Nichts ist unmöglich. Oder wie ein österreichisches Berghotel ins Portfolio eines Hotelriesen aus China kommt.
Zwölf Nackedeis sind heutzutage nichts besonderes. Wenn sie allerdings Schwarz auf Weiss ein Restaurant verzieren, schaut man schon mal hin. Und sogar zum Hingucker wird das wandgrosse Foto, wenn man weiss, dass unter den zwölf Nackten vier Weltmeister sind, allen voran der Klammer Franz, legendärer Olympia- und fünffacher Ski-Weltcup-Sieger in der Abfahrt. Als Zweiter von rechts verdeckt er mit gekreuzten Skiern sein bestes Stück.
Zu finden ist das Foto im restaurant12 des hotel12 in Kärnten, auf der Gerlitzen Alpe 1750 Meter über Meer. Das Berghotel von Hotelier Walter Junger hat zwölf Zimmer, gestaltet von zwölf Künstlern, und liegt an der zwölften Kehre der Passstrasse.
Rund zwölf Flugstunden weiter östlich, in der 23-Millionen-Metropole Shanghai, sucht die zehntgrösste Hotelgesellschaft der Welt und die zweitgrösste in China, die Plateno Hotel Group, ein Vorbild und einen Partner für eine neue Luxusmarke im insgesamt 16 Brands umfassenden Plateno-Portfolio. Chinas am schnellsten expandierende Hospitality Group will weltweit Fuss fassen und benötigt ein Konzept für «new luxury», wie CFO Eric Wu sagt. Er will keine Ritz-Carlton- oder Shangri-La-Kopie.
An dieser Stelle übernimmt das Schicksal seinen Part: Walter Junger, früher in diversen Führungspositionen bei Ritz-Carlton und Shangri-La unter Vertrag, trifft Eric Wu und erklärt ihm die Philosophie seines Luxus-Entwurfs im kleinen Berghotel: «H12 – das ist moderner Luxus, nichts Verschnörkeltes, weder im Design noch in der Dienstleistung. Unsere Betten stehen wie in einer Privatgalerie, die jedoch den heimeligen Charme einer Skihütte hat. H12 ist herzliche und vor allem ehrliche Gastfreundschaft. Von links oder rechts bedienen ist uns egal. Wir kochen nicht für Michelin. Wir kochen regional, wir haben eigenen Wein, einen eigenen Jäger und bei uns gibt’s das beste Schnitzel, den besten Fisch, den besten Kaiserschmarrn.» Letzteres kennt Wu nicht. Aber vom Rest, da ist er begeistert. Der Visionäre für den bis dato noch nicht definierten Plateno-Luxus war gefunden. Und es kommt, wie es kommen musste: Am 12.12.2014 schliessen das hotel12 und Plateno ein Joint Venture: Der süsse Zwerg hat den mächtigen Riesen die (vor-)letzte Nische in der Hotellerie schmackhaft gemacht. Nur schade, dass man sich nicht schon 2012 getroffen hatte… Und so wird das kleine hotel12 in Kärnten zum Prototyp einer Reihe von bis zu 30 neuen, exklusiven Plateno-Kunst- und Lifestylehotels, die bis zum Jahr 2020 weltweit entstehen sollen. Individuell gestaltete Häuser, die dann nicht mehr zwangsläufig an die Zwölf gebunden sind, die aber an besonderen Orten, in historischen Gebäuden oder unberührter Natur eine überschaubare Anzahl an Gästen empfangen werden. Auch die Zimmerzahl wird nicht bei zwölf bleiben: «Grössenordnungen zwischen zwölf und 112 sind denkbar», sagt Wu schmunzelnd. Kunst und aussergewöhnliche Extras, die einen Bezug zur jeweiligen Region herstellen, sollen weitere Merkmale der h12 Hotels der Zukunft sein. Fragt sich nur, ob das gut gehen kann? Die Romanze zwischen Zwerg und Riese? Derzeit gibt’s zwar nur ein konkretes Projekt, auf einer unbewohnten, Shanghai vorgelagerten Insel. «Doch im Kopf haben wir schon so einiges», wie Junger sagt. «Wir wollen ja schliesslich Weltmarktführer in der Hotellerie werden», ergänzt der Kaiserschmarrn resistente Wu. «Ich bin Chinese und will so viel wie möglich haben, aber Walter wird uns bremsen, da bin ich sicher! Die neuen h12 sollen ja so werden wie sein h12 in Kärnten» – auch wenn wahrscheinlich keines der zukünftigen Hotels zwölf nackte Weltmeister an der Wand und zwölf Zimmer im Haus hat…
Text Jochen Müssig