Mit Mein Schiff 3 hat Tui Cruises dieses Jahr ihren ersten Neubau zu Wasser gelassen. Das dritte Flottenmitglied überrascht mit viel Raum pro Passagier, urbanem Chic und einer Weltneuheit.
Der deutschsprachige Kreuzfahrtmarkt boomt: Nach der vielbeachteten letztjährigen Einführung der Europa 2 von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten erfolgte mit der im Juni dieses Jahres in Hamburg spektakulär von Schlagerstar Helene Fischer getauften Mein Schiff 3 von Tui Cruises der nächste Paukenschlag. Gross war die Spannung, was die Reederei, dem seit 2008 tätigen Joint Venture der Tui AG sowie der amerikanischen Royal Caribbean Cruises Ltd., ihrem ersten Neubau alles einverleibt hat.
Zielgruppe
Deutschsprachige, qualitätsbewusste Klientel – mehrheitlich Vertreter der Babyboomer-Generation sowie Paare und Familien – die es schätzt, im Rahmen eines preistransparenten Alles-Inklusive-Angebots genug Freiraum auf einem grossen, modernen Schiff, welches aber noch keine Mega-Resort-Ambitionen hegt, zu erhalten. Sie ist bereit, für die entspannte Formel aus individuellem Service, zahlreichen inkludierten Leistungen und im Vergleich zu Mainstreamschiffen weniger Massenandrang einen Aufpreis zu bezahlen.
Lifestyle
Konsequente Weiterentwicklung des von Tui Cruises ausgerufenen «Wohlfühlschiff»-Konzepts. Noch grössere Auswahl in Bezug auf Sport, Gastronomie, Unterhaltung und Kultur als auf Mein Schiff 1 und 2 unter Beibehaltung der reedereitypisch entschleunigten Lebensart. Keine Hektik, aufdringliche Daueranimation oder zu reglementierte, starre Bordabläufe. Trotz der Grösse des Schiffs viel individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Gelungene Verknüpfung von niveauvoller, gepflegt-eleganter, jedoch unprätentiöslockerer Atmosphäre.
Familienfreundlichkeit
Ausgeprägt. Gegenüber mein Schiff 1 und 2 deutlich vergrösserter Kinder- und Jugendbereich. Zahlreiche altersspezifische Aktivitäten, professionelle Betreuungsangebote für Kids und Teens – vor allem in den Hauptferienzeiten, wo die Reederei mit bis zu 500 Kindern an Bord rechnet. Spezielle kinderfreundliche Familienkabinen.
Bordsprache
Deutsch. Die Servicecrew stammt allerdings nur zum Teil aus deutschsprachigen Ländern. Etliche Filipinos sprechen nur sehr rudimentär oder gar kein Deutsch.
Schiffsdesign
Modern, cool, stylish. In mehreren Bereichen unverkennbare Anlehnung an die Solstice-Klasse von Celebrity Cruises. Helle Cremefarben, viel Blau und apart spiegelndes Chrom. Die trendige Kombination aus puristischer, nordischer Klarheit und zeitgenössischem urbanem Chic ist ein Novum für ein Schiff im deutschsprachigen Volumenmarkt. Grosse Deckenhöhen, breite Kabinengänge, weit läufige Fensterflächen sowie viel Platz zwischen den Tischen und Sitzgelegenheiten in den Restaurants/Bars schaffen ein ausgeprägtes Raumgefühl, viele echte Pflanzen Authentizität. Es gibt erfreulich viel Aussendecksfläche – leider aufgrund mannshoher Verglasung in weiten Teilen anstelle einer herkömmlichen Reling mit nur wenig Kontakt zu den Elementen Luft und Meer.
Kabinen
Breitgefächertes Angebot an Kategorien. Gegenüber Mein Schiff 1 und 2 deutlich mehr Balkonkabinen. Standardkabinen gut und zweckmässig eingerichtet. Dezent verwendete Stil-/Dekorationselemente schaffen ein persönliches, wohnliches Ambiente. Raffiniert ausgenutzte Raumökonomie, auch im Bad. Genug Ablageflächen und Stauraum. Schöne Details wie individuelle Leselichter, ausreichend Steckdosen und eigene Nespresso-Maschine. Ausser in den Suiten gibt es, laut Tui Cruises aus Umweltgründen, keine Minibar mehr. Dafür stehen Wasserspender in den Kabinengängen.
Highlight: Zehn tolle, sich über zwei Decks erstreckend «Himmel & Meer»-Suiten mit eigener Dachterrasse.
Service
Sehr freundlich, zuvorkommend und aufmerksam. Ausreisser nach unten mit nur bedingt vorhandenem Serviceverständnis sind aber, vor allem in den Hauptrestaurants, vereinzelt noch zu beobachten. Service in den Zuzahlrestaurants hervorragend, zumeist auch sehr professionell (einige der Kellner kommen von der Europa 2), jedoch stets natürlich-herzlich, individuell und engagiert. Zimmermädchen und Kabinenstewards verrichten ihre Arbeit gewissenhaft und im Hintergrund.
Sport und Wellness
Weltweit erster 25-Meter-Pool auf einem Kreuzfahrtschiff – bei Seegang aus Sicherheits-/Stabilitätsgründen in zwei Einzelbecken teilbar. Zusätzlich: der erste Innenpool bei Tui Cruises, Jacuzzis, Spa, Fitnessraum, Sauna, Jogging Track (nur morgens und abends), Sportplatz mit LED-Leinwand, Cycling. Beim Pooldeck merkt man gelegentlich, dass man mit 2500 anderen Gästen reist – an warmen Seetagen ist der Bereich ordentlich (über)bevölkert und bietet (zu) wenige Schattenplätze.
Dresscode
Leger bis sportlich-elegant. Allzu übertriebene Aufbrezelei wird nicht erwartet und auch nicht praktiziert.
Gastronomie
Hochwertig und vielfältig. Freie Tischzeiten mit Service am Platz in den Hauptrestaurants. Das Selbstbedienungsbuffet mit angegliederter «Backstube» (einmalige Auswahl an frisch gebackenen Brotsorten) und dem gegenüber Mein Schiff 1 und 2 vergrösserten Fischrestaurant Gosch Sylt gehört bezüglich Qualität und Auswahl zum Besten, was auf einem Volumenschiff zu finden ist. Im Feinschmecker- sowie Steakrestaurant isst man gegen Aufpreis in entspannt-elegantem Ambiente auf exquisitem Niveau. Etwas abfallend in der Qualität: das Hauptrestaurant mit seiner innovativen Dreiteilung Klassik-Mediterran-Eurasia. Weitere Highlights: die grosszügige, tageslichtdurchflutete «Café Lounge» mit Kaffee- und Pralinenspezialitäten sowie tollem Ausblick auf die schäumende Hecksee (Tipp: Tisch 17!) und ein Japan-Restaurant (beide zuzahlpflichtig), die Eisbar mit täglich wechselnden Eissorten sowie ein 24-Stunden-Bistro.
Routing
Mehrheitlich siebentägige Reisen zu beliebten Zielen im Mittelmeer, auf den Kanaren mit Madeira oder Marokko und in der Karibik. Die Reisen sind kombinierbar.
Nebenkosten
Vieles ist im Premium-Alles-Inklusive-Paket enthalten, auch eine Auswahl an Getränken (Softdrinks, Bier, Wein, Cocktails, Kaffee). In den Hauptrestaurants je ein –qualitätsmässig eher bescheidener – Weiss-/ Rosé-/Rotwein plus Sekt/Prosecco. Ausserhalb der Mahlzeiten in den Bars etwas grössere Selektion im Offenausschank sowie schöne Cocktails. Hochwertigere Weine/Spirituosen gegen Aufpreis. Gesamte Restaurant/Lounge/Bar-Sektion «Grosse Freiheit» im Heckbereich zuzahlpflichtig, die Getränkepreise sind jedoch moderat, und in der Café Lounge gibt es die besten Kaffees/Capuccinos auf dem Schiff.
Besonderheiten
Maritimes Museum, kammermusikalische Philharmonie mit toller Akustik, 167 m2 grosse diamantförmige Glasfassade am Heck, 2 Aussichtsplattformen mit gläsernem Boden 37 Meter über dem Wasser, hervorragende Touchscreen-Info-Displays, rundumlaufendes Promenadedeck mit Zugang zum Bug. Ganzes Schiff bemerkenswert laufruhig und (fast) vibrationsfrei. VIP-Lounge für Suiten-Gäste, Bike-Flotte für Landausflüge (früh reservieren!).
Fazit
Platz kostet Geld – auch auf Schiffen. Gegenüber dem Rivalen Aida Cruises untermauert Tui Cruises den Premiumanspruch und bietet eine nochmalige Steigerung von Raum pro Passagier. Hervorragend auch das Passagier-Crew-Verhältnis von 2,5:1. Zusammen mit dem unaufgeregt-hochklassigen Bordangebot, das mehr Richtung Entspannung und Edutainment als pure Action (keine Wasserrutschen, Kletterwände und Co.) zielt, stellt der erste Neubau der Hamburger Reederei eine willkommene Bereicherung für den deutschsprachigen Kreuzfahrtmarkt dar. Der ausgeprägte Fokus auf Design, Ruhe und Wohlgefühl birgt mitunter aber auch die Gefahr einer gewissen Sterilität; eingelullt in einem von technischer Perfektion und Komfort umgebenen Kokon ziehen Meer und Landschaft virtueller an einem vorbei als auf manch anderen Schiffen. Interessant wird sein zu beobachten, wie im Rahmen eines Premium-Alles-Inklusive-Konzepts die Unterteilung in einen Inklusiv- und einen Bezahlbereich von den Gästen angenommen wird. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist auf jeden Fall vorbildlich, ebenso die umfassende Umwelttechnik: Eine Kombination aus Abgaswaschanlage (Scrubber) und Katalysator (die sich im täglichen Betrieb aber noch bewähren muss) bietet beispielsweise bis anhin kein anderes Kreuzfahrtschiff.
von Thomas P. Illes
Das klingt ziemlich erlebenswert!