Flugzeuge am Boden, Menschen zu Hause, Autoren gestrandet: Die Coronakrise hat uns gezwungen, unsere Leidenschaft, die Welt zu entdecken, schlummern zu lassen und Reisen auf später zu verschieben. Ende März erschien aus diesem Grund keine Ausgabe von artundreise und auch die vorliegende Nummer nimmt Rücksicht auf die aktuelle Situation. Unsere Reportagen sind in Vancouver, Schleswig-Holstein, Sardinien, Montafon und Gstaad entstanden – in Regionen also, die wieder bereist werden können. Und auch die Seychellen und Marokko, denen ebenfalls Beiträge gewidmet sind, möchten erneut Gäste empfangen.
Die indische Oberoi-Gruppe hat in Marrokko vor wenigen Monaten ein neues Juwel eröffnet. Als wir im «The Oberoi Marrakech» ankommen und durch die mächtigen Eingangstore zur Rezeption geführt werden, wähnen wir uns in einem imposanten Palast. Wer eine indo-muslimische Architektur aus der Blütezeit der arabischen Epoche in Rajasthan erwartet hätte, wird allerdings eines Besseren belehrt. Die Oberoi-Familie hat sich bewusst für einen marokkanisch-andalusischen Baustil entschieden. Gleichwohl ist der indische Einfluss im Hotel überall spürbar – vor allem im perfekten Service. Es mag wie eine Ironie der Geschichte anmuten: Nach den arabischen Eroberungen in Indien vor ein paar Jahrhunderten zeigen die Inder in Marrakesch nun, wo es langgeht – wenn auch «nur» im Bereich der zeitgemässen Interpretation der internationalen Fünf-Sterne-Hotellerie.
Als ob der boomende Wohnmobil-Markt in Europa noch einen Anreiz gebraucht hätte: Autarke Reisen im eigenen Camper sind zurzeit besonders gefragt. Wir wollen wissen, ob diese Art des Reisens auch bei einer Klientel Erfolg haben könnte, die bis anhin lieber in gepflegten Hotels ihre Ferien verbracht hat. Auf unserer Fahrt mit dem Hymer Exsis-i 580 (Testbericht Seite 56) halten wir uns an den Reise- und Genussführer «Landvergnügen». Das Buch ist eine wahre Schatzkiste. Darin finden sich 828 sorgfältig ausgesuchte Höfe in Deutschland, auf denen kostenlos übernachtet werden kann. Vorausgesetzt man hat vorher den gedruckten Stellplatzführer mit Jahresvignette und Mitgliedskarte erworben. So stoppen wir zufällig auf einem ehemaligen Gutsgelände ausserhalb Schwerins. Landwirtschaft, Handwerk, Kunst, Kultur und Bildung haben sich hier zu einer vielfältigen Arbeits- und Lebensgemeinschaft vereint.
Am Abend setzen wir uns ans Lagerfeuer und tauchen ein in die Geschichte der ehemaligen DDR. Eine in Schwerin aufgewachsene Stadtführerin erzählt, wie sie als Studentin von der Universitätsleitung regelmässig zu den Sowjets ins «Haus der Freiheit» geschickt wurde, um russische Beamte bei Laune zu halten und mit ihnen zu tanzen. Das bewegende Gespräch in kleiner Runde macht uns einmal mehr bewusst, was Reisen so wertvoll macht: die Begegnung mit Menschen und ihren Geschichten. Gut sind wir wieder unterwegs.
Text: Markus Weber
Bild: iStock
Hallo,
schön wieder was von dir zuhören. Schöner Beitrag.
Viele Grüße
Christoph