Wohnmobile und Campervans erfreuen sich gegenwärtig einer riesigen Nachfrage. Im Trend liegen schlanke, wendige Fahrzeuge, allen voran Kastenwagen, von Insidern auch CUV genannt. Wir testen den Knaus Boxdrive 680 ME auf einer Fahrt durch Deutschland.
Schlank ist er. Aber wendig? Der lange Radstand des Boxdrive 680 ME sticht sofort ins Auge. Der Prachtskerl eines Kastenwagens, den uns die Knaus Tabbert AG als Testwagen überlässt, bildet gleichsam eine eigenständige Klasse im Angebot der CUVs (Caravan Utility Vehicles). Mit 6,8 Metern Länge und einem Radstand von 4,49 Metern liegt er sowohl bei den Massen als auch in der Preisgestaltung im Bereich von ausgewachsenen Wohnmobilen. Warum also nicht gleich zu Höherem greifen?
Die Antwort fällt leicht: Weil der Boxdrive die trendige Coolness und die vielfältigen Möglichkeiten eines CUVs mit den Fahreigenschaften eines hochwertigen PWs vereint. Während sich Fahrer von klassischen Wohnmobilen auf Autobahnen vor Seitenwinden fürchten müssen und sich wegen der oft schwammigen Lenkung ihrer Fahrzeuge nicht über die 110 km/h-Marke trauen, fährt sich der Knaus Boxdrive dank seines langen Randstands und der präzisen Lenkung auch mit 150 km/h noch ganz entspannt. Die überragenden Fahreigenschaften und die Qualität des Basisfahrzeugs von MAN (baugleich mit VW Crafter) zählen neben dem hochwertigen und durchdachten Interieur denn auch zu den stärksten Argumenten des Boxdrive 680 ME. Zumal nicht jeder Womo-Fahrer die Musse hat oder willens ist, seine Zeit in der Elefantenspur zwischen 40-Tönnern zu vertrödeln.
Ein weiterer Vorteil auf Autobahnen ist die Schlankheit des Fahrzeuges (204 cm). Gerade wenn es gilt, sich bei Baustellen durch verengte Fahrspuren zu quetschen. Auch hier muss sich der Lenker des Boxdrive nicht wie die Kollegen in breiteren Wohnmobilen in der Lastwagenspur ausbremsen lassen. In Städten oder auf Bergstrassen ist die überschaubare Breite ebenso ein grosser Vorteil. Und beim Rangieren? Nein, wendig ist er tatsächlich nicht. Aber dank Rückfahrkamera ist auch die eine oder andere Korrektur auf dem Camping- oder Stellplatz kein Problem. Für die genormten 5-Meter-Parkplätze in den Innenstädten ist der Wagen aber definitiv zu gross. Ebenfalls im Auge behalten sollte man die bescheidenen Zuladungsmöglichkeiten von nur rund 388 kg. Zwei Personen, ein voller Tank, etwas Wasser: Da kann man leicht bei einer Kontrolle hängen bleiben. Es ist zwar möglich, das Fahrzeug auf vier Tonnen aufzulasten, aber da werden Schwerverkehrsabgaben fällig und der normale Schweizer PW-Ausweis genügt nicht mehr.
Ein Bett im Kornfeld
Wer mit vernünftig wenig Gepäck auskommt, wird das Fahrzeug lieben. Für zwei Personen ist es ideal. Wir schätzen die grosse Raumdusche, das ebenso riesige wie bequeme Längsbett (optional stufenlos in der Höhe verstellbar), das bei offenen Hecktüren einen wunderbaren Blick in die Natur freigibt. Sind die hinteren Flügeltüren und die seitlichen Schiebetüren einmal geöffnet, bekommt man leicht das Gefühl, mitten in der Natur zu sein. Umgeben von Weizenfeldern geniessen wir unser «Bett im Kornfeld». Die Möglichkeit, die Flügeltüren im Heck vollständig zu öffnen, ist aus unserer Sicht denn auch das grosse Plus von Kastenwagen gegenüber integrierten oder teilintegrierten Fahrzeugen. Wer gerne autark unterwegs ist, schätzt die Dieselheizung, den grossen Frischwassertank sowie die Möglichkeit, das Fahrzeug mit zwei Lithium-Ionen Bordbatterien und einer Solaranlage auszurüsten.
Mit «Landvergnügen» ins Kloster
Auf unserer Fahrt mit dem Boxdrive halten wir uns an den Reise- und Genussführer «Landvergnügen». Das Buch ist eine wahre Schatzkiste. Darin finden sich über 1100 sorgfältig ausgesuchte Höfe in Deutschland, auf denen kostenlos übernachtet werden kann. Vorausgesetzt, man hat vorher den gedruckten Stellplatzführer mit Jahresvignette und Mitgliedskarte erworben. So stoppen wir auf unserer Reise von Norddeutschland zurück an den Bodensee im Kloster Habsthal, das auf eine 750-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die Klosterkirche St.Stephan zählt zu den besonders schönen Kleinoden an der Oberschwäbischen Barockstrasse. Die Priorin des Klosters, Schwester Kornelia Kreidler, empfängt uns. Noch immer staunen wir, dass wir mit unserem Camper direkt vor der Kirchentüre stehen dürfen. «Wir sind Benediktinerinnen. Da ist die Gastfreundschaft sprichwörtlich», sagt die Schwester.
Die Zusammenarbeit mit dem Camperführer «Landvergnügen» soll dazu beitragen, dass Menschen einen kleinen Einblick ins Klosterleben gewinnen können. Die Priorin freut sich, dass immer mehr Camper das Angebot nutzen: «Wir möchten, dass unsere Gäste etwas Gutes mitnehmen. Manchmal reichen halbstündige Begegnungen, um ein tiefes Gespräch zu führen. Den Campern wünsche ich, dass sie die Zeit und die Umgebung hier in Ruhe geniessen sowie Achtsamkeit für Natur und Menschen entwickeln. Und dass sie alles hinter sich lassen können, was sie bedrückt.» Für Menschen, die mehrere Tage oder Monate Stille suchen und sich neu orientieren möchten, stehen im Kloster sieben Zimmer zur Verfügung. Das Angebot wird in erster Linie von Frauen genutzt. Manchmal werden auch Männer aufgenommen.
Gegenwärtig leben im Kloster nur noch zwei Nonnen. Die Frage, wie es weitergehen soll, steht seit längerem im Raum. Schwester Kornelia Kreidler wünscht sich ein Aufblühen des klösterlichen Lebens. Aber sie ist auch für andere Möglichkeiten offen. Zu den Interessierten zählt Michaela. Nächstes Jahr will sie als Novizin in die Ordensgemeinschaft eintreten. Die promovierte Kirchenrechtlerin arbeitet gegenwärtig als Lehrbeauftragte und Anwältin. Bereits heute führt sie den Klosterladen, den sie im Vintage-Style gestaltet hat. Unter den zahlreichen Spezialitäten aus aller Welt finden wir den Lagrein Riserva aus der Klosterkellerei Muri-Gries. Zum Freundschaftspreis. Da müssen wir einfach zugreifen.
Text: Markus Weber
Technische Daten
MAN-Knaus Boxdrive 680 ME
– MAN TGE 35 Kasten HD Motor: 2,0 l TDI; Euro 6d-Temp; 103 kW / 140 PS (Testwagen: 177 PS mit 8-Stufen-Wandlergetriebe)
– Schlafplätze: 3
– Länge: 684 cm
– Breite (aussen/innen in cm): 204/172
– Höhe (aussen/innen in cm): 268/192
– Gewicht leeres Fahrzeug: 3112 kg
– Zulässige Gesamtmasse: 3500 kg
– Zuladung: 388 kg
– Frischwassertank: 110 Liter
– Radstand: 449 cm
– Testverbrauch: 11 Liter Diesel
– Preis: ab 64726 Euro
knaus.com
Gut zu wissen
Informationen zu den aktuellen Reiserestriktionen und Bestimmungen auf Stell- und Campingplätzen in deutschen Bundesländern: freeontour.com oder adac.de
Reise- und Genussführer «Landvergnügen»: landvergnuegen.com
Informationen zum Benediktinerinnenkloster Habsthal: kloster-habsthal.de