Gerichte aus Indien und Sri Lanka prägen die Küche von Mauritius. Aber auch arabische Seefahrer, chinesische Gewürzhändler und vier Kolonialmächte haben ihre Spuren hinterlassen.
Er freut sich wie ein kleines Kind über die würzigen Kräuter, die knackigen Salate und die süssen Früchte, die in seinem Garten gedeihen. Und er hat auch allen Grund, denn die Palette ist beeindruckend: von Kaffeeminze und Galangal über Kopfsalat bis hin zu sechzig Mangobäumen, hochgewachsenen Bananenstauden und einem Himbeerstrauch aus seiner Heimat, dem Berchtesgadener Wald. Die Rede ist von Willibald Reinbacher, der seit 2010 im Nira Shanti Maurice die Küchenbrigade leitet und das kulinarische Konzept des Fünf-Sterne-Hauses im Süden von Mauritius massgeblich mitgeprägt hat.
«Auf Mauritius findet man die verschiedensten Kulturen in einem Gericht vereint», meint der 43-jährige Österreicher, den die Liebe nach Mauritius geführt hat. «Die mauritische Küche lässt mir grossen Spielraum und kommt bei den Gästen aus aller Welt gut an.» Sie widerspiegelt die Vielfalt der Bevölkerung, die sich seit der Entdeckung der Insel durch die Portugiesen im Jahre 1505 und der darauffolgenden holländischen, französischen und englischen Kolonialherren zu einem bunten Gemisch entwickelt hat. Zwei Drittel der Inselbewohner sind aber indischer Abstammung, was auch die Menükarte des Nira Shanti Maurice beeinflusst: Wattalapam ist hier zwar keine srilankische Nachspeise, sondern ein Brunch, und das indische Vindail Curry wird in der kreolisch abgeänderten Variante gerne mit Fisch oder Oktopus serviert. «Beim Einsatz der Gewürze nehmen wir natürlich auf unsere Gäste Rücksicht», sagt Willibald Reinbacher auf die Frage nach der Schärfe seiner Gerichte. Dies danken ihm vor allem die europäischen Familien, die sich im Resort genauso wohlfühlen wie Honeymooner aus China oder arabische Paare, die der Sommerhitze in ihrer Heimat entfliehen und die angenehmen Temperaturen der südlichen Hemisphäre geniessen.
«Gutes Essen hat mit Geschmack zu tun und nicht mit Schnickschnack», erklärt uns Willibald Reinbacher bei der Präsentation seines vor Kurzem erschienenen Kochbuches «Aquacasia», dessen Name sich aus Aqua für Wasser (in der Lagune des Nira Shanti in türkisblauer Schönheit allgegenwärtig) und Casia (abgeleitet von Cassia, der Gewürzrinde) zusammensetzt. Man spürt den Stolz über das Buch, das uns Willibald Reinbacher gerne persönlich signiert. Und er hat auch nicht zu viel versprochen: fantastische Bilder erzählen von der Schönheit der Insel und die präsentierten Gerichte machen Lust, gleich selbst hinter den Herd zu stehen. Vorerst überlassen wir dies aber Willibald, der uns mit seinen Ideen jeden Tag aufs Neue überrascht. Sei es im Signature-Restaurant Stars oder in der Kaze Mama, wo er die Hotelgäste zusammen mit der Grossmutter einer Mitarbeiterin bekocht. Oder im Fish Shack am Strand sowie in seinem aktuellen Lieblingskind, dem Rum Shed: Aus 180 Rumvariationen werden in der originellen, einer Hafenkneipe nachempfundenen Bar feine Cocktails gemixt und zum Apéro auf der Terrasse oder als Schlummertrunk am Feuer serviert. Dazwischen sorgen Willibald und seine Küchenmannschaft in einer Barackenküche für einen vollen Magen und einheimische Musiker und Tänzerinnen mit einer traditionellen Sega-Show für farbenfrohe Unterhaltung.
Harmonie der Religionen
Obwohl Mauritius bis zur Unabhängigkeit 1968 während gut 150 Jahren eine englische Kolonie war, ist der französische Einfluss nebst dem indischen am stärksten zu spüren, was uns auch die Ortsbezeichnungen auf unseren Ausflügen beweisen: Mit Priya vom Front Office Team besuchen wir den lokalen Markt in Le Chemin-Grenier sowie die Rhumerie de Chamarel. Ganz in der Nähe stürzt die Rivière de Cap als tosende «cascade» in die Tiefe und wir lassen das Naturphänomen der «Terres des Sept Couleurs» auf uns wirken.
Wenig später tauchen wir in eine völlig andere Welt ein: Wir besichtigen die Hindu-Stätte am Ganga Talao. Kein Mensch könne durch diesen heiligen See schwimmen, erklärt uns Priya, und man wisse nicht, wie tief er sei. Uns scheint die Distanz zur kleinen Insel durchaus machbar und wir hätten Lust, es zu versuchen. Aber wir wollen den Frieden der indischen Familien nicht stören, die am Uferrand die Götter anbeten und ihnen Blumen, Früchte und sonstige Esswaren als Opfer darbieten. Vielleicht ist es aber auch der Gedanke an die bestimmt wohlgenährten Fische und sonstigen Ungeheuer im See, die uns davon abhalten. Jedenfalls sind wir beeindruckt von der Selbstverständlichkeit, mit der hier die verschiedenen Religionen gelebt werden. So einfach könnte das Miteinander sein, das uns auf Mauritius überall begegnet: in den verschiedenen religiösen Stätten und Statuen am Strassenrand, in den unterschiedlichen Kleiderstilen auf dem Markt und in den Gerichten, die oft fremd klingen und doch vertraut schmecken.
Von Corinna Isler Baetschi