Die blaue Lagune bei Reykjavik lockt zum Baden. (Bild: iStock)
Für Naturfreunde und Outdoor-Fans warten auf Island einzigartige Abenteuer in spektakulären Landschaften. Zur Entspannung geht es danach ins dampfende Thermalwasser.
Wenn das bloss die Trolle und Elfen nicht erzürnt! Den Naturgeistern dürfte es ganz und gar nicht gefallen, wie der Geländewagen durch das Lavagestein und eisige Gebirgsbäche rattert. Bei einer Jeep-Tour durch den wilden Vatnajökull-Nationalpark geht es rau zu. Die von Feuer und Eis geformte Landschaft bietet überall einzigartige Aussichten. Majestätisch erhebt sich der Herðubreið über das Geröll. Wegen seiner Erscheinung als Tafelberg wird der Vulkan auch Königin der Berge Islands genannt. Der Gigantin zu Füssen stürzen tosende Wasserfälle in tiefe Schluchten. Auf dem Gebirgsmassiv von Dyngjufjöll ragen bizarre Felsen wie erstarrte Berggeister aus den Lavafeldern. Die Isländer erzählen gerne von Elfensteinen und erbosten Trollen, die sich an Strassenbauarbeitern rächen, welche die Riesen verschieben möchten. Am Ende ist sich auch so mancher abgeklärte Zentraleuropäer nicht mehr sicher, ob durch das isländische Hochland vielleicht nicht doch das Huldufólk spukt. So nennen die Isländer ihre unsichtbaren Naturgeister. Etwa die Hälfte der Inselbewohner soll an sie glauben. Also besser die Trolle und Elfen gar nicht erst vergrämen, indem man sich statt mit dem Jeep zu Fuss aufmacht in die spektakuläre Bergwelt Islands. Beim Ausblick auf den eisblauen Öskjuvatn-See stockt Wanderern der Atem.
Eine Riesin, die Kinder verschlingt
Wer es nicht unbedingt so abenteuerlich braucht, der findet auch in der Nähe der asphaltierten Küstenstrasse, die ganz Island umringt, überall kleine und grosse Wunder der Natur. Besucherinnen und Besucher sollten sich von mindestens einem der zahllosen Wasserfälle wie dem mächtigen Gullfoss oder dem äusserst fotogenen Seljalandsfoss ins Staunen versetzen lassen. Auch die fauchenden Geysire wie der recht zuverlässige Strokkur, der etwa alle zehn Minuten in die Höhe zischt, gehören zum Pflichtprogramm. Im Norden lockt der idyllische Mývatn-See Vogelbeobachter und Wellness-Fans. Im Thermalbad Jarðböð mit einer künstlich angelegten, aber auf natürliche Weise beheizten Lagune lässt es sich besonders gut entspannen – vor allem nach einer Wanderung in der Umgebung. Nicht weit von hier liegt Dimmuborgir. Die bizarre Lavalandschaft ist nach isländischer Tradition Heimat von Naturgeistern.
«Natürlich glaube ich an Elfen und Trolle», sagt Sólveig Bennýjar-Haraldsdóttir. Allein wegen ihres Berufs muss sie das. Denn die Isländerin führt ausländische Gruppen zu den verwunschenen Stätten in der Umgebung von Akureyri, der Hauptstadt des Nordens. «Wer Island wirklich erleben will, erfährt auch viel über seine Sagen und Brauchtümer», sagt sie. Gerade begleitet sie eine Gruppe durch den von windschiefen Birken durchsetzten Wald von Höfði nahe des Mývatn-Sees. Mit ihren Erzählungen über die Riesin Grýla jagt Sólveig ihren Zuhörerinnen und Zuhörern gerne einen Schauer über den Rücken. «Sie wohnt mit ihrem Mann Leppalúði in einer Höhle in den Bergen. Grýla ist immer auf der Suche nach unartigen Kindern, die sie in einer süffigen Suppe kocht. Die sind ihre Leibspeise. Daher kennt sie jedes Kind in Island.» Vom Geisterwald nach Dimmuborgir ist es nur eine halbe Stunde zu Fuss. Der Tradition nach wohnen Trolle um das Lavafeld, das in deutscher Sprache «Dunkle Burgen» bedeutet. In das schwarze Gestein haben die Wichtel Grotten, kreisrunde Fenster und spitze Zwergentürme gehauen. Die Geologen haben eine weniger fantasievolle Erklärung für ihre Entstehung. Die versteinerten Kamine und Wände aus erstarrter Lava sind das Ergebnis eines Vulkanausbruchs vor etwa 2000 Jahren.
Drehort von Blockbustern
Die Umgebung von Dimmuborgir hat sich mittlerweile auch unabhängig von den vulkanischen Aktivitäten zum Hotspot entwickelt. In den letzten zehn Jahren war die unwirkliche Gegend Drehort für eine Reihe von Hollywood-Blockbustern wie «Oblivion» mit Tom Cruise, «Noah» mit Russel Crowe oder «Star Wars». Im Fantasy-Epos «Game of Thrones» ist das alte Sagenland das «eisige Land jenseits der Mauer». «Der Hype hat dafür gesorgt, dass die Region plötzlich einen richtigen Besucheransturm erlebt», sagt Sólveig. Für Fans fährt Sólveig zum Námafjall-Vulkangebiet, wo heisse Schlammtöpfe brodeln und weisse Dampfwolken aus dem Boden quellen. Ein Sumpf aus Schwefel und Rauchschwaden – kein schlechter Ort für Macher der Erfolgsserie, um ihre Weissen Wanderer auferstehen zu lassen. In der schimmernden Thermalgrotte Grjótagjá nicht weit davon findet man schliesslich den Drehort, wo Jon Snow Ygritte verfällt.
Man muss indes kein Freund von Blockbustern und Fantasy-Epen sein, um den wilden Norden zu lieben. Mancher Reisende kommt hierher, um sanften Riesen zu begegnen. Vom Hafenort Húsavík aus brechen Gruppen für Walbeobachtungstouren auf, um Buckel- und Minkwale zu sichten. Wer den Giganten der Nordmeere im lautlosen Elektroboot näher kommt, wird ihre Anmut und ihre Schönheit nie wieder vergessen. Es braucht keine Elfen, Trolle und Riesen – schon gar keinen Hollywood-Glamour – um in Island gigantische Tage zu verbringen. Dem wahren Entdecker genügt die grossartige Natur der Insel aus Feuer und Eis ganz allein.
Text: Winfried Schumacher