Vor dreissig Jahren machte der Film «Jenseits von Afrika» Kenia zu einem Sehnsuchtsziel. Noch heute zehrt der Tourismus von der Vermarktung der Filmkulissen. Eine Safari zu den Drehorten.
Als der Heissluftballon langsam über die Akazienkronen aufsteigt, ist Kenia ganz so wie im Film. Die afrikanische Sonne bricht durch ein dunkles Wolkenband. Ein weiches Morgenlicht flutet die Masai Mara. Topi-Antilopen und Kaffernbüffel sprenkeln die Grasebene am Fuss der Oloololo-Berge. Eine Hyäne duckt sich ins Dickicht. In einer der bekanntesten Filmszenen der 1980er-Jahre hebt der Grosswildjäger Denys Finch Hatton mit seiner Geliebten Karen Blixen im gelben Propellerflugzeug über die Tierherden der Masai Mara ab. Am Nakurusee tauchen sie mit ihrem «Gipsy Moth»-Doppeldecker in einen aufgeschreckten Schwarm Flamingos ein, gleiten über die Wasserfälle der Aberdare-Berge und verschwinden schliesslich in den Wolken am Mount Kenya.
«Es waren auch diese Bilder, die mich nach Kenia brachten», sagt der englische Ballonführer Christian Wordsworth. «Ich habe den Film als Kind gesehen und liebe ihn seither.» Wie schon vor fast hundert Jahren sein Landsmann Finch Hatton, machte Wordsworth den Himmel über der Savanne Afrikas zu seiner neuen Heimat, nachdem er zuvor vor allem in Grossbritannien und den USA geflogen war. «Es gibt einfach keinen schöneren Ort für Ballonfahrten als über der Masai Mara», sagt er. Das Antriebsfeuer des Gasbrenners faucht. Dann schwebt Wordsworths gelber Riesenball wieder lautlos über die erwachende Wildnis dahin.
Vor 30 Jahren kam Sydney Pollacks Hollywood-Film «Jenseits von Afrika» mit Meryl Streep und Robert Redford in den Hauptrollen in die Kinos. Das mit sieben Oscars ausgezeichnete Melodrama um die Liebe der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen zum englischen Buschpiloten Denys Finch Hatton wurde zu einem weltweiten Publikumserfolg. Filmnostalgiker und Flitterwöchner reisten seither zu den Drehorten in die Masai Mara, ins Shaba-Schutzgebiet und nach Karen, einem nach Blixen benannten Vorort Nairobis. Einst gehörten Kenias Nationalparks zu den meistbesuchten Touristenmagneten Afrikas. In den letzten Jahren brach die Zahl ausländischer Besucher aber dramatisch ein. Seit dem Überfall auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi im Jahr 2013 kam Kenia nicht mehr zur Ruhe. Der Angriff von Islamisten auf das Garissa University College im April 2015 löste weltweites Entsetzen aus. Die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr sind enorm. «Terroranschläge hat es in der Masai Mara nie gegeben», sagt Christian Wordsworth. Aber die Buchungen gingen dennoch um etwa die Hälfte zurück.
Ohne Tourismus keine Reservate
«Trotz allem, Kenia ist und bleibt der Inbegriff vom romantischen Safari-Ziel», sagt Joss Kent. Der Sohn von Geoffrey Kent, Fotosafari-Pionier und Gründer von Abercrombie & Kent, einem Veranstalter von weltweiten Luxusreisen, wurde in Nairobi geboren und wuchs in Karen auf. Vor vier Jahren übernahm er die Geschäftsführung von andBeyond, heute einem der grössten Konkurrenten von Abercrombie & Kent. «Die Drehorte von ‹Jenseits von Afrika› in der Masai Mara waren als Kind mein Spielplatz», sagt der 46-Jährige. «Nur unweit von der Schlussszene in den Oloololo-Bergen liegt das Grab meiner Grosseltern. Sie hatten dort eine Farm.»
«‹Jenseits von Afrika› hat dem Safari-Tourismus enormen Aufwind gegeben», sagt Kent. «Die starke Romantisierung im Film prägt das Bild von Kenia bis heute.» Als 16-Jähriger erlebte er die Dreharbeiten in Karen selbst. «Wir wohnten nicht weit vom Haus, in dem Meryl Streep untergebracht war. Natürlich versuchte ich, einen Blick von ihr zu erhaschen. Es war alles unglaublich aufregend.» Die Touristen liessen nach der Filmpremiere und Oscar-Prämierung nicht lange auf sich warten. Der Höhenflug der «Out of Africa»-Luxussafaris wurde erst durch den Ersten Golfkrieg unterbrochen. «Der Kenia-Tourismus durchlief viele Höhen und Tiefen», sagt Kent. «Aber so schlimm wie im Moment war es noch nie.» Für die Situation macht er die Berichterstattung über die Ebola-Epidemie in Westafrika und vor allem die islamistischen Anschläge verantwortlich. Viele Afrika-Reisende seien verunsichert und wichen nach Botswana, Namibia, Südafrika und Tansania aus. «Es ist eine Tragödie», sagt Kent. «Die Einnahmen aus dem Tourismus sind nicht nur wesentlich, um den Schutz der Wildtiere zu gewährleisten, sie sind auch Lebensgrundlage für die Einheimischen, die um die Reservate leben.» Der Druck einer stark wachsenden Bevölkerung sorgt schon seit Jahrzehnten für zunehmende Konflikte zwischen Bauern, Viehhirten und Naturschützern. Bleiben die Touristen weg, bricht die Grundlage zum Erhalt der Reservate zusammen.
Eine Baronin als Vorbild
«Auch wir spüren natürlich die Krise infolge der Terroranschläge», sagt Rhoda Lange. Die Kenianerin ist Bildungsbeauftragte am Karen Blixen Museum. Das ehemalige Farmhaus der dänischen Schriftstellerin wurde bereits 1986 als Erinnerungsort ausgebaut und weitgehend in den ursprünglichen Zustand versetzt. Blixen lebte hier von 1917 bis zu ihrer Rückkehr nach Dänemark 1931. «Für mich ist sie ein grosses Vorbild», sagt Rhoda Lange. «Die Art, wie sie sich für die Einheimischen einsetzte, war ganz anders als der Umgang vieler anderer Weisser mit ihnen. Sie verstand sich selbst als Kenianerin und setzte sich für den Erhalt der Natur und der Kultur ein.»
An das ehemalige Farmland der Baronin grenzt heute Kibera, der grösste Slum Ostafrikas. Ein Meer an Wellblechdächern hat sich zwischen dem reichen Vorort Karen und den Hochhäusern Nairobis ausgebreitet. Vom Karen Blixen Museum führt eine Erdpiste durch einen staubigen Township hinauf in die Ngong-Berge, wo Blixen Finch Hatton begraben liess. Hier hatten sie dem nächtlichen Brüllen der Löwen gelauscht. Heute herrscht Strassenchaos mit hupenden Bussen vor Bretterbaracken, in denen fliegende Händler Kleidung, Gemüse und Plastikspielzeug verkaufen.
Der Ruf der Hyänen
In der Masai Mara bricht am frühen Morgen Albert Leboo von der vornehmen Bateleur-Lodge zu einer Pirschfahrt auf. Ein Spitzmaulnashorn sieht zu, wie der Geländewagen des Massai-Guides sich mühsam den vom nächtlichen Regen ausgewaschenen Weg hinauf in die Oloololo-Berge bahnt. Oben grasen auf einer Anhöhe Zebras und Impalas. Auf dem originalen Filmposter sitzen Meryl Streep und Robert Redford genau hier im wogenden Savannengras. «Ich finde den Film an sich ja eher langweilig», sagt Leboo. «Was ich mag, sind vor allem die schönen Naturaufnahmen.»
Am Abend entdeckt Leboo ein Rudel Löwen am Fuss der Oloololo-Berge. Sie haben einen Kaffernbüffel umzingelt und verletzt. Der Bulle bricht erschöpft zusammen. Sein Brüllen ruft die verstreute Herde aus den Weiten der Savanne. Die wütenden Büffel vertreiben die Löwen. Aufopferungsvoll versuchen sie, das verletzte Tier aufzurichten. Die Dunkelheit und ein einsetzender Regenschauer drängen Leboo zur Rückkehr in die Lodge. Am frühen Morgen bricht er erneut auf, um den sterbenden Bullen zu suchen. Nur wenige Kilometer von hier, in der Serengeti, jenseits der Grenze zu Tansania, stauen sich bereits die Safariwagen um die Löwenrudel im ersten Sonnenlicht. Über der Masai Mara aber liegt eine unheimliche Stille. «Hörst du nicht die Hyänen?», fragt Leboo. In einem Bachbett findet er schliesslich den Kadaver des Kaffernbüffels. Über Nacht haben die Hyänen das Tier bis auf das Gerippe verschlungen.
Von Winfried Schumacher
DER TIPP DES SPEZIALISTEN | |
Baronin Blixen und Denys Finch Hatton verbrachten ihre glücklichste Zeit auf der Jagd in der weiten Steppe des heutigen Masai-Mara- Reservates. Ihre Zelte schlugen sie in einem der tierreichsten Gebiete auf, dort wo seit vielen Jahren das jetzige Governors Camp steht. Es besteht aus einem Main Camp mit komfortablen Zelten auf einer Halbinsel entlang des Mara-Flusses oder alternativ mit Blick auf die weite Steppe der Masai Mara sowie dem Little Governors Camp. Letzteres liegt auf der anderen Seite des Flusses mit Blick auf die Hügelkette, die das Reservat begrenzt. Dort oben liegt im Film das Grab | von Denys Finch Hatton, auf dem sich regelmässig Löwen niederlassen, um in der Weite der Mara nach Beute Ausschau zu halten. Für mich gibt es keinen Ort, wo man sich leichter mit dem «Safarivirus» ansteckt als im ursprünglichen Governors Camp mit der perfekten Mischung aus Authentizität und Komfort. Weitere Informationen: Let’s go Tours Tel. 052 624 10 77 www.letsgo.ch Tipp von Kurt Zürcher, Geschäftsführer Let's go Tours |