Das Königreich Jordanien bietet Besuchern einzigartige antike Schätze und unvergleichliche Landschaften.
Die Schlucht ist eng. Sie wird im Lauf der 1,2 Kilometer immer enger. Und obwohl der Weg im Schatten liegt und es November ist, zeigt das Thermometer 26 Grad an. Im Sommer werden hier häufig über 40 Grad gemessen. Erst drehen die Kutschen um, weil es zu schmal wird, dann müssen die Besucher, die auf dem Rücken von Pferden in die Schlucht geritten sind, absteigen. Irgendwann ist nur noch Platz für Fussgänger im Gänsemarsch. Die Siq-Schlucht diente schon «Indiana Jones» als Kulisse. Sie führt nach Petra, die Stadt, die komplett aus Felsen geschlagen wurde.
An die hundert Meter hohe, rostrote Felswände ragen in der Schlucht auf beiden Seiten steil in die Höhe. Der Weg, den alle gehen, besteht an einigen Stellen noch aus dem originalen Strassenbelag der Nabatäer. Sie sind die Baumeister von Petra, haben vor mehr als 2000 Jahren ihre Hauptstadt aus dem roten Sandstein geschlagen. Im ersten Jahrtausend nach Christus geriet das heutige Weltkulturerbe allerdings in Vergessenheit. Ein Schweizer Forscher namens Johann Ludwig Burckhardt entdeckte Petra erst 1812 wieder. Seitdem wird gegraben. Doch bis heute ist nur ein Teil der Stadt freigelegt.
«Petra ist der herrlichste Ort der Welt», schrieb Lawrence von Arabien. Wer den letzten Biegungen in der Siq-Schlucht folgt und unvermittelt vor dem zentralen Teil des Schatzhauses Al Khazneh steht, wird Thomas Edward Lawrence nicht widersprechen. Die Besucher, die in die Schlucht spazieren, wissen, welches Bild sie erwartet. Und trotzdem ist jeder komplett überrascht und überwältigt von der aussergewöhnlichen Schönheit, die sich langsam entfaltet, bis man die ganze Fassade sieht. Am besten alleine. Ohne Gedränge. Die Zeiten dafür sind gut, besonders morgens – und das schon seit Jahren.
Tourismus als wichtigster Wirtschaftszweig
Was für den einzelnen Gast von Vorteil ist, bringt Jordanien in Not. Seit acht Jahren herrscht im Nachbarland Syrien Krieg. Seit acht Jahren erleidet Jordanien starke Einbussen im Tourismus, traditionell einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. «Und das, obwohl wir ein ganz normales Leben führen», sagt Nayef Hmeidi Al-Fayez. Er ist Tourismusminister des moderaten Königreiches Jordanien, in dem Homosexualität legal ist und in dem in den Städten viele Frauen auf den Strassen unverschleiert unterwegs sind. Der Islam ist Staatsreligion, doch muslimische Hardliner finden nur wenig Gehör.
Obgleich 70 Prozent der Jordanier Palästinenser sind, die sich zum grössten Teil mit ihren Volksangehörigen in Israel identifizieren, pflegen die beiden Länder gute wirtschaftliche Beziehungen. Im Norden grenzt Jordanien an Syrien. «Die Grenze ist gesichert und stellt keine Gefahr dar», versichert Tourismusminister Nayef Hmeidi Al-Fayez.
Abendessen mit Beduinen
Im antiken Jerash herrscht auf der 800 Meter langen Königsstrasse mit ihren mehr als 500 teils sehr gut erhaltenen Säulen zum Marktplatz ein ähnliches Bild wie in Petra: Die kolossale Säulenarchitektur und die Ruinen des Jupiter-Tempels hat man fast für sich alleine. Potentielle Besucher haben Bedenken wegen der Flüchtlingsthematik. Jordanien, mit rund sieben Millionen Einwohnern, hat rund 1,3 Millionen Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Sie leben hauptsächlich im Norden und Nordosten, aber auch in Gemeinden im ganzen Land. Jerash ist die Stadt, die am nächsten an der syrischen Grenze liegt. Die Distanz beträgt 50 Kilometer. Die Hauptstadt Amman ist knapp hundert Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Zum Toten Meer sind es 120, nach Petra 250 und nach Aqaba am Roten Meer bereits mehr als 400 Kilometer.
Nationalpark unter Meeresspiegel
Bei Ausritten in die wunderschöne Welt der Wadis geniessen die Gruppen mit ihren Guides die Einsamkeit der Wüste. Das Wadi Rum mit seinen roten Sanddünen, Steinformationen und Felsenbrücken ist so weitläufig, dass man keinen anderen Gästen begegnet. Gelegentlich trifft man Beduinen. Manchmal sind ein Abendessen und eine Übernachtung im Beduinenzelt sogar Teil des Ausflugs-Arrangements. Gleiches gilt für das Wadi Mujib: Der Grand Canyon Jordaniens ist mit bis zu 410 Metern unter Meeresspiegel der am tiefsten gelegene Nationalpark der Welt. Er grenzt an das Tote Meer, wo viele Wellnesshotels stehen und die Gäste sich schwerelos im Wasser treiben lassen und dabei ein Buch oder die Zeitung lesen für die berühmten Fotos.
Für klassische Badeferien fährt man in Jordanien nach Aqaba am Roten Meer. Die Stadt mit sehr schönen Hotelanlagen war aufgrund ihrer Lage und ihres Hafens schon immer ein wirtschaftlich wichtiges Zentrum des Landes. Das Rote Meer lockt dabei nicht nur zum Baden, sondern ist auch bei Schnorchlern und Tauchern beliebt. Es ist an der Zeit, Jordanien wieder mehr in den Blickwinkel zu rücken.
Text Jochen Müssig
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