Der Boom ist ungebrochen: Kreuzfahrten sind beliebter denn je. Die Reedereien kurbeln den Markt mit spektakulären Neubauten und immer originelleren Features an. Denn wer stillsteht, geht unter.
Was die Kreuzfahrten-Industrie in den vergangenen Jahren erlebt hat, davon können andere Branchen nur träumen: eine kontinuierlich ansteigende Nachfrage und ein scheinbar unerschöpfliches Potential an Neukunden. Das Interesse an der Reiseform bricht nicht ab. Familien fühlen sich auf den Schiffen genauso wohl wie ältere Paare, Honeymooners und Singles. «Die Vielfalt an Schiffen ist so gross geworden, dass es für jeden Wunsch eine passende Kreuzfahrt gibt», sagt Cornelia Gemperle, General Manager von Kuoni Cruises. Und das Angebot nimmt rasant zu: Alleine 2015 kommen sieben neue Schiffe auf den Markt, insgesamt werden rund 4,4 Milliarden Franken investiert. 2016 werden elf weitere Schiffe erwartet.
Für die Reisenden bringt der Wettbewerb unter den Reedereien einen grossen Vorteil: Die Preise sind in den vergangenen Jahren vor allem bei den Grossen massiv gesunken, wie Regina Bachmann von Hotelplan Cruises sagt: «Vor noch nicht langer Zeit waren 1500 Franken für eine einwöchige Kreuzfahrt ein Sensationspreis. Heute findet man im Winter Innenkabinen für 230 Franken pro Person.» Das ausgezeichnete Preis-Leistungs-Verhältnis ist mit ein Grund, warum immer mehr Menschen ihre Ferien auf einem Schiff verbringen. Vor allem Familien können profitieren, am stärksten bei Reedereien wie Costa, MSC, Aida und Tui Cruises. Zudem werden Kinder und Teenager auf Wunsch den ganzen Tag altersgerecht betreut, lernen neue Freunde kennen und haben ein grosses Unterhaltungsprogramm zur Auswahl, während die Eltern sich im Spa oder auf Deck entspannen können.
Bieder war gestern
In beiden Segmenten, Entspannung sowie Abenteuer und Unterhaltung, übertreffen sich die Reedereien mit ihren Neubauten immer wieder selbst. Wellness und Well-being sei definitiv ein Trend, sagen Cornelia Gemperle und Regina Bachmann. Auf neuen Schiffen wird den Spa-Bereichen viel Platz eingeräumt und das Sportangebot möglichst breit gefächert. «Die Zeiten, in denen auf Kreuzfahrten nur gegessen und getrunken wurde, sind vorbei», bestätigt auch George Studer, Geschäftsführer des Onlineanbieters CruiseCenter. «Heute möchten die Gäste zwar geniessen, aber auch aktiv sein.» Vor allem die grossen Schiffe lassen sich dafür immer neue Features einfallen: Kletterwände, Wasserparks oder ein Surfsimulator und ein senkrechter Luftkanal wie auf der Quantum of the Seas von Royal Caribbean International verschaffen Gross und Klein Adrenalinkicks.
Weitere Trends sind laut Studer sogenannte Waterfront-Bereiche, bei denen ehemalige Promenadendecks neu mit hübschen Cafés, Biergärten oder Clubs erschlossen werden und Gäste windgeschützt nahe am Wasser sitzen können. «Schöne Beispiele gibt es auf der Costa Diadema und den neuen Schiffen von Norwegian Cruise Line.» Allgemein kommt den Aussenbereichen eine grössere Bedeutung zu als füher. Zudem gibt es immer häufiger Singlekabinen. Eine andere Innovation seien sogenannte Schiff-im-Schiff-Bereiche wie es Norwegian Cruise Line mit ihrem Haven-Bereich oder MSC mit dem Yacht-Club vormache. «Solche exklusiven Suiten-Komplexe mit Butler-Service, eigenen Pools und Restaurants haben den Vorteil, dass die Gäste den Massen eines grossen Schiffes ausweichen können, ohne auf die grosse Infrastruktur verzichten zu müssen.» Denn nach wie vor gilt: Grosses Schiff gleich viel Unterhaltung. Obwohl kleinere Luxusschiffe nachziehen – vor allem beim Angebot für Kinder.
Beim Begriff «Luxus» ist allerdings Vorsicht geboten. Er werde inflationär gebraucht, sind sich Gemperle, Bachmann und Studer einig. Als richtige Luxusreedereien bezeichnen sie Seabourn Cruise Line, Silversea Cruises, Crystal Cruises, Regent Seven Seas und Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Doch selbst auf solchen Schiffen, allen voran der Europa 2 von Hapag-Lloyd, wird Luxus nicht mehr mit starren Regeln und Smoking fürs Captain’s Dinner gleichgesetzt. «Die Atmosphäre auf Kreuzfahrtschiffen wird generell lockerer. Ein Kleiderzwang, fixe Essenszeiten und fest zugewiesene Tische werden seltener. Individualität wird mehr und mehr grossgeschrieben», sagt Cornelia Gemperle. Vorreiter seien diesbezüglich das Freestyle-Cruising-Konzept von Norwegian Cruise Line, Aida, Royal Caribbean International, Tui Cruises und Celebrity Cruises. MSC geht auf das Thema Individualität mit seinen «Experiences» ein: Der Kunde wählt das Schwerpunktthema seiner Reise und bezahlt nur, was er nutzt.
Damit die Reise ein Erfolg wird, ist es wichtig, das richtige Schiff auszuwählen. «Dafür nimmt man am besten eine gute Beratung in Anspruch», sagt Regina Bachmann. Wichtige Kriterien sind die Route, die Grösse des Schiffes, die Bordsprache und das Konzept – also ob eher Ruhe und Entspannung im Vordergrund stehen oder ob Spass und Unterhaltung den Schiffsalltag prägen. Auch die Kabinenauswahl ist nicht ganz einfach, wie Cornelia Gemperle sagt. «Neueinsteigern würde ich keine Innenkabine empfehlen. Wer seekrank wird, bucht besser auf einem unteren Deck in der Mitte des Schiffes, wer unter dem Pooldeck oder neben einem Lift schläft, muss mit etwas Lärm rechnen.»
Nicht alles wird nur grösser
Während die Reiseanbieter das richtige Schiff für jeden Kunden suchen, arbeiten die Reedereien fleissig an neuen Angeboten. MSC, zum Beispiel, wird seine Kapazität bis ins Jahr 2022 verdoppeln. Die neuen Schiffe des Seaside-Projekts sollen sich durch neuartige Architektur und Spitzentechnologie abheben, die beiden neuen Schiffe des Vista-Projekts werden fast alle Häfen der Welt anlaufen können. Zudem werden bis Ende 2015 alle vier Schiffe der Lirica-Klasse vergrössert und modernisiert.
Costa lanciert mit den sogenannten Slow Cruises auf den Schiffen der neoCollection ein neues Konzept. «Wir bedienen auf diesen Kreuzfahrten aussergewöhnliche Routen mit kleineren Schiffen, und statt riesigen Buffets gibt es Slow Food an Bord», erklärt Mary Stefanizzi, General Managerin Costa Schweiz. Generell arbeite Costa daran, flexible Essenszeiten zu schaffen, das Entertainment an Bord auszubauen und das Angebot zu individualisieren. «Weitere Themen sind für uns der rasant wachsende Absatzmarkt China, die Preispolitik, Umweltschutz, die Sicherheit an Bord und die Rechte der Crew-Mitglieder», fasst Stefanizzi zusammen, was die Branche beschäftigt.
Auch bei Tui Cruises ist der Umweltschutz ein wichtiger Punkt auf der Agenda. Vor allem im deutschsprachigen Raum sei das ein grosses Thema. Tui Cruises will mit seinen Neubauten Mein Schiff 3, 4, 5 und 6 neue Standards setzen. «Unsere neuen Schiffe verbrauchen über 30 Prozent weniger Energie als vergleichbare Schiffe», heisst es von Tui Cruises. Das kommt auch in der Schweiz an. Die Mein Schiff 3 erhalte viel Zuspruch. «Wir sehen grosses Potential im Schweizer Markt.»
von Stefanie Schnelli
Informativer Artikel. Super Schreibstil!