Aufregend, elegant und eigenwillig: Wer den grossen Auftritt auf der Strasse liebt, ist mit dem neuen Range Rover Velar perfekt gekleidet.
Bühne frei, Vorhang auf, hier komme ich! Falsche Bescheidenheit zählt wahrlich nicht zu den ersten Tugenden des Range Rover Velar. Dazu ist sein Auftritt zu spektakulär, zu aufregend. Der Velar lässt niemanden kalt. Während Fans der englischen Kultmarke dem jüngsten Kind des Chefdesigners Gerry McGovern begeistert zujubeln, fühlen sich bekennende SUV-Gegner in ihrer grundsätzlichen Kritik gegenüber «Hausfrauenpanzern auf der Strasse» bestätigt. Dabei ist der Range Rover Velar in seiner Alu-Leichtbauweise alles andere als ein protziges Schwergewicht. Im Gegenteil. Wie der Jaguar F-Pace setzt er auf die Leichtigkeit des Seins, respektive auf die Leichtigkeit der Bauweise. Seine «inneren Werte» scheinen Offroad-Gegner aber nicht zu interessieren. Diese ereifern sich lieber am «Waschbrettbauch», dem muskulösen, durchwegs männlichen Auftritt des Velars. Eines muss man Gerry McCovern indes lassen: Immer wenn die Gilde der internationalen Autojournalisten zur Einsicht gelangt, der Geländewagen sei nun erfunden und alle möglichen Designs im Markt lanciert, legt der englische Chefdesigner noch ein Brikett nach. Und wie. Die Formensprache beim Velar ist zwar typisch Range Rover, aber kühner, eigenwilliger und frecher als alles bisher Gesehene.
Neuer Käufermarkt im Visier
Positioniert wird der «Rookie» aus dem Hause Jaguar Land Rover zwischen Evoque und Range Rover Sport. Damit soll eine neue Käuferschicht angesprochen werden. Um es gleich vorwegzunehmen: Der Velar wird sich nicht nur mit der ihm zugedachten Nische begnügen, er wird auch dem Jaguar F-Pace einen brüderlichen Wettbewerb liefern. Zumal die beiden Modelle bezüglich Chassis, Alu-Bauweise, Vierrad-Technik und Motorisierung mehr als nur eng verwandt sind. Sehr unterschiedlich präsentieren sich die beiden Beaus hingegen im Design. Und auch das Image der beiden Marken wird von den Fans der britischen Automanufaktur ganz anders gewichtet. Range oder Jag? Das ist hier die Frage. Das Bild des luxuriösen Offroaders, der durch Sumpf, Dreck und Schlamm watet und dabei unbeeindruckt Stock und Stein überwindet, ist für uns untrennbar mit der Marke Land Rover verbunden. Eins zu null für den Range also, was das Geländewagen-Image der Marke angeht. Und auch bei der Formensprache sind wir uns in der Redaktion einig: Obwohl der F-Pace praktisch alle Design- Preise abgeholt hat und der Velar das politisch unkorrektere Modell mit einem leichten Hang zur Überheblichkeit sein mag, begeistert uns der jüngste Range Rover fast noch mehr als der ebenfalls sehr gelungene Jaguar.
Breites Motorenangebot
Fünf Motoren werden gegenwärtig im Velar angeboten: Den Ingenium-Zwei-Liter-Diesel gibt es mit 180 oder 240 PS. Den Drei-Liter-Selbstzünder mit 300 PS. Und bei den Benzinern können die Kunden zwischen einem Zwei-Liter-Vierzylinder-Turbo mit 250 PS sowie dem Drei-Liter-V6-Topmodell mit einer Leistung von 380 PS wählen. Der Vierzylinder-Benzinmotor soll in Kürze auch mit 300 PS angeboten werden, sodass die Motorenpalette künftig aus sechs Motoren bestehen wird. Gefahren sind wir das Benziner-Spitzenmodell mit 380 PS. Wenn ein Offroader nach 5,7 Sekunden aus dem Stand die Marke Hundert erreicht, kann man nur ahnen, welche Kraft dieser Wagen auf die Strasse bringt. Der Motor, der auch im F-Type für einen hohen Puls sorgt, lädt gerade dazu ein, die 380 ungestümen Rennpferde galoppieren zu lassen. Das Fahrwerk ist zum Glück immer Herr der Lage, zumal es sich in Sekundenbruchteilen automatisch den Anforderungen der Physik und den Befehlen des «Physikers» am Steuer anpasst. Natürlich ist es auch im Velar nicht verboten, sich wie in einer Sänfte – kultiviert, geruhsam und stilvoll – von A nach B transportieren zu lassen.
Überzeugt hat uns auch das neue Infotainmentsystem Touch Pro Duo, das erstmalig für den Velar entwickelt wurde. Es besteht aus zwei übereinander montierten 10,2-Zoll-Touchscreens. Im oberen Bildschirm lassen sich Navigationssystem, Medien und Telefon bedienen, der untere Touchscreen ist für die Klimatisierung und das Terrain-Response-System zuständig. Beeindruckt haben uns Gestaltung und Verarbeitung des Innenraums. Augenfällig die edlen Materialien und die Liebe zum Detail: Man wähnt sich in einer gediegenen Lounge. Am liebsten möchte man hier zu Single Malt und Cigarre greifen und entspannt die Landschaft an sich vorbeiziehen lassen. Zum Glück fährt der Velar aber – trotz zahlreicher Assistenzsysteme – nicht ganz autonom. Man darf das Schmuckstück also noch immer selber bewegen. Zwar ohne Whisky. Aber das ist ja auch gut so.
Von Markus Weber
RANGE ROVER VELAR P380
– Motor: 3.0 Liter, V6, Kompressor, Benzin
– Leistung: 380 PS
– Max Drehmoment: 450 Nm
– Testverbrauch: 11 Liter
– CO2-Emmission: 214 g/km
– Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5.7 Sekunden
– Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
– Preis Testfahrzeug: CHF 115 000