Barbara Hepworth zählt zu den grossen Bildhauern der Moderne: Sie schuf eine neue Art von Plastik mit sanften Kurven und raffinierten Hohlräumen.
In England, wo Barbara Hepworth (1903–1975) lebte und arbeitete, begegnet man ihren Skulpturen auf Schritt und Tritt. In Kontinentaleuropa dagegen ist sie etwas in Vergessenheit geraten, obwohl sie zu den grossen Bildhauern des 20. Jahrhunderts zählt. Bildhauer? Nicht Bildhauerin? Zu Hepworths Zeit war die Kunstwelt von Männern dominiert. Mit ihnen sah sie sich zu Recht auf Augenhöhe und bevorzugte als Berufsbezeichnung das männliche «sculptor».
Schon in den 1930er-Jahren schuf sie sich als junge Frau einen Namen. Zunächst unter Künstlern selbst: Hepworth war ab 1931 Teil der modernistischen Gruppe «Seven and Five», zu der auch ihr Studienkollege, Freund und Rivale Henry Moore und der Maler Ben Nicholson, ihr späterer Ehemann, gehörten. Auf einer Reise nach Frankreich besuchten Hepworth und Nicholson Gleichgesinnte wie Hans Arp, Constantin Brancusi und Pablo Picasso. 1936 stellte die Britin mit Alexander Calder, Alberto Giacometti und Joan Miró aus. Im gleichen Jahr erfolgte der öffentliche «Ritterschlag»: Das Museum of Modern Art in New York kaufte eine erste Hepworth-Skulptur.
Zu dieser Zeit hatte sich Hepworth, deren Frühwerk noch figürlich war, schon der Abstraktion verschrieben. Sie schlug ihre Skulpturen direkt aus Stein und Holz, ohne vorher Ton- oder Gipsmodelle zu fertigen. Typisch für die neue Formensprache, die sie schuf, sind geschwungene und gewölbte Körper, polierte Oberflächen und raffiniert gesetzte, zum Teil bemalte Hohlräume und Durchstiche. Die Skulpturen spielen mit der Kombination von Gegensätzen: hell und dunkel, massiv und durchbrochen, konvex und konkav. Eine Plastik könne man nur durch Bewegung erfassen, meinte Hepworth: umrunden, näher treten, berühren, aus der Entfernung betrachten.
Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, zog Hepworth mit ihrer Familie von London nach St. Ives in Cornwall. Dort war bereits eine Künstlerkolonie ansässig, in der sie und Nicholson sich engagierten. Die wilden, weiten Landschaften von Cornwall und Yorkshire, wo Hepworth aufwuchs, das oft stürmische Wetter und das Meer waren wichtige Inspirationsquellen für ihr Werk. Ab den 1950er-Jahren arbeitete sie zunehmend in Bronze, aus der sie grössere Werke und Mehrfachabgüsse herstellen konnte. Ihre Skulpturen wurden nun international ausgestellt und gewürdigt. 1965 wurde sie zur «Dame» geadelt.
Hepworth lebte und arbeitete bis zu ihrem Tod 1975 in St. Ives. Ihr Atelier und der von ihr angelegte Skulpturengarten sind heute ein Museum. Ein zweites Hepworth-Museum findet sich in ihrem Geburtsort Wakefield (Yorkshire).
Text: Regula Weyermann
Gut zu Wissen
Barbara Hepworth Museum and Sculpture Garden. St. Ives (Cornwall), England.
www.tate.org.uk/visit/tate-st-ives/barbara-hepworth-museum-and-sculpture-garden
The Hepworth Wakefield. Wakefield (West Yorkshire), England.
hepworthwakefield.org