Zu Besuch im «Four Seasons at Desroches Island» auf den Seychellen: Ein abgeschiedenes, kleines Paradies, das viel Privatsphäre verspricht und wo ein gewisser George der Star ist.
Wer schiebt wen beiseite – dieses Spiel kennt auf Desroches immer nur einen Gewinner. Und der heisst George. Er ist zwar nicht hoch gewachsen, weshalb man sich beim kindisch-kraftmeierischen Messen zunächst auch eine Chance ausrechnet. Aber George hat Masse, unglaublich viel Kraft und Selbstbewusstsein. Zwischen den Kontrahenten wird eine Linie gezogen und beide versuchen, den anderen über diese Linie zu schieben. Wer gewinnt, bekommt einen Apfel. Es dauert keine zehn Sekunden und George hat die Frucht. George lebt erst seit ein paar Jahren auf Desroches Island, diesem fast unberührten Seychellen-Eiland 240 Kilometer südwestlich der Hauptinsel Mahé. Desroches gehört zu den sogenannten Outer Islands, wie auch Aldabra, wo George geboren wurde. Aldabra liegt noch einmal tausend Kilometer weiter weg von Mahé. Aldabra zählt sechs Einwohner, Desroches zwanzig. Und was George besonders freut: Auf Desroches laufen auch einige Gäste umher oder erkunden mit dem Fahrrad die Insel. Sie kommen alle vom «Four Seasons at Desroches Island», das 2018 seine Villen eröffnete und das einzige Hotel auf der Insel ist.
«Four Seasons» hat eine Trauminsel für ein Traumresort gefunden. Zugegeben, das klingt ein wenig platt. Aber was lässt sich über perfekte Schönheit anderes feststellen, als dass sie perfekt schön ist? Man könnte jetzt von diesen Postkartenpalmen schwärmen, die geradezu lasziv über piekfein weissem Sand hängen, noch dazu an Stränden mit verführerischen Namen wie Madame Zabre Beach. Man könnte die Farben des Wassers aufzählen und dass eifrige «Four Seasons»-Geister jeden Tag an fünf, sechs solcher unverschämt schönen Stränden schon frühmorgens einen Platz für zwei herrichten, mit Strandtüchern, Kissen und Sonnenschirm. Den Picknickkorb, die Schnorchelausrüstung und Sonnencreme packt man entweder ins Körbchen des Fahrrads – oder lässt alles zur gewünschten Uhrzeit mit dem Golf-Cart bringen.
Drei neue Restaurants
Dabei hat jede der 71 «Four Seasons»-Villen einen privaten Pool im eigenen Garten, direkten Zugang zum Meer und einen eigenen Strandabschnitt. Als Zielgruppe hat man Gäste ausgemacht, die Ursprünglichkeit, absolute Ruhe und Luxus an einem Platz schätzen und ein bisschen Entdeckergeist mitbringen. Das «Four Seasons Mahé» – an der Sichel der durchaus ruhigen und abgelegenen Petite Anse der Hauptinsel gelegen – ist ebenso hübsch und luxuriös, Sehen und Gesehen werden ist dort aber wichtiger als auf Desroches. Die meisten Kunden auf Desroches sind Europäer: überwiegend aus Grossbritannien, Frankreich, Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Unvergessliche Erlebnisse sind der neue Trend für Luxusferien, was in die Zeit des Individualismus passt. Erleben heisst auf Desroches beispielsweise: Sternegucken in tiefschwarzer Nacht ohne störende Lichtquellen weit und breit. Oder wenn Ayo aus Bali bei offener Tür ihre Sound-of-Wave-Massage zelebriert. Ein Gourmetdinner barfuss im Sand. Und natürlich die Abgeschiedenheit der Villa und der eigene Pool. Nicht zu vergessen: Frühmorgens hält Ganga aus Indien ihre Yoga-Klasse auch gerne einmal auf der Runway ab. Und Boccia, oder Boule, wie es auf den Seychellen heisst, spielt man auf Desroches mit Kokosnüssen. Neu kann man zudem Kochkurse besuchen, und 2020 überrascht das Desroches mit drei neuen Restaurants. Für das Mittagessen stehen dann insgesamt drei Lokale zur Verfügung, zum Nachtessen steigt die Auswahl auf sieben.
Desroches ist etwa sechs Kilometer lang und an der weitesten Stelle 1,8 Kilometer breit. Am North Point herrscht Jurassic-Park-Stimmung. In der Mitte liegt das Dorf der zwanzig Einwohner. Es gibt einen Wasserturm, einen verwucherten Friedhof und einen Laden, der zweimal die Woche zwei Stunden offen hat. Und dann ist da noch George. Er ist an die 300 Kilogramm schwer, 121 Jahre alt, er kann durch die Nase trinken, ist immer kampfeslustig und liebt – wie wir schon wissen – Äpfel. Er ist die älteste Aldabra-Schildkröte auf Desroches, wo vor ein paar Jahren 160 Exemplare ausgesetzt wurden, damit sie sich auf der fast unbewohnten Insel ungestört vermehren können. Auch George trägt trotz seiner 121 Jahre noch fleissig zum Nachwuchs bei. Jetzt aber schaut er in die Runde als wolle er fragen: Spielt jemand mit mir?
Text: Jochen Müssig