Mit der Casa Caminada hat Starkoch Andreas Caminada beim Schloss Schauenstein ein Gasthaus für Bündner Stunden eröffnet. In einstigen Ställen können Besucher essen, schlafen und einkaufen.
Einer der Schätze der neuen Casa Caminada liegt im Keller verborgen. Er versteckt sich hinter einer grossen, breiten Holztür, «die sich wie ein Tor öffnen lässt», wie der Architekt der zwei umgestalteten alten Ställe, Gion A. Caminada, erklärt. Hinter dieser Tür, im dunklen Bauch des Hauses, wird der Reichtum der Natur aufbewahrt: Eine Speisekammer mit Vorräten und Eingemachtem, die Ernte aus dem Schlossgarten von Schauenstein in Fürstenau. Eingekochte, eingemachte, gedörrte und getrocknete Leckereien, konserviert für den Winter. Neben der Speisekammer gibt es einen Reifekeller für Würste und einen für Bündner Käse.
An der Eröffnung der Casa Caminada ist die an die typischen Vorratskammern der alten Bündnerhäuser angelehnte Speisekammer noch fast leer. Gastgeber und Spitzenkoch Andreas Caminada stört das nicht. «Sie soll langsam wachsen und sich mit der Zeit füllen.» Vor seinem geistigen Auge sieht er bereits einen langen Tisch im Raum stehen, volle Regale mit grossen Gläsern und Gefässen, aber auch eine Art kulinarisches Archiv: «Ein Ort, an dem wir das Wissen, die Produkte und besonderen Zutaten Graubündens sammeln und zugänglich machen können.» Diese Genuss-Bibliothek ist offen für Gäste, spannend für das Team «und macht auch für die Stipendiaten der Fundaziun Uccelin Sinn», wie Andreas Caminada erzählt, als er mit Gion Caminada durch das neue Haus führt. Die Fundaziun Uccelin fördert junge Talente im Gastrobereich und schickt sie mit ersten Erfahrungen im Gepäck um die Welt, um von ihren Vorbildern zu lernen. Ein viel gelobtes Projekt, nur eines von vielen des Tausendsassas Andreas Caminada.
Frisches Brot vom Beck
Mit seinem jüngsten Werk, dem Gasthaus Casa Caminada, will der Schweizer Starkoch mehr als einfach ein zusätzliches Haus eröffnen. «Wir möchten mehr Leben und Handwerk zurück ins Stadtzentrum von Fürstenau bringen», erzählt er. Für Andreas Caminada ist die Bäckerei mit kleinem Genuss-Shop das Herzstück dieser Idee. Ein Bäcker knetet hier jeden Tag Teig und schiebt die Laiber in den riesigen Backofen aus Beller Tuff. Vier Wochen lang hat Hermann Heuft, in siebter Generation Ofenbauer aus dem Rheinland, gemauert, bis das fünfzig Tonnen schwere Unikat fertig war. «In diesem Holzofen steckt die Expertise von 300 Jahren Handwerkskunst», schwärmt Andreas Caminada. Das frische Brot soll nicht nur den Besuchern von Schloss Schauenstein aufgetischt werden, der Duft von frischem Brot nicht nur die Übernachtungsgäste der Casa Caminada aus dem Bett locken, sondern auch Laufkundschaft aus der Region in diesen hübschen, kleinen Teil des Bündnerlandes bringen.
Die zwei alten Ställe, die zum über die Jahrhunderte gewachsenen Gebäudeensemble in Fürstenau gehören, hat der mehrfach ausgezeichnete Architekt Gion Caminada – in Vrin aufgewachsen und mit Andreas Caminada höchstens entfernt verwandt – mit viel Respekt umgebaut und neu gestaltet. Vier Jahre hat die Planung gedauert, zwei Jahre lang wurde unter Berücksichtigung der Denkmalschutzauflagen gebaut. «Es braucht Zeit, um einen solchen Ort zu erfassen, um aus dem Vorhandenen etwas Neues zu schaffen.» Von Alpenchic und einer Romantisierung der Vergangenheit hält er nichts. «Der Tourist schläft im Stall, weil er will – der Bauer tat es, weil er musste.» Gion Caminada baut auf dem Alten auf, entstehen soll aber etwas Neues. «Mich fordert die Gegenwart.» So hat er zum Beispiel rund 150 Jahre alte Balken, die entfernt wurden, nicht entsorgt, sondern daraus ein aussergewöhnliches, mosaikartiges Stirnholzparkett fürs Restaurant gefertigt. Die Gaststube ist schlicht, aber edel und die zehn Doppel- und Familienzimmer sind Rückzugsorte, die mit ihrer Einfachheit verwöhnen. Umgeben von Holz schweift der Blick vom Zimmer oder dem Balkon auf die Berge oder das Schloss. Die gedeckten Balkone wirken selbst wie wohlige Nester, die Zimmer sind zurückversetzt, um den Blick nach aussen freizugeben, aber gegen innen zu schützen. Die Casa Caminada ist aus Bündner Holz und Stein gebaut und Arbeiten wie der feine Handlauf, der elegant in den oberen Stock führt, sind von Handwerkern aus der Region erstellt.
Eine Beiz für alle
Regional ist auch die Küche des Hauses. Eine Hommage an die Heimat von Andreas Caminada. «Auf der Karte steht das, was wir selber gerne essen», wie er sagt: Capuns, Maluns, Pizzoccheri, Nüsslisalat und Schmorbraten- oder Dörrbirnen-Ravioli, aber auch Wild. Das Konzept ist unkompliziert. In der Beiz sind Stammtisch-Gäste ebenso willkommen wie Familien auf einem Wochenendausflug oder Wanderer auf der Durchreise. Der junge Küchenchef Mathias Kotzbeck hat zwei Jahre lang an der Seite von Andreas Caminada auf Schloss Schauenstein gekocht und war eine Saison im Caminada-Restaurant IGNIV in St. Moritz tätig. Das neue Gasthaus in Fürstenau trägt die Caminada-DNA. Ein Ort der Gastfreundschaft, mit offenen Türen von morgens bis abends, wo es auch nachmittags ein Bündner Plättli gibt. Ein richtiges Stück Graubünden eben.
Stefanie Schnelli
Andreas Caminada:
Andreas Caminada ist seit 2003 Gastgeber im bündnerischen Fürstenau. Sein Restaurant und Boutiquehotel Schloss Schauenstein ist mit 3 Michelin-Sternen sowie 19 GaultMillau-Punkten ausgezeichnet und wird aktuell als bestes Restaurant Europas auf der «OAD Top100+»-Liste geführt. 2012 gründete Caminada zusammen mit Spitzenkoch Sandro Steingruber das Catering-Unternehmen «acasa». 2015 folgte die Lancierung des Restaurant-Brands «IGNIV by Andreas Caminada», welcher seither mit Dependancen im Grand Resort Bad Ragaz und im Badrutt’s Palace zu finden ist. Die Casa Caminada feierte im Oktober 2018 die Eröffnung. Die Zimmerpreise starten bei 200 Franken inklusive Frühstück. Im Restaurant gibt es gegenwärtig auch Hauptgänge für unter 30 Franken.