Der Karneval ist ein Highlight im Jahr. Bild: Aruba Tourism Authority
Die Karibik öffnet sich wieder für Gäste aus aller Welt. Auf Aruba, Bonaire und Curaçao finden Besucher alles, was zu einer farbenfrohen Auszeit auf den Antillen gehört.
Viel bunter kann es eigentlich kaum noch werden. Gerade erst auf der Insel gelandet, versetzt ein Bummel durch die Altstadtgassen von Willemstad den Neuankömmling aus dem grauen Europa sogleich in eine Welt in Zitronengelb, Hibiskusrot und Kobaltblau. Die Bewohner Curaçaos lieben heitere Farben aller Art und streichen ihre Fassaden schon aus karibischer Tradition von Pastell bis Knallbunt. Wände, Treppen und Türen in allen erdenklichen Farbtönen sind hier in Mode. Das historische Stadtzentrum um den natürlichen Hafen steht seit 1997 auf der Liste des Unesco-Welterbes. Unbedingt sehenswert sind in der Altstadt die 1769 erbaute Fortkirche hinter den dicken Mauern der Amsterdam-Festung und die 1732 geweihte Mikve Israel-Emanuel. Es ist die älteste Synagoge der Neuen Welt, die immer in Betrieb war, in der bis heute Schabbat gefeiert wird.
Einheimische und Gäste schlendern im historischen Stadtteil Punda mit vollgepackten Einkaufstaschen durch die engen Strässchen, vorbei an feinen Boutiquen und übervollen Souvenirständen. Aus frisch getünchten Gassen schallt Salsa und Calypso. Ein Mann mit zwei grellgrünen Leguanen auf der Schulter posiert für die Kameras amerikanischer Kreuzfahrerinnen.
Willemstad ist ein besonders beliebter Anlaufpunkt für die Giganten unter den schwimmenden Hotels. Weil sich die der Küste Venezuelas vorgelagerten ABC-Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao ausserhalb des berüchtigten Hurrikangürtels befinden, legen hier ganzjährig Kreuzfahrtschiffe an. Vor allem dank zahlreicher Direktflüge aus den USA sind auch die Badeferiengäste zurück. Heute herrscht an den berühmten Bilderbuchstränden wie Arubas blendend weissem Eagle Beach fast wieder touristischer Alltag.
Bunte Inselparaden
1954 erhielt die ehemalige Inselkolonie innere Autonomie unter der niederländischen Krone. 2010 wurden die Niederländischen Antillen aufgelöst. Curaçao und Aruba sind jetzt eigenständige Länder ohne äussere Souveränität innerhalb des Königreichs, Bonaire eine sogenannt «Besondere Gemeinde» der Niederlande. Die Inseln verbindet neben ihrer kolonialen Vergangenheit vor allem die Kreolsprache Papiamentu, die – neben Niederländisch – auch Amtssprache ist. Sie entstand aus einer Verschmelzung des Portugiesischen, Spanischen, Holländischen und Englischen mit afrikanischen Sprachen, die einst die Sklaven untereinander nutzten.
«Wir müssen die Traditionen unserer Vorfahren bewahren», sagt Mirugia Ignecia und wippt hinter ihrer Singer-Nähmaschine schwungvoll mit dem wuchtigen Oberkörper. Aus einer Ecke ihrer Schneiderstube tönen Seú-Rhythmen, die traditionelle Musik für die vielen Feste auf Curaçao. Was einst die Musik der Sklaven war, ist heute eine Modebewegung zum Wirbel der Chapi-Trommeln und dem blechernen Tremolo der Agan-Instrumente. Bei Ignecia türmen sich die Farben. Garnspulen, Stoffbahnen und Tuchrollen rahmen das fröhliche Durcheinander. Die bunten Kostüme, die sie entwirft, wurden immer wieder mit Preisen ausgezeichnet und haben die dicke Mama Mirugia auf der ganzen Insel bekannt gemacht. Mit ihren Kostümkreationen für die zahlreichen Inselparaden ist der kleine Familienbetrieb von Ignecia fast das ganze Jahr beschäftigt. «Hier gibt es längst nicht nur zum Karneval etwas zu feiern», sagt die Schneiderin, «eigentlich gibt es auf Curaçao immer einen Anlass, sich in Schale zu werfen.»
In einem alten Fotoalbum hat sie die meisten ihrer Kostümentwürfe gesammelt. «Dieses hier stammt wohl aus dem 17. Jahrhundert», sagt Ignecia und deutet auf das Foto einer Frau mit blauem Kleid, blauem Hut und blauem Fächer. «Ich habe es in einer Enzyklopädie entdeckt. Früher trug man solche Rüschenkleider. Sie stehen den Frauen heute noch.»
Tourismus als wichtigster Wirtschaftszweig
Von Willemstad aus geht es über die Königin-Juliana-Brücke in den wilden Westen der Insel. Fast 60 Meter über dem Meer blickt man über die Dächer der Altstadt und über die Erdölraffinerie auf der anderen Seite des Hafens. Schmale Strassen führen zu versteckten Buchten und blauen Grotten. Mannshohe Kakteen säumen die Wege und verstellen den Blick auf die Boca Ascencion, wo Meeresschildkröten im lauen Wasser plantschen. Mit fast 450 Quadratkilometern ist Curaçao die grösste der ABC-Inseln. Wie auf der weiter westlich gelegenen Nachbarinsel Aruba haben die Erdölraffinerie und die Lagerung von Rohöl aus Venezuela längst ihre Bedeutung verloren. Nachdem die Anlagen seit den 1990er-Jahren weitgehend stillgelegt wurden, haben sich die Korallenriffe langsam von den Folgen der Ölindustrie erholt. Heute gilt der Tourismus als wichtigster Wirtschaftszweig und neben Badegästen entdecken auch immer mehr Taucher die ABC-Inseln. Vor allem Bonaire ist für seine farbenprächtigen Riffe bekannt, die zu den schönsten der Karibik zählen. Auf Aruba lockt das Wrack des im Zweiten Weltkrieg versenkten deutschen Frachters Antilla viele Schnorchler und Taucher an. Heute tummeln sich hier grellbunte Fischschwärme und Schildkröten.
Hängematte für Jungpflanzen
Als Ende des 15. Jahrhunderts die Spanier die Inseln entdeckten, waren die Eilande bereits seit Jahrhunderten von Arawak-Indianern besiedelt. Da die Spanier weder Gold noch Silber fanden und den von Kakteen, Agaven und Dornsträuchern überwucherten Boden für landwirtschaftlich unrentabel hielten, schenkten sie ihnen wenig Beachtung. Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die Niederländische Westindien-Kompanie Besitz von den Inseln und baute die wichtigste Siedlung Willemstad zu einer der bedeutendsten Hafenstädte im gesamten karibischen Raum aus. Der Freihafen wurde zum Handelszentrum für aus Afrika verschleppte Sklaven. Hier wurden diejenigen, welche die wochenlangen Seereisen überlebten, aufgepäppelt, um auf den karibischen Sklavenmärkten als profitable Arbeitskräfte verkauft werden zu können. Für die feine Gesellschaft Amsterdams verluden die Neuankömmlinge im Willemstader Hafen Luxusgüter aus den amerikanischen Kolonien: Zucker, Tabak und Indigo. Die Kultur der indigenen Urbevölkerung, ihr jahrhundertealtes Wissen über die Tiere und Pflanzen der Inseln, war schon damals weitgehend in Vergessenheit geraten. «Wir müssen das Interesse junger Menschen für die Natur wecken», sagt Dinah Veeris, «nur so können wir verhindern, dass das Wissen unserer Ahnen verloren geht.»
Zwischen Shoppingtour und Tauchausflug machen gestresste Curaçao-Besucher gerne in Veeris’ Kräutergarten «Den Paradera» Station. Denn hier – glaubt man der Eigentümerin – wächst eine ganze Reihe Kräuter gegen Zivilisationskrankheiten wie Stressattacken und Depressionen. Für ihre Kräuter singt Veeris mit sanfter Stimme alte Volkslieder und wiegt junge Pflanzen in Hängematten – so wie es einst ihre indianischen Vorfahren taten, von deren Heilkunde die Kräuterfrau einiges in die Gegenwart gerettet hat. Seit 1981 hat Veeris in «Den Paradera» etwa 300 Heilpflanzen der Niederländischen Antillen gesammelt und kartiert. Für ihre Verdienste um Naturschutz und Traditionspflege erhielt sie eine Auszeichnung von Königin Beatrix persönlich. Bei Nervosität und Rastlosigkeit empfiehlt Veeris Tees, die sie aus den Blüten einer Pflanze aufbrüht, die auf Curaçao Skopet genannt wird und unter Botanikern als «Ruellia tuberosa» bekannt ist. «Wer Skopet-Tee trinkt, fühlt sich sogleich wie neu geboren», versichert Veeris «eine Blume für bewegte Zeiten.» Vielleicht ist der Tee der Kräuterfrau genau das richtige Reisemitbringsel bei der Rückkehr nach Europa.
Text: Winfried Schumacher
Gut zu wissen
Anreise: Zum Beispiel mit KLM (klm.com) per Direktflug ab Amsterdam nach Aruba oder Curaçao.
Unterkünfte: Das Bucuti & Tara auf Aruba ist eines der beliebtesten Resorts am berühmten Eagle Beach. Mit seinem konsequenten Nachhaltigkeitskonzept ist es Vorreiter in der Karibik. bucuti.com
Vom Pietermaai Boutique Hotel sind es zu den Sehenswürdigkeiten in der historischen Altstadt Willemstads nur wenige Gehminuten. pietermaaiboutiquehotel.com
Weitere Informationen: aruba.com, tourismbonaire.com, curacao.com