Das Hotel Metropol im Herzen Moskaus hat den letzten Zaren, Lenin und seine Bolschewiki sowie hundert russische Winter überlebt. Und es wird auch weiterhin bestehen – in Würde und zeitloser Eleganz.
Moskau in meiner Erinnerung war grau und angsteinflössend, voller bleicher, schlecht gekleideter Menschen mit resignierten Gesichtern, die am Strassenrand für ein Vanilleeis anstanden, das der mürrische Verkäufer auf seinem wackligen Tischchen von einem grossen Block abschnitt und in Zeitungspapier einwickelte. Die staubigen Auslagen waren dazu da, mögliche Kunden abzuschrecken, wobei es auch drinnen ausser Eingelegtem und Eingemachtem meist nichts zu kaufen gab. Die altbackenen Restaurants waren überheizt und das Personal ausgesprochen abweisend.
Heute ist zwar die Luft in der Riesenstadt nicht besser als vor zwanzig Jahren, denn die klapprigen Ladas und die keuchenden Lastwagen sind von einer Flut schwarzer SUV aller ausländischen Marken verdrängt worden, die permanent die acht- bis sechzehnspurigen Boulevards und Ringstrassen der Zwölf-Millionen-Metropole verstopfen. Aber die Stimmung hat eindeutig gekehrt: In den Läden und Restaurants fühlt man sich willkommen, die Auswahl ist vielfältig und verlockend, und auch die griesgrämigen Gesichter sind aus dem Strassenbild verschwunden. An allen Ecken wird gebaut, verschönert und begrünt.
Aus städtebaulicher Sicht ist das aber nicht immer nur ein Segen. So solle es immer wieder vorkommen, dass für prestigeträchtige Immobilienprojekte trotz lauten Protesten alte, schützenswerte Gebäude abgerissen werden. Und davon hat Moskau leider weiss Gott nicht mehr viele. Von der über 200 Jahre alten Bausubstanz sind ausser dem Kreml und einigen Adelssitzen nur die Kirchen und Klöster übrig geblieben, die aus Stein errichtet worden waren. Die ganzen restlichen Gebäude waren aus Holz gebaut und haben die zahlreichen Feuersbrünste und das harsche Klima nicht überlebt. Nur noch hie und da ist in der Moskauer Innenstadt etwas Klassizismus, Barock, Jugendstil und Art Deco auszumachen.
Der wohl aussergewöhnlichste und grösste Jugendstil-Komplex ist das Hotel Metropol. Einen Steinwurf vom Kreml und direkt neben dem imposanten Bolschoi-Theater gelegen, erinnert es mit seiner verspielten, welligen Fassade mit Friesen, Kacheln und Erkern, der riesigen Glaskuppel und den unregelmässigen flamboyanten Türmchen an eine Zeit, als sich Künstler und Bauherren so richtig austoben konnten. Der im Eisenbahnbau reich gewordene Unternehmer Savva Mamontov lud die besten und experimentierfreudigsten damaligen Architekten und Künstler ein, dem Grossprojekt, das eigentlich ein Opernhaus hätte sein sollen, ihren Stempel aufzudrücken. Entstanden ist ein von aussen fein ziselierter Bau mit einem labyrinthischen Innenleben aus eleganten grossen Sälen, lichten Atrien und verwinkelten Korridoren, voller Bilder, Skulpturen und bunten Glasfronten mit floralen Motiven. Der Stein gewordene Zeuge einer glücklichen, euphorischen Periode hat die chaotischen Umbrüche der jüngeren russischen Geschichte wie durch ein Wunder überlebt.
Heute steht das Metropol unter der Leitung des erfahrenen schweizerischen Direktors Dominique Godat, der mit viel Fingerspitzengefühl und einem überaus motivierten jungen Team eine Stimmung und ein Qualitätsbewusstsein herbeigezaubert hat, die sich mit den besten Häusern Europas messen können. Und was andernorts eine absolute Exklusivität ist, gehört hier zum täglichen Programm: Kaviar und Harfenmusik zum Frühstück, Kamtschatka-Krebs und Färöer-Lachs mit Champagnermousse zum Mittagessen und zum Dinner vor dem Sanddorn-Sorbet Jakobsmuscheln aus Sachalin mit einer Auswahl hervorragender russischer Weine.
Von Lucie Paska