Ferien in Schurkenstaaten? Kurt Zürcher, Gründer und Inhaber von Let’s Go Tours, über das Reisen in Länder wie Eritrea, Saudi Arabien und Iran.
Herr Zürcher, Sie waren kürzlich in Eritrea und haben ein neues Reiseprogramm für das afrikanische Land ausgearbeitet. Eritrea hat nicht gerade den besten Ruf. Die Regierung gilt als repressiv und mit der damit verbundenen Flüchtlingsproblematik sehen wir uns auch in der Schweiz konfrontiert. Haben Sie keine Skrupel, Reisen in Schurkenstaaten anzubieten?
Natürlich herrscht in Eritrea wie in den meisten Ländern Afrikas keine Demokratie, wie wir sie in der Schweiz kennen. Mein Besuch in Eritrea hat mir aber einmal mehr gezeigt, dass das chinesische Sprichwort «Einmal sehen ist besser als hundert Mal hören» nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Ich war erstaunt, wie freundlich und offen Besucher in Eritrea empfangen werden. Die koloniale Hauptstadt Asmara beispielsweise strahlt ein entspanntes und lebendiges Ambiente aus. Ich staunte über die ausgelassene Stimmung an den schönen Promenaden mit ihren zahlreichen Shops, Restaurants und Bars. Da wird gegessen, getrunken und gefeiert. Die Eritreer dort wirken alles andere als unglücklich. Und sie wollen Gäste empfangen.
Zeichnen Sie jetzt nicht ein etwas schönfärberisches Bild? Amnesty International berichtet nach wie vor von Menschenrechtsverletzungen und setzt sich deshalb noch immer für die Aufnahme von Eritreerinnen und Eritreern in der Schweiz ein.
Die Frage ist, wer objektiv ist. Das Staatssekretariat für Migration überprüft gegenwärtig – meiner Meinung nach zu Recht – die Situation der vorläufig aufgenommenen Eritreer. Aus meiner Sicht muss heute in Eritrea niemand mehr um sein Leben fürchten und fliehen. Die Angst vor dem Einzug in den Militärdienst war bekanntlich für viele Flüchtlinge der Hauptgrund, Eritrea zu verlassen. Mittlerweile haben sich aber Äthiopien und Eritrea versöhnt, die Grenzen sind wieder offen. Der «National Service» wurde in Eritrea übrigens eingeführt, um Jobs für junge Menschen zu schaffen und sie vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. Er umfasst also nicht nur das Militär, sondern auch andere Bereiche des öffentlichen Lebens.
Der Reisebranche wird oft nachgesagt, dass sie im Blick auf Menschenrechtsverletzungen in den angebotenen Destinationen mit einem Auge blind ist. Was sagen Sie dazu?
Der Vorwurf trifft sicher zu. Wenn die Reisebranche ihre Destinationen einem Menschenrechts-Check unterziehen würde, gäbe es wohl keine Angebote für Ägypten oder die Türkei. Wahrscheinlich sind in keinem Land so viele Journalisten ohne juristische Grundlage inhaftiert worden wie in der Türkei. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass es nicht Aufgabe der Reiseveranstalter sein kann, für jedes Land moralische oder ethische Reiseempfehlungen zu formulieren. Dies wäre sehr überheblich. Letztlich liegt es in der Eigenverantwortung jedes Reisenden, wohin er reisen will. Wichtig scheint mir aber, dass Reiseanbieter offen und ehrlich informieren.
Wo oder wann würden Sie eine rote Linie ziehen und ein Land aus Ihrem Programm nehmen? Sie bieten ja nicht nur in Afrika, sondern auch im arabischen Raum Destinationen an, in denen nicht nur eitel Sonnenschein herrscht. Saudi Arabien beispielsweise.
Saudi Arabien gibt uns ernsthaft zu denken, und wir überlegen uns in der Tat, die Destination aus unserem Programm zu nehmen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man auch aus Gründen des Naturschutzes gewisse Regionen nicht bereisen sollte. Auf den Galapagos oder auf Aldabra haben Touristen nichts verloren, finde ich.
Wieso?
Wenn man an die Krankheiten denkt, welche Menschen leicht in dieses empfindliche Ökosystem einschleppen können und damit vom Aussterben bedrohte Tiere unnötig Gefahren aussetzen, dann ist der Tourismus hier völlig fehl am Platz.
Bleiben wir noch im unruhigen Mittleren Osten: Historisch und kulturell gesehen ist der Iran hochinteressant und landschaftlich wunderschön, das perfekte Reiseland also. Nun werden die Perser aber international wieder unter Druck gesetzt. Wie schwierig ist die Organisation einer Reise nach Persien, und wie bezahlen Sie Ihre Leistungsträger vor Ort, wenn die Banken den Zahlungsverkehr in den Iran erneut unterbinden?
Der Kniefall der Schweizer Banken vor den USA ist wirklich beschämend. Schon während des ersten Iran-Boykotts durch die USA konnten wir unsere Leistungsträger nicht über Schweizer Banken bezahlen. Aber natürlich gibt es Wege und Mittel, das Problem zu lösen. Sie haben Verständnis dafür, dass ich die Details dazu an dieser Stelle nicht nenne. Unsere Angebote in den Iran halten wir auf jeden Fall aufrecht. Die Organisation unserer Reisen ist nicht beeinträchtigt.
Man sollte sich also nicht davon abhalten lassen, in den Iran zu reisen.
Auf keinen Fall. Soeben ist wieder eine Reisegruppe von Let’s Go Tours aus dem Iran zurückgekehrt. Die Teilnehmenden waren alle hell begeistert.
Die Syrien-Krise hat Ihr Geschäft ebenfalls beeinträchtigt. Jordanien und Libanon etwa sind von Flüchtlingen aus Syrien überschwemmt worden. Würden Sie dennoch raten, diese Länder jetzt zu bereisen?
Ja unbedingt, die beiden Länder sind ja gewissermassen doppelt bestraft worden. Einerseits trugen und tragen sie die Hauptlast der Flüchtlinge und anderseits brach der Tourismus zusammen. Die Besucherzahlen zeigen nun erfreulicherweise wieder nach oben. Vor allem in Jordanien.
Sprechen wir über den Indischen Ozean, Ihre wichtigste Destination. Früher waren Charterflüge in Destinationen wie Mauritius und den Seychellen aus Gründen der Exklusivität verpönt. Heute fliegen zahlreiche Chartergesellschaften auf die Inseln. Ist die Region zur Massendestination verkommen?
Ich würde eher Spanien, die Türkei oder Ägypten als Massendestinationen bezeichnen. Die Besucherzahlen auf den Seychellen oder Mauritius sind da vergleichsweise sehr klein. Der Tourismus in Mauritius spielt sich ausserdem fast ausschliesslich in den Hotels ab. Da gibt es also keine überfüllten Strände oder Sehenswürdigkeiten, die aus allen Nähten platzen. Man könnte fast von einer sympathischen Ghettoisierung sprechen. Die Feriengäste verlassen ihre Resorts kaum. Die wachsende Zahl von Charterverbindungen beurteile ich aber eher kritisch. Während die Hotels in Mauritius ihr Preisniveau einigermassen halten und damit weiterhin eine anständige Wertschöpfung für ihr Land erzielen, zeichnet sich bei den Flugtarifen ein massiver Preiszerfall ab. Flüge für 50 Franken nach Mauritius erachte ich als nicht mehr sinnvoll. Auch wenn die Taxen den Flugpreis optisch noch etwas nach oben korrigieren.
Von tiefen Flugtarifen profitieren aber Ihre Kunden.
Nicht nur. Das Überangebot an Flugplätzen schafft neue Probleme für unsere Kunden. Auf den Seychellen gibt es gar nicht genügend erstklassige Hotelzimmer, um die wachsende Zahl von Charterpassagieren anständig unterzubringen. Schweizer Gäste mögen es gar nicht, an dritter oder vierter «Strand-Reihe» in irgendwelchen mediokren Unterkünften zu übernachten. Zu Recht verlangen sie in einer Traumdestination auch ein Traumhotel.
Welches ist Ihre Lieblingsdestination?
Mein Herz schlägt für Afrika. Das hängt wohl damit zusammen, dass wir als Familie einige Jahre in Kenya gelebt haben. Und dass wir die afrikanische Herzlichkeit kennen und schätzen gelernt haben. Die Freundlichkeit, Offenheit und Menschlichkeit der Afrikaner berührt mich immer wieder neu. Wer seinen Alltag wirklich weit hinter sich lassen will, dem rate ich nach Afrika zu reisen. Das Leben ist da komplett anders als bei uns.
Und Ihre bevorzugte Reiseart?
Ich lasse mich beim Reisen am liebsten treiben. Erst kürzlich bin ich mit meiner Frau auf dem Motorrad von Stockholm über die Schäreninseln nach Turku gereist. Die Hotels haben wir unterwegs gebucht.
Sie machen nicht gerade Werbung für Pauschalreisen oder Reiseveranstalter.
(Lacht.) Natürlich braucht es die auch. Im Blick auf spannende Safaris, ausgeklügelte Rundreise-Kombinationen oder stilvolle Badeferien sind spezialisierte Reiseveranstalter die perfekten Partner.
Interview: Markus Weber
Let’s Go Tours:
Kurt Zürcher hat Let’s Go Tours zusammen mit Kurt Eberhard 1994 gegründet. Das Unternehmen ist Spezialist für den Indischen Ozean, Afrika und Arabien. Das Team von Let’s Go Tours bereist die Destinationen aus dem Portfolio mehrmals im Jahr. Kurt Zürcher hat mehrere Jahre in Kenya und auf Mauritius gelebt.