Als Karibik für Arme geschmäht, setzt die Dominikanische Republik jetzt auf eine zahlungskräftige Klientel. Vor allem an der Nordküste erfindet sich die für All-inclusive bekannte Destination neu.
Man kennt die Szene aus alten Filmen: James zieht die Augenbraue hoch oder schaut für eine Zehntelsekunde gespielt streng, wenn er mit dem Gebaren seiner Lordschaft nicht einverstanden ist. Mehr nicht. Die karibische Variante von James heisst Angelo. Er hat seinen Gast auf einem der Poolbetten am VIP-Becken entdeckt. Weiss gekleidet, eilt er herüber. Tadellos im Benehmen, einen leisen Anflug von Verzweiflung in der Miene: «Ich habe angerufen.» Er ist für des Gastes Ferienglück verantwortlich und dafür zuständig, dass es ihm an nichts fehlt. Aber wie soll er das leisten, wenn sein Schützling das Telefon nicht abnimmt?
Als einer von 25 lizenzierten Butlern im Luxusresort Paradisus Palma Real zeigt Angelo seinem Royal-Service-Gast jeden Lichtschalter, packt die Koffer aus und später wieder ein, poliert Schuhe, reserviert Tische und läuft nach dem Buch, das man auf dem Zimmer vergessen hat. Gleich beim Einchecken wird einem für den direkten Draht zum persönlichen Butler ein Handy in die Hand gedrückt. Einzige gespeicherte Nummer: Angelo.
Luxus ist gefragt in der als DomRep bekannten und «Karibik für Arme» gescholtenen Destination, die einst für billige, sonnensichere Ferien geliebt wurde. In der Region Punta Cana, wo heute weit über die Hälfte der Gäste unterkommt, wird inzwischen kaum ein grosses Hotel mehr eröffnet, das weniger als fünf Sterne bietet. Nicht nur im Paradisus Palma Real, auch in anderen Allinclusive-Resorts gibt es Butler, VIP-Services, À-la-carte-Restaurants und Suiten mit Whirlpool. Oft als Upgrade innerhalb der Anlage, mit getrenntem Pool und Strandbereich sowie exklusiveren Zimmern. Dafür bezahlen die Gäste gern einen Aufpreis von bis zu dreissig Prozent. Der beliebteste Ausflug bei den Besuchern des Paradisus Palma Real ist demnach auch nicht «Schnorcheln mit Haien» oder Ähnliches, was man als Klassiker aus der Karibik kennt, sondern ein halber Tag im Ocean Spa, das Wohlbefinden und einen Anwendungsmarathon während einer Bootstour verspricht: von Knabberfischpediküre über Massagen, Foot-Detox, Biopilates bis zum meditativen Auf-Matten-im-Meer-Treiben.
Ein starker Förderer
«Der Standard ist nicht das Problem», sagt Frank Rainieri auf der Terrasse seines eleganten Golfclubs, den der Modemacher Oscar de la Renta designte. Weisse Gebäude mit Marmorböden und Säulen. Der Blick schweift über Pools, Palmen, Strand und Meer. Gerade brummt ein Flugzeug über die Karibikszene. Den grossen Tourismusmacher stört das nicht. Dieses Geräusch ist ein gutes, es begleitet den Unternehmer schon seit Jahrzehnten: Wieder eine Ladung Feriengäste. Seine Feriengäste. Selbst wenn in diesem Flugzeug kein Besucher seiner Häuser sitzen sollte, zu denen mit dem Tortuga Bay eines der berühmtesten Boutiquehotels der Insel gehört. Die Passagiere im Landeanflug sind schon deshalb seine Kunden, weil er den internationalen Flughafen Punta Cana besitzt. Er hat ihn Mitte der Achtziger auf seinem Grund erbaut, sich überhaupt den Namen Punta Cana ausgedacht, den man heute für die ganze Gegend nutzt.
Die DomRep als Billigreiseziel ist aber nicht das Thema des über 70-Jährigen. Qualität und Stil waren für Rainieri schon immer essenziell. «Aber natürlich ein San Pellegrino», sagt er gespielt dramatisch und mit rollendem R zum Kellner. «Ich bin Italiener!» Der weisse Dominikaner hat sich sein Leben lang leidenschaftlich für den Erfolg der Destination engagiert. Gerade baut er ein paar Kilometer weiter eine riesige Mall, rechnet mit Marken wie Louis Vuitton und Cartier und sieht dort gut betuchte Gäste gepflegt shoppen.
Santo Domingo in neuem Glanz
Solche Reisenden sähe man auch gern in der Hauptstadt Santo Domingo. Immerhin die älteste Stadt der neuen Welt, mit der ältesten Kathedrale Amerikas und einer kolonialen Altstadt, die unter Unesco-Schutz steht. Doch kaum einer fährt hin. Nur wenige Badegäste von Punta Cana und La Romana machen sich für einen Tagesausflug auf den Weg. Dabei dauert der Transport dank einer im Januar 2015 eröffneten Autobahn nur noch zwei statt vier Stunden. Grösster Magnet soll die Ciudad Colonial werden, wo man fünfhundert Fassaden restauriert und die Strässchen fussgängerfreundlich gemacht hat. Parkende Autos wurden verbannt. Dieses staatlich verordnete Upgrade gefällt privaten Investoren. Während die Regierung in den letzten Jahren rund 25 Millionen US-Dollar in die Sanierung der Altstadt gesteckt hat, machte der private Sektor gleich 100 Millionen locker. In historischen Gebäuden eröffnen luxuriöse und urbane Boutiquehotels, schicke Restaurants und Galerien. Immerhin hat man auf der Insel hohe Ziele: In spätestens zehn Jahren soll ein Tourist pro Einwohner in der Dominikanischen Republik Ferien machen. Das wären zehn Millionen, rund doppelt so viele wie im Moment. Dafür muss man schon einiges in Bewegung setzen. «Wir haben uns 40 Jahre lang nur auf Strand und Sonne konzentriert», so Maribel Villalona, die für die Ciudad Colonial zuständige Architektin. «Jetzt wollen wir mehr anbieten.»
Trendstadt der Zukunft?
Drei Stunden Fahrt und viele Kurven später in Sosúa an der Nordküste: Ein Schiebetor und zwei bewaffnete Sicherheitsleute trennen französische Viennoiserie von Pica Pollo (fritierte Hühnchenstücke), Penthouses von billigen Pensionen, 700-Dollar-Weine von 60-Peso-Cuba Libres und Millionärsgattinnen von leichten Mädchen. Vor Kurzem hat das für seine Trendfühligkeit bekannte Gansevoort Hotel, das sich früh in den hippen New Yorker Meetpacking District wagte, in Sosúa ein Haus eröffnet, in dem es nur Suiten gibt. Das Konzept: Die Apartments werden als Investment verkauft, dann in der ungenutzten Zeit im Hotelrahmen vermietet, ab rund 800 US-Dollar die Nacht, mit Frühstück. Der Begriff und das Klischee von All-inclusive ist hier sehr weit weg. Es ist die Welt der Infinitypools mit Daybeds, Meerblick-Panoramafenstern, Rooftop-Jacuzzis, Dinners im Wein und Zigarrenkeller, In-Room-Masseuren und Privatköchen. Natürlich haben alle angebotenen Ausflüge im Hotel VIP-Status, keiner der exklusiven Gäste möchte sich einen Katamaran mit siebzig anderen Passagieren teilen.
Dass das Hotel Gansevoort Playa Imbert heisst und nicht Gansevoort Sosúa, muss allerdings eine bewusste und vorsichtige Entscheidung gewesen sein. Denn der Name des Badeorts hat schon seit Jahren keinen guten Ruf mehr. Billige Bars und Prostitution haben sich ausgebreitet. «Wir wollen das ändern», sagt der Hotelmanager Jorge Martinez, der in Sosúa geboren ist und in der Welt Karriere machte, bevor er für die Stelle zurückkam. «Die Gegend soll wieder ruhiger und exklusiver werden.»
Puerto Plata setzt auf neue Gäste
Zwar konnte die Dominikanische Republik als Land über die Jahre beständig mehr Touristen anziehen. Das gilt allerdings nicht für die Nordküste um Puerto Plata, die seit Mitte der Neunziger Jahre die Hälfte aller Gäste verloren hat. Dabei lag hier der meistfrequentierte Flughafen. Hier nahm die Destination DomRep ihren Anfang. Und zwar gepaart mit dem damals weltweit neuen All-inclusive-Konzept. Es war auch hier, wo man die meisten Fehler machte. Wo ein Preiskrieg tobte, sich die Special Offers jagten. Wo die Hoteliers versäumten, Geld in die Sanierung ihrer Anlagen zu stecken. Die Besucherzahlen brachen ein.
Im Schatten des ursprünglich boomenden Puerto Plata hatten sich zudem andere Gegenden gemausert: Samaná und eben Punta Cana. Sie hatten vom Niedergang der Nordküste gelernt, versuchten, nicht dieselben Fehler zu machen. Und die Regierung unterstützte die neuen Aufsteiger kräftig, lockte Investoren durch Steuererleichterungen. Puerto Plata verwaiste, man überliess es seinem Schicksal. Viele Hotels mussten schliessen, manche wurden in Apartments unterteilt und verkauft. Hotel-PR-Frauen arbeiteten zeitgleich als Maklerinnen. Seit Kurzem steigt die Zahl der Touristen allerdings wieder. Man hat versucht, sich neu zu erfinden, zielt auf sportlichere, aktivere und auch exklusivere Gäste. Luxushotels öffnen ihre Türen.
Die Vorzüge von Kitesurfern
VIP-Party am Strand von Cabarete, vierzig Kilometer östlich von Puerto Plata: Man kennt den Ort, der sich nie nur auf All-inclusive verlassen hat, fürs Surfen und Kiten. Knapp hundert junge Leute stehen lässig zusammen oder loungen auf Beachmöbeln. Das Silicon Valley ist für ein paar Tage in der Dominikanischen Republik zu Gast. Darunter Spieleentwickler, Tech-Entrepreneurs, Start-up-Gründer, die Ideengeber unserer Zukunft. Der Grund, warum die jungen Erfolgreichen hier sind, ist Susi Mai. Ihre Eltern sind wie in den Achtzigern viele Deutsche in die Dominikanische Republik ausgewandert. Sie wurde ein Kitesurf-Pro und brachte auch Freunden des Venture-Capitalist Bill Tai aus dem Silicon Valley den Sport bei. Daraus entwickelten beide die MaiTai-Global-Events. Eine Mischung aus netzwerken, sportlich sein, abschalten. Mit darf nur, wer eingeladen wird. An die exklusivsten Orte der Welt: Hawaii, die Hamptons, Necker Island. Und seit fünf Jahren in die Dominikanische Republik. «Karibik für Arme»? Diese Gäste wissen vermutlich nicht einmal, dass es den Stempel je gegeben hat.
Am nächsten Morgen am Surferstrand Playa Encuentro, wo noch der Hängematten-Style dominiert. Wer gestern nicht zu lange gefeiert hat, versucht heute ein paar frühe Wellen zu nehmen. Eine der holzgezimmerten Surfschulen unter Palmen gehört Marcus Böhm, einem Deutschen, der vor fast 25 Jahren hierher gezogen ist. Braungebrannt, sonnengebleichte Haare. Man sieht, dass er viel Zeit auf dem Wasser verbringt. Als er damals ankam, «war die Zeit des billigen All-inclusive». Seither habe sich viel verändert. Hin zu mehr Qualität. Für Cabarete brachten die Surfer den Spirit, die Kiter vor rund zwölf Jahren das Geld. «Kiten ist schliesslich das neue Golfen», meint der 46Jährige. Seither wurde immens viel gebaut. «Zu achtzig Prozent von Wassersportlern.» Tatsächlich war Cabarete der einzige Ort der Nordküste, an dem auch während der Touristenkrise neue Immobilienprojekte entstanden.
Genau dieses erfolgreiche Modell, bei dem sich Touristen mit Einheimischen mischen, das Wasser als verbindendes Element zählt, man im Ort zum Abendessen geht und sich auf einen Drink in den Strandbars trifft, würden die Tourismusverantwortlichen gern auf die ganze Küste übertragen. Ob mit oder ohne Luxus.
Von Anja Martin, Bilder: Tourist Board Dominikanische Republik