Zum vierten Mal in Folge hat Turkish Airlines den Skytrax-Award als beste europäische Fluggesellschaft erhalten. Die Airline fliegt rund 260 Destinationen an und befördert jährlich 48 Millionen Passagiere.
Zuckersüss, klebrig-weich und überraschend nussig: Turkish Delight, oder auf Deutsch Türkischer Honig, ist wohl die bekannteste Süssigkeit aus der Türkei. Wer sie mag, kann die Finger schlecht von den kleinen Gummiwürfeln lassen. Das ist in der neuen Business-Lounge von Turkish Airlines in Istanbul verhängnisvoll. Überall liegen sie bereit, duften verlockend vom Kuchentisch oder drängen sich auf der Teetheke mit ihrer reinen Anwesenheit auf. Sie stehen für die türkische Kultur, Gastronomie und Gastfreundschaft. Eine kleine Freude, ein Delight, für Zwischendurch. Genauso wie die Lounge selbst.
Rund 5000 Quadratmeter gross ist diese neue, ruhige Oase im sonst so quirligen Flughafen Atatürk in Istanbul. Sie trägt massgeblich dazu bei, dass die Zeit bis zum Flug oder zwischen deren zwei angenehm verstreicht. Mit einer Massage zum Beispiel. Oder einem Film inklusive Popcorn im Kino mit Liegesesseln. Wer mit Turkish Airlines Business fliegt oder über die Star Alliance Gold Card verfügt, kann den separaten Check-in am Eingang der Lounge benutzen und in eine Halle eintreten, in der Menschen aus aller Welt auf Ledersesseln unter runden Kuppeln sitzen und sich an einem der vielen Buffets oder den Kochstationen mit frischen Köstlichkeiten bedienen. Einige spielen Billard in der Bibliothek, andere lauschen dem selbst spielenden Piano, Männer in Anzügen trainieren ihren Golfabschlag mit einem Simulator oder messen ihre Fahrkünste auf der Carrera-Bahn. Kleinen Jungs und Mädchen steht ein üppig ausgestattetes Kinderzimmer zur Verfügung. Es herrscht eine edle, moderne Atmosphäre und ein, zwei Stunden vergehen wie im Flug alleine damit, die Lounge und ihr Angebot zu entdecken.
Ein Publikumsliebling
Die Business-Lounge an sich ist nicht neu, aber sie wurde massiv vergrössert und ausgebaut. Im alten Bereich wurde es zu eng. Das ist wenig überraschend, betrachtet man die Entwicklung von Turkish Airlines in den vergangenen zehn Jahren: 2004 hat das «Star Alliance»-Mitglied zwölf Millionen Passagiere befördert, im Jahr 2013 waren es 48 Millionen. Gemessen an der Anzahl Passagiere ist Turkish damit die zweitgrösste Airline Europas und eine der am schnellsten wachsenden Fluggesellschaften überhaupt. Glaubt man der weltweiten Passagierumfrage Skytrax, ist sie betreffend Qualität auf dem Kontinent sogar die Nummer eins. Vor wenigen Wochen wurde Turkish zum vierten Mal in Folge als beste Airline Europas ausgezeichnet. Unter dem Namen «Comfort Class» hat Turkish 2010 eine Klasse zwischen Economy und Business eingeführt, in der ein Sitzabstand von 116 Zentimetern viel Beinfreiheit schafft und den Award für den weltbesten «Premium Economy Class»-Sitz von Skytrax einbrachte. Auch das preisgekrönte eigene Catering dürfte zu vielen Punkten auf der Beliebtheitsskala beitragen. Laut einem Artikel der Sonntagszeitung wird sogar in den First Class Lounges von Lufthansa Essen aus dem Hause Do & Co von Turkish serviert – dies, obwohl Lufthansa über ein eigenes Catering-Unternehmen verfügt. Ein weites Plus im Kampf um die Gunst der Kunden ist die vor allem auf der Langstrecke sehr junge, moderne Flotte. Zurzeit hat Turkish 255 Jets am Himmel. 55 davon sind Grossraumflugzeuge. Bis ins Jahr 2020 soll die Familie auf 415 Maschinen anwachsen, wie es aus Istanbul heisst. Zum Vergleich: Die Flotte von Swiss zählt momentan 90 Flugzeuge.
Ein Tor zu Afrika
Das strategische Ziel von Turkish Airlines ist klar: Noch mehr Flughäfen zu erreichen und damit das Drehkreuz Istanbul zu füttern. Laut Marketingabteilung fliegt Turkish im Moment 262 Destinationen in 107 Ländern an. Auffallend an der Weltkarte aus türkischer Sicht sind die vielen Flüge nach Afrika. Sie führen nicht nur zu touristisch bekannten Zielen wie Südafrika, Kenia oder Ägypten, sondern auch in Länder wie Somalia, Eritrea, Äthiopien oder den Sudan. Demnächst werden Bamako in Mali, Conakry in Guinea und Luanda in Angola in den Flugplan aufgenommen. Entwicklungsländer hätten viel Potenzial für Wachstum, wird die Strategie auf Anfrage erklärt. Wachstum wird dabei nicht nur mit lokalen Reisenden, sondern auch mit Transfer-Passagieren angestrebt. «Die Hälfte der Passagiere auf neuen Routen in Afrika reisen weiter in andere Länder. Damit füttern sie unser Netzwerk. Wir öffnen in Afrika eine Art Tor zu Städten überall auf der Welt», so die Marketing-Abteilung. Turkish Airlines nutzt damit einen entscheidenden Standortvorteil: Viele afrikanische Städte sind weniger als sieben Flugstunden von Istanbul entfernt. Turkish kann auf diesen Strecken kleinere Flugzeugtypen einsetzen.
Die geografische Lage zwischen Afrika und den Destinationen in Europa, Asien und Russland wurde von Turkish-Chef Temel Kotil auch schon als mathematischer Glücksfall bezeichnet. Über 80 Destinationen sind von Istanbul aus in rund drei Stunden erreichbar. Das sieht beispielsweise in den Hubs der Konkurrenz aus den Golfstaaten anders aus. Im Gegensatz zu anderen europäischen Airlines fürchten die Türken deshalb Emirates und Co. generell wenig. Sie seien eine Konkurrenz in Asien, Turkish konzentriere sich aber nicht nur auf eine Region und sei darum breiter abgestützt, heisst es selbstbewusst. Zudem fliegt Turkish anders als die ebenfalls rasant wachsenden Airlines aus dem Golf im Moment vermehrt kleinere Städte wie beispielsweise Salzburg, Köln, Bilbao oder Billund an und nicht nur die Metropolen Paris, London und Amsterdam
Von all diesen Städten aus, und all denen, die noch dazukommen werden, will Turkish die Weltreisenden über Istanbul leiten. Die Chancen, zumindest von der Infrastruktur her, stehen nicht schlecht: 2018 soll in Istanbul der neue Flughafen eröffnet werden. Mit einer Kapazität für 150 Millionen Passagiere wird er laut Turkish der grösste der Welt. Turkish Delight, die typische Süssigkeit, dürfte spätestens dann nicht allein Türkei-Reisenden bekannt sein. Sie werden nämlich nicht nur in der Lounge, sondern auch an Bord serviert. Hausgemacht, versteht sich.
von Stefanie Schnelli