Von Künstlern, Kopfjägern und einem Bundesratsgatten: Die Expedition mit der Silver Discoverer durch Papua-Neuguinea erinnert an Entdeckungsreisen europäischer Seefahrer.
Eine «normale» Kreuzfahrt würde er nie machen, sagt der weit gereiste Zürcher Anwalt. Aber diese Expedition sei ja auch keine normale Kreuzfahrt. Wer sei denn schon von Palau durch Mikronesien, Melanesien und Polynesien bis nach Fiji gereist und mit Inseln und Menschen in Berührung gekommen, von deren Existenz ausserhalb des Südpazifiks niemand eine Ahnung habe? Tatsächlich. Wer sich nicht gerade mit den legendären Seeschlachten im Zweiten Weltkrieg zwischen Japanern und Amerikanern befasst oder beispielsweise Lukas Hartmanns wunderbares Buch «Bis ans Ende der Meere» gelesen hat, für den mag der Südpazifik ein unbekanntes Gewässer sein. Dabei ist der Stille Ozean alles andere als still.
Um Hilfe flehenden Missionaren, die in brennenden Kochtöpfen von blutrünstigen Kopfjägern weich gekocht werden, begegnen wir zwar nicht. Das Klischee, das unter den Gästen auf unserem Schiff vor den ersten Begegnungen mit den Papuas hartnäckig die Runde macht, könnte Hergés Fantasiewelt und Comicserie «Tim und Struppi» entsprungen sein. Auch die verklärten Bilder von Polynesien, die wir dank mehreren Hollywood-Fassungen von der «Meuterei auf der Bounty» in uns tragen, erweisen sich als ziemlich realitätsfremd.
Als wir in Papua-Neuguinea, unweit des kleinen Städtchens Vanimo, zum ersten Mal an Land gehen, werden wir von der ganzen Bevölkerung des Lido Village mit Musik und Tanz begrüsst. Selbst der Bürgermeister lässt es sich nicht nehmen, jedem einzelnen Gast persönlich die Hand zu reichen. Die Ehrerbietung geht unter die Haut. Schliesslich sei es doch ganze zwölf Monate her, dass ein so grosses Schiff wie die Silver Discoverer hier angelegt habe, sagt der Dorfchef. Die Feierlichkeiten wecken Erinnerungen an einen Staatsempfang. Gut reist in unserer Gruppe ein Bundesratsgatte mit. Auch wenn Herr Sommaruga bzw. Lukas Hartmann nicht persönlich anwesend ist, so ist er zumindest zwischen zwei Buchdeckeln unser ständiger Begleiter. Ja mehr noch. Es scheint, als hätten wir uns zu Figuren seines Südseeromans verwandelt und würden nun als Gäste der Silver Discoverer die von Hartmann beschriebenen Begegnungen zwischen «edlen Wilden» und der Mannschaft Captain Cooks gleich selber miterleben (siehe auch unser Interview mit Lukas Hartmann). Die Ambivalenz des festlichen Augenblicks fällt niemandem auf. Ebenso wenig scheint die Anwesenheit einiger ausländischer Nonnen und Missionare im kleinen Dorf zu stören. Während die Lutheraner – ihre Präsenz ist auf die deutsche Kolonisierung und Herrschaft vor dem Ersten Weltkrieg zurückzuführen – einen Heimvorteil geniessen, werben Mormonen mit offenbar viel Geld für das (amerikanische) Paradies. Dass sich die Papuas aus handfesten Gründen für die eine oder andere Konfession entscheiden, spricht für ihr pragmatisches Denken. Wobei ein bisschen Zauber die Wahl durchaus beeinflussen darf. Denn auch die verarmte katholische Gemeinde hat starke Trümpfe in der Hand. Der schönen Nonne aus Argentinien würde man(n) einfach alles glauben.
Touristen als Hauptattraktion
Die grosse Attraktion im Dorf sind aber für einmal die Touristen. Alle möchten ein Bild von uns haben. Natürlich besitzen einige Dorfbewohner schon Smartphones. Internet gibt es hier allerdings nicht. Als die Bevölkerung hört, dass wir von Yap Island kommen, möchte sie wissen, wie die Menschen dort aussehen. Yap gehört zu den Karolinen in Mikronesien und liegt rund 1000 Kilometer von der Nordküste Papua-Neuguineas entfernt. Mit einfachen Segelkanus ist die Insel auf dem Seeweg nur sehr schwer zu erreichen. Im Gegensatz zur Bevölkerung auf Yap Island zählen die Papuas zur Volksgruppe der Melanesier. Sie gleichen eher den Aborigines in Australien als den Inselvölkern Mikro- und Polynesiens. 700 bis 1000 verschiedene Volksgruppen, alle mit eigenen Sprachen, gibt es in Papua-Neuguinea. Ein Viertel der weltweit benutzten Sprachen werden hier gesprochen. Sogar Deutsch, Italienisch und Englisch werden dank der zahlreichen Missionsstationen bis in die entlegensten Täler verbreitet.
Auf Schlauchbooten fahren wir am nächsten Tag durch dichte Mangrovenwälder, vorbei an majestätisch dahinschwebenden Mantarochen zu den Murik-Seen, die sich ebenfalls an der Nordküste Papua-Neuguineas befinden. Wieder werden wir von den Bewohnern der umliegenden Dorfschaften mit Musik und Tanz empfangen: Prächtige Kostüme, mitreissende Rhythmen, Exotik pur. Wir können uns kaum sattsehen. Gerne hätten wir länger mitgetanzt, doch die Silver Discoverer bringt uns schon zum nächsten Höhepunkt.
Der Sepik River und die Avantgarde der europäischen Kunstszene
Der sagenhafte 1200 Kilometer lange Sepik, oder der Kaiserin-Augusta-Fluss, wie er auch genannt wird, zählt zu den grössten Flusssystemen der Welt. Sümpfe, tropischer Regenwald und schroffe Berge bilden die natürliche Umgebung des reichsten Frischwasserreservoirs des asiatisch-pazifischen Raums. Das Gewässer mündet im Norden Papua-Neuguineas in die Bismarcksee. Von den Papuas wird der Flusslauf bereits seit mehreren tausend Jahren bevölkert. Krieg und Clan-Fehden waren bis ins 19. Jahrhundert Ursache für die am Sepik weit verbreitete Kopfjagd. Nur wer einen Schädel als Kriegstrophäe mit nach Hause brachte und im Männerhaus ausstellte, galt als gestandener Krieger. Europäer entdeckten und erforschten den Strom ab 1885. Die Masken, Trommeln und Schnitzereien, die nach den ersten Expeditionen nach Europa gelangten, waren eine Sensation. Die Begeisterung bei der Kunstavantgarde, angefangen bei Henri Matisse oder Emil Nolde bis zu den Surrealisten, schien grenzenlos zu sein. Für uns Grund genug, die Spuren deutscher Forscher auf dem Sepik weiterzuverfolgen. Und tatsächlich: Die Silver Discoverer wagt sich auf den Flusslauf. Zwei Zodiacs weisen ihr den Weg. Nicht harmlos. Eine Untiefe reicht und das Schiff würde auf Grund laufen. Christian Walter, Historiker und Lektor auf dem Schiff, weiss, was dies bedeutet. Am Sonntag, den 30. April 2000, war er dabei, als das Expeditionsschiff World Discoverer in der Sandfly-Passage der Salomonen auf ein unbekanntes Riff lief. Kapitän Oliver Kruess musste das Schiff in eine Bucht manövrieren, um ein Versinken zu verhindern. Noch immer liegt das Wrack in der Roderick Bay.
Die Silver Discoverer
Natürlich gehen die Gäste der Silver Discoverer nicht an Land, ohne vorher mit ausgezeichneten Vorträgen von Historikern, Biologen und Anthropologen vorbereitet zu werden. Neben der hohen Qualität der Lektoren ist auch der Komfort an Bord des Expeditionsschiffes augenfällig. Im Gegensatz zu den schwimmenden Wolkenkratzern, die wenig Platz für viele Passagiere bieten, offeriert die «Silver Discoverer» viel Raum für wenige Gäste. Mit einer Kapazität von maximal 120 Passagieren ist sie verhältnismässig klein. Der geringe Tiefgang des Expeditionsschiffes ermöglicht es, näher an der Küste zu navigieren und mit einer Flotte von zwölf Zodiac-Schlauchbooten auch an abgelegenen Stränden an Land zu gehen und versteckte Ökosysteme zu entdecken. Alle Schiffe von Silversea Cruises sind Mitglied von Relais & Châteaux. Die Küche ist ausgezeichnet, die Auswahl an inbegriffenen Weinen hervorragend, der Service perfekt. Und dank der internationalen Durchmischung der Gäste ist die Stimmung an Bord sehr entspannt.
Text und Bild Markus Weber (Gruppenbild Richard Sidey)