Um Afrikas Nashörner tobt ein Krieg. Die Zahl der illegal getöteten Dickhäuter ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Touristen sollen helfen, die bedrohten Tiere vor der Wilderei zu bewahren.
Der Ranger hat das Gewehr eng an den Körper gezogen, mit der anderen Hand hält er einen aufgeregt mit dem Schwanz wedelnden Weimaraner-Rüden an der Leine. Er blinzelt in die untergehende Sonne. Mit seinem Kurzhaarschnitt und dem eisblauen Offiziersblick sieht Conraad De Rosner aus wie ein Fremdenlegionär, der sich in der afrikanischen Wildnis verirrt hat. De Rosners Feinde sind aber keine Paramilitärs oder fremde Milizen. Er ist auf der Jagd nach Wilderern. Und die sind hier im Sabi Sands Game Reserve an der Grenze zum Krüger-Nationalpark nicht weniger gefährlich. Im vergangenen Halbjahr wurden in Südafrika jeden Monat bis zu hundert Nashörner gewildert. Naturschützer sprechen längst von einem Krieg um das Horn, das in China und Vietnam als Wundermedizin und Potenzmittel gilt. In den letzten Monaten kam es vor allem im und um den Krüger-Nationalpark zu regelrechten Schlachten zwischen Rangern und Wilderern. De Rosner bewacht mit seiner Antiwilderer-Einheit K9 Conservation mit einer Gruppe militärisch geschulter Ranger vor allem das Gebiet um die Singita Lodge. «Seit sich unsere Präsenz herumgesprochen hat, trauen sich die Wilderer nicht mehr in die Region», meint De Rosner, «aber das ist nicht überall so.»
Am frühen Morgen bricht im Kirkman’s Kamp im Süden des Sabi-Reservats Brett Devitt zu einer Pirschfahrt auf. Der Ranger weiss, dass seine Gäste vor allem wegen der Nashörner hergekommen sind. Es gibt kaum einen besseren Ort, um sie zu beobachten. Devitt steuert den Geländewagen in ein trockenes Flussbett. Urplötzlich steht eine Nashornkuh mit ihrem Kalb hinter einer Buschgruppe und beäugt neugierig das Gefährt. Das kleine Nashorn stürmt vorwitzig auf den Wagen zu und wirbelt übermütig eine Staubwolke auf. Selbst der Ranger hält den Atem an. Er sieht das Kalb zum ersten Mal. «Es ist höchstens ein paar Wochen alt», flüstert er. «Auch die Mutter ist ungewöhnlich gelassen. Diese Tiere haben wohl noch nie einen Wilderer gesehen. Aber wer weiss, was dem Kleinen in seinem Leben noch bevorsteht.»
Wie grausam die Wilderer sind, weiss Lee-Anne Davis. Die Aktivistin sitzt auf der Terrasse der Ngala Lodge unweit des Krüger-Nationalparks und spielt auf ihrem Laptop ein Video ab, das sie mit der Handkamera aus einem Helikopter aufgenommen hat. Es zeigt ein blutüberströmtes Nashorn. Mit letzter Kraft hebt es den soeben skalpierten Kopf. «Es hatte keine Überlebenschance», so die Aktivistin. Die Rangerin rief 2012 die Kampagne «our horn is no medicine» ins Leben. Sie will Wilderei bekämpfen, Spenden sammeln und vor allem Aufklärung leisten. Ihr Video hat sie auf Mandarin und Vietnamesisch übersetzen lassen und auf Youtube hochgeladen. Sie hofft, dass sich ihre Botschaft auch in Asien verbreitet.
Im Krüger-Nationalpark und den umliegenden Schutzgebieten leben etwa 85 Prozent aller Nashörner. Hält die Wilderei an, ist ihr Fortbestand gefährdet. Inzwischen werden zu ihrem Schutz immer drastischere Massnahmen getroffen. Über dem Sabi-Reservat fliegen Drohnen zur Erspähung von Wilderern, die Ranger nutzen Helikopter und modernste Militärtechnik. In manchen Schutzgebieten hat man die Hörner entfernt, in anderen wurden sie mit Giftstoffen versetzt, um den illegalen Handel zu stoppen. Doch die Zahlen der gewilderten Nashörner sind noch immer nicht eingebrochen. Unter Naturschützern wird nun diskutiert, den Markt zu legalisieren, um den Wert der Ware zu drücken und die Situation unter staatliche Kontrolle zu bringen. Vielleicht die letzte Chance.
Lee-Anne Davis setzt auf Touristen als Botschafter. Mit Spendengeldern will sie hundert Nashörner nach Botswana umsiedeln. Die Lodge-Betreiber Andbeyond und Wilderness Safaris haben in Zusammenarbeit mit Naturschützern bereits vor Jahren damit begonnen, Tiere aus Südafrika im Okavango-Delta auszusetzen. «Ich kannte Nashörner nur aus den Erzählungen meines Grossvaters», sagt Oganeditse Sefo. Der botswanische Ranger ist am frühen Morgen mit vier Besuchern der Mombo Lodge im Zentrum des Okavango-Deltas zu einer Pirschfahrt aufgebrochen. Sie haben gerade einen Leoparden beobachtet, der ein erbeutetes Impala auf einen Baum schleppte. Der Grund, weshalb sie jedoch nach Mombo kamen, sind die Nashörner. Im Okavango-Delta wurden seit 2001 zahlreiche Breit- und Spitzmaulnashörner wieder eingeführt. Inzwischen hat sich ihr Bestand mindestens verdoppelt. Vielleicht wird man irgendwann Nashörner zurück nach Südafrika ausfliegen müssen. Aber so weit soll es nicht kommen.
von Winfried Schumacher