Ich packe meinen Koffer…. «artundreise» fragt Hoteldirektor Jann Hess
Herr Hess, wir treffen uns hier im Amandari in Ubud. Wie wird ein einfacher Junge aus Schwamendingen Direktor eines Luxusresorts auf Bali?
Jann Hess (lacht): Es ist tatsächlich so, dass ich in einfachen, aber sehr kreativen Verhältnissen in Schwamendingen aufgewachsen bin. Mein Vater war Architekt und meine Mutter Fotografin. Bereits als Kind bin ich gerne in die Rolle des Gastgebers geschlüpft und ich habe unser Haus oft in ein Hotel oder Restaurant verwandelt.
Also kam schon früh der Wunsch auf, die Hotelfachschule zu besuchen?
Nein, gar nicht. Ich habe zuerst eine KV-Lehre in der Reisebranche absolviert, aber die Leidenschaft meiner Kindheit hat mich nie losgelassen. Und so habe ich bei Horst Petermann im Restaurant Kunststuben Küsnacht mit 25 Jahren eine Lehre als Koch begonnen. Abgeschlossen habe ich die Ausbildung im Hotel Marriott in Zürich. Dort habe ich auch den damaligen Koch-Weltmeister Bruno Hurter kennen und schätzen gelernt.
Wie hat Sie die Kochausbildung in der Spitzen-Gastronomie geprägt?
Die Jahre in Küsnacht waren eine harte Schule. Im Gegensatz zu den jüngeren Lehrlingen war ich zum Glück bereits im Erwachsenenalter und konnte mit den sehr hohen Erwartungen vernünftig umgehen. Gelernt habe ich sehr viel. Nicht nur Fachliches, sondern genauso Wichtiges über Menschen, das Leben und den immensen Druck in einer kleinen, sehr engen Sterne-Küche.
Und der Schritt in die Hotellerie?
Nach einigen Ausflügen und Umwegen folgte die Ausbildung an der Hotelfachschule in Luzern. Dann arbeitete ich im Hotel Hirschen in Meilen am Zürichsee. Also gar nicht so weit weg von der Redaktion von artundreise. Mit der Ernennung zum Manager des Dolder Spas 2008 erfolgte der Schritt in die Luxushotellerie. Am Zürichberg konnte ich meine Kreativität ausleben und mich richtig entfalten. Ich übte den Job während fünf Jahren mit grosser Freude aus. Kuno Fasel, der Onkel meines heutigen COO bei den Aman Resorts, lockte mich dann 2013 mit einem interessanten Vertrag zu den Como Hotels nach Bangkok. Zwei Jahre später wechselte ich als Resort Manager ins The Surin nach Phuket. Das Surin, das auch in der Schweiz eine grosse Fangemeinde hat, gehört zu 50 Prozent der Aman-Gruppe. Die nächste Etappe war also nur eine Frage der Zeit. 2016 wurde ich General Manager des Amandari in Ubud.
Was zeichnet das Amandari aus?
Der persönliche Service für eine kleine Zahl von exklusiven Gästen. Der diskrete Luxus. Das Understatement der Gäste und der Gastgeber. Die sensationelle Lage des Resorts in einer atemberaubend schönen Natur sowie seine Einbettung im kulturellen Zentrum von Bali: das Amandari ist Teil von Ubud, Teil der balinesischen Kultur. Das Grundstück, auf dem wir stehen, gehört denn auch Bewohnern aus Ubud, von denen wiederum einige im Amandari tätig sind. Täuschen Sie sich also nicht, die Frau in der Wäscheabteilung könnte reicher als wir beide sein.
Wie reisen Sie persönlich? Was gehört in Ihren Koffer?
Ich reise gerne mit wenig Gepäck, am liebsten zu Fuss oder mit dem Mountainbike. Hier auf Bali bin ich in meiner Freizeit oft auf Wanderungen anzutreffen. Ich habe alle Vulkane der Insel mit Ausnahme des Mount Agung bereits bestiegen.
Und welches ist Ihre Lieblingsdestination?
Bhutan ist eindeutig mein Favorit. Das Land bietet einen magischen Mix aus einer intakten Bergwelt und einer faszinierenden buddhistischen Kultur. Südostasien finde ich grundsätzlich faszinierend. Die Farben, die Menschen, die Düfte, das Essen, die Kultur, der Hinduismus hier auf Bali, es gibt viel Exotisches zu entdecken.
Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Hinduismus oder zum Buddhismus?
Ich meditiere seit vielen Jahren regelmässig und Yoga ist ein fester Bestandteil meines Lebens. Zum Jahresende 2018 werde ich mich für zehn Tage in ein Vipassana-Retreat in Bogor auf der Insel Java zurückziehen, um zu meditieren. Vipassana ist eine der ältesten buddhistischen Meditationstechniken und bedeutet soviel wie «die Dinge sehen, wie sie wirklich sind».
Die Dinge sehen, wie sie wirklich sind – ein Gegensatz zu Ihrem täglichen, teilweise wohl sehr oberflächlichen Leben in der Luxushotellerie?
Dies mag in der Tat ein Gegensatz sein. Aber ein gesunder Geist, ein wohlwollendes Wesen und ein Lächeln im Gesicht – was kann sich der Gast mehr wünschen, als von einem zufriedenen und ausgeglichenen Gastgeber empfangen zu werden. Meditationen können also auch für die Luxushotellerie von grossem Nutzen sein (lacht).
Interview Markus Weber
Zur Person
Jann Hess ist 47 Jahre alt, er ist in Zürich-Schwamendingen aufgewachsen. Nach seiner Reisebürolehre beim ehemaligen Ticketbroker Passepartout in Zürich absolvierte er mit 25 Jahren eine Kochlehre bei Horst Petermann in Küsnacht. Nach der Hotelfachschule in Luzern war er im Hirschen in Meilen tätig bevor er zum Manager des Dolder Spas am Zürichberg berufen wurde. Ein gutes Angebot lockte ihn dann nach Asien, wo er in Bangkok bei den Como Hotels seine internationale Karriere startete. Seit 2016 ist er General Manager des Amandari in Ubud.