heutigen (Luxus-)Massstäben kein Spitzenschiff mehr. Spa-Bereich durchaus solide, Fitnessstudio eher klein. Schöner, 15 Meter langer (bei schlechter Witterung lediglich teilüberdachter) Pool.
Europa 2: State of the Art! Wohlbefinden auf 1000 Quadratmetern inklusive eines grosszügigen hinteren Aussendecks mit genug Privatsphäre. Pool – ebenfalls 15 Meter – bei schlechter Witterung ganz überdachbar, längere Öffnungszeiten. Deutlich mehr Aussenpromenadenflächen und Sonnendecks/Liegen – Jogging problemlos möglich. Der mit Sicherheit bestausgestattete und hochwertigste Spa-/Fitnessbereich für ein Schiff dieser Grösse.
Dresscode
Europa: Sportlich-elegant bis formell-festlich – für Herren Jacket, je nach Abend zusätzlich mit Krawatte in den unteren Gesellschaftsräumen obligatorisch.
Europa 2: Zwanglos smart casual. Auch Jeans werden in den öffentlichen Räumen akzeptiert (und getragen …).
Gastronomie
Europa: Allerhöchstes Niveau. Vor allem das Spezialitätenrestaurant Dieter Müller gehört – sowohl was Speise- als auch Servicequalität betrifft – zum Besten, was auf See zu finden ist.
Europa 2: Mit acht Restaurants deutliche Ausweitung des kulinarischen Angebots. Qualität hervorragend, kommt aber (noch) nicht überall ganz an die Spitzengastronomie der Europa heran. Flexible Tischzeiten, keine feste Tischordnung, viele Zweiertische. Kochschule.
Entertainment
Europa: Unprätentiös hochklassig, renommierte Gastkünstler und Lektoren, Fokus auf klassische Unterhaltungsmusik, Kabarett, Comedy, Vernissagen, Lesungen.
Europa 2: Zusätzlich zweistöckiges Theater mit internationalen Bühnenshows, Jazzclub, 3-D-Kino.
Routing
Europa: Gute Mischung aus kürzeren sowie längeren Reisen mit bekannten Destinationen und/oder exotischen Routen mit spannenden, neuen Häfen. Weltreisen.
Europa 2: Anfänglich nur einwöchige, zwar kombinierbare, aber nicht sonderlich innovative Reisen im Angebot. Mittlerweile Ausweitung auf speziellere Destinationen (zum Beispiel Südamerika) sowie etwas längere Fahrten.
Nebenkosten
Auf beiden Schiffen fehlt bislang ein All-Inclusive-Angebot. Preisniveau Getränke – darunter eine grosse und exzellent selektionierte Weinauswahl – aber sehr fair.
Fazit
Der Name «Europa» steht seit jeher für allerhöchste Qualität in der Kreuzfahrt. Doch auch der Begriff Luxus ist dem Wandel der Zeit unterworfen. Während die bisherige Europa im bewährten Stil die Bedürfnisse einer klassisch-traditionell orientierten Klientel abdeckt, wurde es Zeit, für die hohen Erwartungen einer kosmopolitischeren und kaufkräftigen, bislang aber wenig kreuzfahrtaffinen Nachfolgegeneration eine Europa 2 zu schaffen. Herausgekommen ist ein Juwel von Schiff, ein Designhotel der Meere, ausgestattet mit fortschrittlichster Umwelttechnik und sonstigen schiffsbaumässigen Raffinessen. Es trägt die DNA einer Europa in sich, geht aber gleichzeitig in diversen Bereichen völlig neue Wege und nimmt konsequent zeitgenössische Lifestyle-Trends auf. Traditionalisten mögen mit dieser Art von «leger-entspanntem Luxus» Mühe bekunden. Für diese bieten sich nach wie vor die bisherige Europa oder etwa Schiffe vom Zuschnitt einer Deutschland an. Für alle anderen dürfte das neue und zukunftweisende Konzept eine ernsthafte Alternative zu den landgestützten Boutiquehotels oder Luxusresorts darstellen. Im Zuge der an gestrebten Internationalisierung bleibt allerdings abzuwarten, ob ein fehlendes inkludiertes Getränkeangebot zu den Mahlzeiten, wie es bei Konkurrenzreedereien Usus ist, zu Tagespreisen ab 600 Euro aufrechtzuerhalten sein wird.
Text Thomas P. Illes