Jedes Jahr überfällt uns der gleiche Schock: Plötzlich ist er da, der Sommer. Schneller als die seit Januar im Kopf geplante Strandfigur. Schneller als die eigentlich noch zu beschaffende Sommergarderobe.
Von einem auf den anderen Tag explodieren die Temperaturen und wir stehen ratlos vor dem Kleiderschrank. Aber so schnell wie das schöne Wetter da ist, so schnell ist es leider auch meistens wieder passé. Da ist es wirklich ein Jammer, dass wir uns alle immer so unter Druck setzen, sobald das sommerliche Hoch am Himmel leuchtet. Die ersten Sommertage verbringen wir nämlich garantiert genervt und unmotiviert im Büro, sehnsüchtig nach draussen guckend und uns an den See wünschend. Und am Feierabend eilen wir durch Geschäfte, um hektisch neue Schuhe und Kleider zusammenzuraffen, die uns aber gleich in die nächste Krise stürzen. Wir stehen bleich in der Umkleidekabine und wähnen unsere knackig braune Bikinifigur in weiter Ferne. Wieso haben wir die Diät seit Januar nicht konsequent durchgezogen? Sommerstress pur.
Frustriert durch die teuren Spontankäufe werfen wir uns zu Hause in die Joggingsachen, was aber auch keinen grossen Spass verspricht. Anstatt durch die schwülwarme Stadt zu rennen, sollten wir die Abendsonne geniessen und uns wie in Südeuropa dem lässigen Leben hingeben. Aber Dolce Vita bedeutet eben mehr als nur ein geplantes Freitagabendprogramm. Dolce Vita bedeutet, dem Leben – und damit auch dem Sommer – mit offenen Armen entgegenzutreten. Wir müssen nur eines verinnerlichen, und zwar, dass sich unsere Figur nicht der aktuellen Sommermode anzupassen hat. Die Mode muss sich unserer Sommerfigur anpassen. Und das ist vielleicht keine knackige Bikinifigur, sondern eine weiblich italienische Silhouette. Va bene! Dann halten wir es auch wie die Italienerinnen. Die tragen weite Leinenkleider aus bester Qualität und wirken durch ihr Körperbewusstsein trotzdem sexy. Und auch für die Herren unter der Sonne gilt: Italiener tragen keine trotteligen Zehentreter, sondern entweder gute Ledersandalen oder handgenähte Mokassins. Zudem ist fast nichts erotischer als ein Mann mit hochgekrempelten Hemdsärmeln. Ja, Frauen assoziieren damit durchaus einen Mann, der durchgreifen kann.
Lust auf nacktes Fleisch
Bei so viel unverhüllten Oberkörpern, herumlaufenden nackten Beinen und tiefen Dekolletés können einem auch als Frau manchmal die Triebe durchgehen. Wenn man als Single im Winter in Sachen Sex zu kurz kam, dann wirkt ein entblösstes Sixpack durchaus hocherotisch. Aber auch das ist eben ein Vorteil des Sommers. Bei allen Stressfaktoren und Unzufriedenheiten, die er enthüllt, so führt er uns auch alljährlich wieder vor Augen, was wir so lieben und was uns glücklich macht. Wenn alle Menschen schwitzen, ausgelassen in der Abendsonne sitzen und ständig mit diesem Sommerlächeln herumlaufen, dann ist doch wirklich alles gut und die Wintersorgen sind fern.
Dolce Vita ist Carpe Diem
Bitte, geniessen wir den Sommer, solange er da ist. Nichts ist nämlich fataler, als am Ende des Sommers zu denken, dass man die ganze Zeit nur mit Diät, Klamottenshoppen und Arbeiten in klimatisierten Räumen beschäftigt war. Verinnerlichen wir uns, dass der Sommer die einzige Jahreszeit ist, wo es total egal ist, was man anhat. Jeder hat eine glänzende Stirn, alle duften nach Sonnencreme und im Idealfall verhüllen alle mit luftig-leichten Stoffen ihre Silhouette, weil es im Sommer nicht darauf ankommt, knackig-braun zu sein und wie ein Surfer auszusehen. Sondern darum, diese unbeschwerte Leichtigkeit wahrzunehmen, die australische Surfer oder italienische Frauen das ganze Jahr einatmen, was sie zu Menschen macht, die Dolce Vita nicht anknipsen müssen wie wir. Und jetzt: ab in die Sonne!
Text Carla Ott