Fernab vom bunten Partyleben, dem Glücksspiel und den grossen Ressorts der Hauptinsel Nassau geht es auf den Out Islands der Bahamas ruhig und natürlich zu und her.
Kaum hat die kleine Propellermaschine von Western Air ihre Flughöhe er – reicht, setzt der Pilot auch schon zum Landeanflug auf Congo Town im Süden der Insel Andros an. Selbst erfahrene Weltenbummler zucken in diesem Moment wohl mit den Schultern – so geheimnisvoll und unbekannt erscheint diese besondere Schatzkiste der Bahamas. Andros Island ist ein tropisches Naturparadies von ungeahnter Schönheit. Nur rund 7000 Einwohner verteilen sich auf der riesigen, 6000 Quadratkilometer grossen Inselgruppe der Out Islands. Und natürlich weiss die lokale Bevölkerung nur allzu gut, was für einen besonderen Flecken Erde sie hier hütet. Die reichen Fischgründe machen Andros Island bereits seit Jahrzehnten zu einem wahrgewordenen Traum für Sportfischer aus aller Welt. Doch von den gut 150 mysteriösen Blue Holes im Inselinneren, dem drittgrössten Randbarriere-Riff der Welt an der Ostküste oder dem gigantischen West Side Nationalpark ist in Europa bisher nur wenig bekannt.
Was aus der Luft noch wie eine langgestreckte Landmasse wirkt, erweist sich am Boden dann schnell als stark zerklüftete Buschlandschaft mit Mangroven und trockenen Karstgebieten, durchzogen von Hunderten Binnengewässern und Bachläufen. Eine Welt in Grün und Blau – ein ideales Ziel für alle, die der Zivilisation für eine Weile entfliehen möchten. «Willkommen im Paradies! » South Andros liegt noch im wohligen Dämmerschlaf, als der Kapitän den Motor des kleinen Schnellbootes drosselt und seine Passagiere am Anleger des Tiamo Resorts absetzt. Während zwei Fischreiher unter Palmen nach der ersten Beute des Tages suchen, eilt Manager Wilfried Vincent mit offenen Armen und einem breiten Grinsen herbei: Mit einem «Welcome to paradise» begrüsst er die Neuankömmlinge in seinem tropischen Reich – der Mann weiss genau, wovon er spricht. Die französisch-polynesische Frohnatur hat schon viel gesehen von der Welt und sorgt mit einem hohen Mass an Achtsamkeit und Herzlichkeit für die perfekte Balance an diesem schon auf den ersten Barfussschritten beeindruckenden Ort. Selbst «National Geographic» war so begeistert, dass die elf Villen und zwei Cottages, viele davon mit privatem Pool, in die handverlesene Sammlung der «Unique Lodges of the World» aufgenommen wurden. Hervorragende Küche, exzellenter Service und Sonnenuntergänge wie aus den kitschigsten Hollywoodfilmen bilden die perfekte Kulisse für das absolute Verwöhnprogramm. Trotz – oder gerade wegen – der vielen Auszeichnungen geht es im Resort ausgesprochen unprätentiös zu. «No news, no shoes» könnte entlang des malerischen Strandes fast zum Lebensmotto werden.
Aller Gelassenheit zum Trotz lohnt es sich, das schmucke Resort für die eine oder andere Erkundungstour zu verlassen. Neben einer begleiteten Wanderung durch die angrenzenden Mangroven oder einem Schnorchel- bzw. Tauchgang an den vorgelagerten Korallenriffen gehört vor allem ein Bootsausflug zur spektakulären West Side von Andros Island zum Pflichtprogramm. Begegnungen mit Zitronenhaien, Adlerrochen, Delfinen und Meeresschildkröten sind bei einem Besuch hier fast garantiert. Mit etwas Glück sind an den Uferbereichen sogar grosse Leguane und die seltenen Kuba-Flamingos zu beobachten. Riesige Flächen von Andros Island wurden von der Regierung bereits unter Naturschutz gestellt, um die einzigartige Flora und Fauna zu erhalten. In Zukunft soll der Fokus verstärkt auf kleinen, verantwortungsbewussten Unterkünften und einem nachhaltigen Tourismus in der Region liegen.
Schönes Verkehrsnadelöhr
Auch auf Eleuthera und Harbour Island, einer östlich von Nassau gelegenen Inselgruppe der Out Islands, weiss die Natur mit jeder Menge Highlights aufzuwarten. Vom durchaus dörflich anmutenden Flugplatz auf Eleuthera ist es nur eine kurze Fahrt vorbei an Ananasplantagen und traumhaften Sandstränden zum vielleicht atemberaubendsten Verkehrsnadelöhr der westlichen Hemisphäre: der Glass Window Bridge. Sie verbindet am schmalsten Punkt der Insel die beiden vermeintlichen Landmassen und gibt einen schier unvergleichlichen Blick frei. Zur Rechten tost der tiefblaue raue Atlantik, zur Linken schwappt in aller Ruhe das türkis funkelnde Wasser der karibischen Bucht von Eleuthera. Kurze Zeit später weist ein unscheinbares Schild den Weg nach Queen’s Bath, das von den Einheimischen auch scherzhaft als heisse Quelle bezeichnet wird. In Wahrheit hat der Atlantik über die Jahrhunderte kleine Pools in die Felsen geschliffen, in denen sich das Wasser in der Mittagssonne erhitzt.
Eine willkommene Abkühlung hält der Ananasverkäufer am Strassenrand bereit. Ohnehin ist die Ananas quasi allgegenwärtig und reicht von der Türdekoration bis hin zur Bezeichnung der hiesigen Fluggesellschaft (Pineapple Air). Dennoch käme wohl kaum jemand auf die Idee, dass Eleuthera im 18. Jahrhundert als Exporteur für diese tropische Frucht tatsächlich den Weltmarkt dominierte. Heute sind nur noch Überreste dieser Blütezeit auf der Insel zu finden und die meisten Plantagen haben ihre Arbeit längst eingestellt. Der Tourismus verspricht – zumindest in unbeschwerten Zeiten ohne Pandemie – die besseren Aussichten. Luxuriöse Boutique-Hotels wie das pittoreske The Cove Resort zwischen zwei Badebuchten locken vor allem eine gut betuchte Klientel nach Eleuthera. «Low volume, high value», sagt man vor Ort: Statt Besuchermasse setzt man lieber auf Klasse und schont damit die fragilen Ressourcen der Umgebung.
Wo Lenny Kravitz Milch kauft
Bei einer Erkundungstour stösst man daher nicht nur auf unzählige Sehenswürdigkeiten, sondern bekommt auch einen unverfälschten Eindruck vom Leben der lokalen Bevölkerung So sind es neben all der natürlichen Schönheit vor allem die vielen herzlichen Begegnungen, die eine Bahamas-Reise so besonders machen. Die beiden Tankstellenwärter, die voller Stolz erzählen, dass Lenny Kravitz erst letzte Woche bei ihnen Milch gekauft hat. Das geschwätzige Seniorenpärchen, das uns kurzerhand zu einem leckeren Kalik-Bier auf ihre Terrasse einlädt. Oder der Mechaniker am Flughafenparkplatz, der unseren zugesagten Mietwagen zwar ebenfalls nicht finden kann, uns aber nach einem Telefonat kurzerhand seine Schlüssel in die Hand drückt: «Lasst das Auto bitte bei der Abreise einfach an der Fähre stehen.»
Pinkfarbene Strände
Mit besagter Fähre geht es hinüber zur Schwesterinsel Harbour Island, wo ein winziger Einzeller namens Foraminifera je nach Sonneneinstrahlung für eine pinkfarbene Färbung der Strände sorgt. Dieses Phänomen sichert dem berühmten Pink Beach Jahr für Jahr einen Platz auf den Listen der weltschönsten Strände. Auch sonst warten viele weitere charmante Besonderheiten auf der kleinen Insel, die sich durch ihre pastellfarbenen Häuschen, unzählige Boutiquen und gleich zwei «Marinas» zum beliebten Rückzugsort der Reichen und Schönen gemausert hat. So reiht sich in den kleinen Häfen eine Superyacht an die nächste. Dennoch geht es weit unprätentiöser zu, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Shorts, Poloshirts und Flipflops bestimmen in den Bars an der Waterfront das Bild. Teure Luxusschlitten sucht man in den farbenfrohen Gassen vergeblich; stattdessen kurven mehr als 800 Golf Carts über die Insel. Die kurzweiligen Fortbewegungsmittel werden für einen geringen Tageskurs an Touristen vermietet. Und am Ende passt auch diese charmante Skurrilität ganz wunderbar zu den Bahamas, deren Inseln wirklich alles sind – ausser eintönig und gewöhnlich.
Text: Alex Mirschel
Gut zu wissen
Anreise: Mit Swiss über die USA, zum Beispiel via Miami, oder mit British Airways über London Heathrow direkt nach Nassau. Von dort geht es mit lokalen Fluggesellschaften weiter. Alternativ gibt es von Nassau aus Fähren nach Andros und Eleuthera. Auch Postschiffe verbinden Nassau mit den bewohnten Inseln.
Reisen in Zeiten von Corona: Die aktuellen Covid-19-Bestimmungen sind zu finden unter: bahamas.com/de/tourism-reopening
Einreise: Schweizer benötigen für einen touristischen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen kein Visum. Nötig sind ein Weiter- oder Rückflugticket sowie ein Reisepass, der noch mindestens 6 Monate gültig ist. Sprache und Währung: Die Landessprache ist Englisch, bezahlt wird mit Bahamas-Dollar, der dem US-Dollar entspricht. Er ist in den USA aber nicht als Zahlungsmittel anerkannt.
Informationen: bahamas.com