In den Niederlanden trotzen die Menschen dem Meer seit Jahrhunderten. Entstanden sind schöne Landstriche mit unzähligen Wasserwegen. Eine Region wie gemacht für eine Flussreise.
Schwierig zu fassen, wie weit der Blick reicht. Er wandert zum Horizont und zurück, nach links, nach rechts. Flaches Land. Topfeben. Nichts versperrt die Sicht. Die höchste Erhebung der Wattinsel Texel vor der niederländischen Küste beträgt rund zwanzig Meter. Sie ist kein fester Hügel, sondern eine Düne, Sand. Unser Car fährt vorbei an saftig grünen Wiesen, auf denen mollige Schafe grasen, an allein stehenden Häusern mit den typischen Reetdächern, an Wäldern. Die Landschaft fasziniert, der Platz, die Ruhe und Natürlichkeit. Würden wir hier die Berge vermissen? Die Frage drängt sich bei ein paar Reisenden auf. Bis sie beim Aussteigen ein stürmischer Wind begrüsst, der solche Gedanken davonträgt. «Sturm nennt ihr das?», fragt Tanja, Reiseleiterin an Bord der «Excellence Countess», mit der die Gruppe eine Flussreise durch die Niederlande unternimmt, und lacht. «Sturm ist für uns im Norden erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben.» Gerade zeigt sich die Sonne, und der riesig breite Strand hebt sich fast weiss vom blauen Himmel ab. Bis zum Wasser scheint es ein ziemlich langer Spaziergang zu sein. Menschen dort sehen aus wie kleine Strichmännchen, ihre Hunde rennen über den Sand. Lautlos, der Wind schluckt alle Geräusche.
Der Ausflug nach Texel ist nicht das erste Mal, dass die Passagiere der «Excellence Countess» vom Reisebüro Mittelthurgau auf dieser Flussreise mit der niederländischen Weite in Kontakt kommen. Eine Woche lang erkunden sie das Land, werden von ihrem eleganten und komfortablen schwimmenden Hotel von einem Ort zum anderen geführt. Die Rundreise startet und endet in Nijmegen, die Route führt in den Süden, nach Zeeland, und bis in den Norden auf die Insel Texel. Dorthin fährt allerdings nicht die «Countess» selbst, sondern eine Fähre.
Texel ist einer der Ausflüge, die unterwegs gemacht werden können. Auf dem Programm stehen Stadtführungen in kleinen Orten wie dem hübschen Middelburg, Metropolen wie Rotterdam, Abstecher in die Natur Frieslands oder zu technischen Bauten wie den Deltawerken. Interessante Einblicke in ein kontrastreiches Land.
Dem Wasser trotzen
Gleich drei grosse Flüsse, Rhein, Maas und Schelde, fliessen durch die Niederlande ins Meer und bilden ein Delta. Seit Jahrhunderten kämpfen die Menschen hier gegen das Meer an, versuchen sich vor den Fluten zu schützen und der See wertvolles Land abzuringen. So ist ein eindrückliches System aus Dämmen, Deichen, Poldern und Wehranlagen entstanden. Rund ein Drittel der heutigen Landesfläche liegt unter dem Meeresspiegel. Und dieses Meer ist eine ständige Bedrohung, das Schutzsystem ausgeklügelt, wie ein Besuch des Watersnood-Museums darlegt. Die Fahrt danach über das Oosterschelde-Sturmflutwehr der Deltawerke zeigt die Dimensionen der Schutzmassnahmen. Mit gewaltigen Stahltüren zwischen Betonpfeilern kann der gesamte Meeresarm in 75 Minuten abgeriegelt werden. Die Deltawerke wurden schon zu einem modernen Weltwunder erklärt, und die Erfahrung, welche die Niederländer mit Dämmen, Deichen und Wehranlagen haben, wird heute erfolgreich exportiert, nach Vietnam und Kambodscha zum Beispiel.
Die liebliche Landschaft hinter den Dämmen und Deichen steht in Kontrast zu den massigen technischen Anlagen. In den Poldern, also den trockengelegten Flächen, weiden Schafe. Vögel sitzen an den Ufern der unzähligen grösseren und kleineren Gewässer, die zurückgeblieben sind. Alte Windmühlen, die benutzt wurden, um Wasser abzupumpen, vervollständigen das romantische Bild. Nur an einzelnen Stellen erinnert ein Mahnmal daran, wie tief unter dem Meeresspiegel der Boden liegt. Das Wasser ist gefürchtet, wird aber von den Einheimischen auch innig geliebt. Sowohl das oft brausende Meer vor den Deichen als auch die Seen, Kanäle, Flüsse und Bäche, welche die Landschaft dahinter zeichnen. Die Niederlande verdanken ihren Wasserwegen viel. Im 17. Jahrhundert, einer Blütezeit in der Geschichte des Landes, wurden Städte wie Middelburg oder Amsterdam reich und berühmt. Auch in kleineren Orten zeugen wunderschöne alte Häuser vom Glanz vergangener Tage, als Waren aus der ganzen Welt herangeschifft wurden.
Veloliebe ohne Grenzen
Viele der kleinen Häfen sind nicht passierbar für die grossen, modernen Schiffe. Sie werden von Seglern besucht, die mit Windjacken und zerzaustem Haar auf ihren Booten stehen und in den geschützten Grachten ruhig vorwärtsgleiten. Auf einem Schiff zu reisen ist die schönste Form, um diese Region zu entdecken. Bei Fahrt auf Deck der «Excellence Countess» zu sitzen, das Wasser plätschern zu hören und die Landschaft an sich vorbeiziehen zu lassen, entspannt zutiefst. Wer will, geniesst den geheizten Whirlpool. Spielt das Wetter einmal nicht so mit, gibt es mit Glas geschützte Aussenbereiche. Oder man geniesst den Ausblick gleich von drinnen: Das Schiff verfügt über viele grosse Fenster, sowohl im Panorama-Restaurant, im à-la-Carte Restaurant am Heck, in der glasüberdachten Sky-Lounge oder in den grosszügigen Kabinen, überall gibt es viel natürliches Licht und Platz. Die Atmosphäre ist stilvoll, mit höchstens 180 Gästen an Bord familiär.
Legt die «Countess» an, befinden sich die Passagiere sofort mitten im Geschehen. In Rotterdam zum Beispiel. Die Stadt ist Umschlagplatz für Waren aus der ganzen Welt, der Rotterdamer Seehafen ist der grösste Europas. Das Hafengebiet ist fast 40 Kilometer lang. Eine Hafenrundfahrt gewährt Einblick in diese Welt, wo Tonnen von Gütern ein- und ausgeladen werden, Krane in den Himmel ragen, Maschinen dampfen. Mittendrin: die Floating Farm, eine Art schwimmender Bauernhof, ein Pilotprojekt für nachhaltige Landwirtschaft.
Rotterdam hält einige Überraschungen bereit. Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, hat die Stadt heute ein sehr modernes Gesicht mit eindrücklicher Architektur. Aussergewöhnlich ist der gelb gekachelte Maastunnel: 75’000 Autos nutzen die Strasse unter dem Fluss jeden Tag. Der Tunnel wäre nicht richtig holländisch, wenn es nicht auch einen Fahrradweg gäbe. Die Liebe der Niederländer zu ihren Fahrrädern scheint grenzenlos, überall sind die Menschen auf Drahteseln unterwegs – trotz ständigem Gegenwind.
«Meer» heisst «See»
In Amsterdam legt die «Excellence Countess» auf dieser Reise länger an als geplant. Ein Sturm macht uns einen Strich durch die Rechnung und die Fahrt über das IJsselmeer, eines der Highlights der Reise, ist nicht möglich. Das IJsselmeer ist der grösste See des Landes, er ist künstlich durch Eindeichung entstanden. «Meer» bedeutet auf niederländisch «See». Die Wetterkapriolen machen die perfekte Organisation des Reisebüros Mittelthurgau einmal mehr deutlich: Das Programm wird sofort umgestellt, alle Ausflüge finden statt. Die letzte dieser Touren führt nach Giethoorn. Das malerische Städtchen ist von schmalen Grachten durchzogen. In einem Boot tuckern Besucher durch eine idyllische, ruhige Welt mit von Hortensien umsäumten Häusern. Zumindest am Morgen. Später wird es eng auf den Grachten. Seit Holland Tourismus in China einen Werbefilm mit Aufnahmen aus Giethoorn veröffentlicht hat, kann sich der Ort vor Gästen kaum noch retten. Die Wasserwege und Seen in Giethoorn sind durch den Abbau von Torf entstanden. Die ausgehobenen Gräben wurden nicht aufgeschüttet und haben sich mit Wasser gefüllt. Schöne Strassen, nur knapp einen Meter tief. Auch so kann Wasser sein. Sanft und mild.
Text: Stefanie Schnelli
Gut zu Wissen
Die «Excellence Countess» wurde im Mai 2019 getauft und ist das elfte Flussschiff der Excellence-Flotte vom Reisebüro Mittelthurgau. Die «Excellence Countess» besticht durch ein sehr stilvolles, komfortables Interieur. Die Kabinen, alles Aussenkabinen und viele mit französischen Balkonen ausgestattet, sind äusserst grosszügig gestaltet. Neben dem Panorama-Restaurant gibt es am Heck des Schiffes ein à-la-Carte-Restaurant mit Showküche, wo unter anderem Grillspezialitäten angeboten werden. Ebenfalls toll ist die Sky-Lounge mit Bar unter einem Glasdach. Die Reise «Nordholland und IJsselmeer» wird zwischen Juni und September durchgeführt. Sie kann mit einer Belgienreise kombiniert werden. Zudem gibt es Abfahrten mit Velo- oder Golfgruppen an Bord.
Infos und Buchungen: mittelthurgau.ch