Noch liegen die Flotten ruhig in den Häfen, doch die Kreuzfahrtbranche hofft auf einen baldigen Neustart mit interessanten Routings und neuen Schiffen.
Silversea Cruises bekommt 2021 ein neues Schiff. Zurzeit liegt aber auch diese Flotte still. Bild: Silversea Cruises.
Das Wetter ist garstig, die Regierung hat einen Lockdown verhängt, Schottland steht auf den Quarantänelisten. Ausländische Besucher sind diese Tage wohl eher selten anzutreffen in Glasgow. Drei Gäste aber sind schon ungewöhnlich lange da, bleiben stoisch. Die Schiffe der amerikanischen Reederei Azamara Club Cruises, normalerweise auf den Weltmeeren unterwegs, in Afrika, Asien, Europa, Südamerika und der Karibik zu Hause, warten in Glasgow auf bessere Zeiten.
Seit März vergangenen Jahres, mit dem Beginn der Corona-Pandemie, steht die Kreuzfahrtenbranche weltweit praktisch still. Die schwimmenden Hotels, manche gleichen eher kleinen schwimmenden Städten, gemacht, um Ozeane zu überqueren, Tausende Gäste zu unterhalten und sie von einem Hafen zum nächsten zu bringen, liegen seit Monaten vor Anker. In kleineren und grösseren Häfen rund um den Globus verteilt, ruhen sie im Dornröschenschlaf. Ganz sich selbst überlassen sind die Schiffe nicht. Ein Minimalbetrieb ist notwendig, um im Schuss zu bleiben. Kleine Crews kümmern sich darum, dass die Leitungen benutzt, die Maschinen intakt, der Glanz erhalten bleibt. Doch die Schiffe sind nicht konzipiert für lange Pausen, sagt Cornelia Gemperle, Chefin von Kuoni Cruises: «Von null auf hundert lässt sich die Branche nicht einfach wieder hochfahren.» Wenn wieder Wind in die Segel des Kreuzfahrtentourismus bläst, muss ein Schiff nach dem anderen für technische Kontrollen und Wartung in die Werft. «Wenn die Reedereien wieder im grösseren Stil Reisen anbieten können, werden die Schiffe gestaffelt zurückkehren.» Wann dies der Fall sein wird, ist immer noch unklar.
Aida, Costa und MSC haben punktuell einen Neustart gewagt. Diese Woche mussten die nächsten Abfahrten aber wieder gestrichen werden. Die meisten Reedereien haben vor April, Mai gar keine Reisen mehr geplant. Grund sind vor allem die geschlossenen Häfen und immer wieder neue Bestimmungen in den einzelnen Ländern, wie beispielsweise das Beherbergungsverbot in Deutschland. «Es ist eine sehr herausfordernde Zeit für die Reedereien», sagt Cornelia Gemperle. «Viele haben in den vergangenen Monaten Kreativität gezeigt und immer wieder an neuen Reisen und Programmen gearbeitet. Allzu oft mussten diese dann wegen neuer Vorlagen aber leider wieder gestrichen werden. Oft erst kurz vor Abreise.»
Gelockerte Stornierungsbedingungen
Lohnt es sich so für die Kunden überhaupt, eine Kreuzfahrt zu buchen? Gemperle bejaht, wenn etwas Flexibilität vorhanden sei. «Bei uns gehen zurzeit vor allem Buchungen für 2022 oder 2023 ein. Wer von einer besonderen Kreuzfahrt auf einer exklusiveren Route träumt und eine bestimmte Kabine will, bucht ein- bis eineinhalb Jahre im Voraus. Das ist nicht aussergewöhnlich in unserem Bereich.»
Aber auch für den Sommer 2021 ist sie vorsichtig optimistisch. «Wir gehen davon aus, dass die Saison ab Mai, Juni startet und Kreuzfahrten im Sommer vor allem im Mittelmeer und in Nordeuropa möglich sein werden.» Der Kunde trage bei einer solchen Buchung zurzeit kein finanzielles Risiko. Fast alle Reedereien haben die Stornierungsbedingungen für 2021 gelockert, je nach Reederei kann einmal kostenlos umgebucht oder gar bis einen Monat vor Abreise gratis storniert werden. «Die Kunden verlieren kein Geld, wenn eine Reise nicht durchgeführt werden kann. Die meisten Unternehmen arbeiten mit zusätzlichen Extraleistungen und bieten dann für eine spätere Reise 10 bis 25 Prozent Reduktion in Form eines Upgrades oder einer teureren Kreuzfahrt an», erklärt Gemperle.
Interessante Routings
Auch wenn unsicher bleibt, ob die ausgeschriebenen Reisen durchgeführt werden können, dürften 2021 wieder mehr Fans aufs Meer ziehen. Nicht nur, weil die Sehnsucht nach Seeluft, dem Unterwegssein und einem Tapetenwechsel inzwischen stark nagt. Die Reedereien haben ihre Schutzkonzepte in den vergangenen Monaten laufend angepasst und verbessert, und die Krise hat erfinderisch gemacht, was die Routings betrifft. Die französische Reederei Ponant beispielsweise blieb im Sommer 2020 kurzerhand zu Hause und kreuzte für einmal ausschliesslich an der Küste Frankreichs und Korsikas. Mit so grossem Erfolg, dass die Reisen auch dieses Jahr wieder aufgelegt werden. Verschiedene Reedereien hätten dieses Jahr mehr kleine Häfen statt nur die grossen, altbekannten auf dem Programm, sagt Cornelia Gemperle. Und weiter: «SeaDream wagt sich wieder ins Schwarze Meer, das aufgrund des Ukraine-Konfliktes lange Tabu war. Diese beiden Reisen finden allerdings erst im Sommer 2022 statt.» Auch die Ausflüge wurden angepasst: Hapag-Lloyd Cruises hat den Stadtrundgang in Kopenhagen auf die Zodiacs verlegt, damit die Gäste unter sich bleiben.
Eine grosse Zahl neuer Schiffe
Mehr noch als die Routings dürften aber die neuen Schiffe reizen. Um die vierzig werden es sein. Einen Teil davon haben die Werften bereits im vergangenen Jahr an die Reedereien ausgeliefert, aber die Schiffe konnten noch nicht eingesetzt werden. Auffallend ist, dass 2021 viele kleinere Schiffe, vor allem auch aus dem Expeditionsbereich, zu den Flotten stossen. Cornelia Gemperle von Kuoni Cruises rechnet damit, dass Expeditionskreuzfahrten durch die Corona-Pandemie für viele Kunden noch attraktiver werden: «Die Schiffe bieten Platz für zwischen 200 und 300 Personen, sind also bedeutend kleiner. Zudem fährt man bei Landausflügen mit Zodiacs an unbewohnte Strände und Naturstriche und begegnet meist keinen anderen Menschen. Man ist unter sich.»
Auch wenn die Anzahl neuer Schiffe erstaunt – der monatelange Stillstand hat ebenso zu Anpassungen bei den Flotten geführt. Von den global rund 400 Schiffen sollen 2020 knapp 40 Schiffe ausgemustert worden sein. Einige wurden verkauft, andere verschrottet. Die letzte Station ist dann oft Aliaga in der Türkei, die Abwrackwerft.
Text: Stefanie Schnelli
Interessante neue Schiffe – eine Auswahl
Holland America Line bringt im Sommer die Rotterdam auf den Markt, die Enchanted Princess stiess noch Ende letztes Jahr zur Flotte von Princess Cruises. Carnival Cruise Line führt mit der Mardi Gras ihr erstes LNG-betriebenes Schiff ein. Royal Caribbean International stellt mit der Odyssey of the Seas für 4000 Passagiere ein weiteres Schiff ihrer Quantum Ultra Class vor. Silversea Cruises bekommt mit der Silver Dawn ein neues Flaggschiff für rund 590 Passagiere, die Silver Moon wurde vor kurzem eingeführt. MSC erwartet dieses Jahr mit der MSC Virtuosa und der MSC Seashore gleich zwei neue Flottenmitglieder. Gleich wie Costa Kreuzfahrten, die mit der Costa Firenze aufwarten und dieses Jahr noch die Costa Toscana erhalten. Und nach Jahren des Wartens soll Sea Cloud 2021 nun ihr drittes Schiff erhalten: den Dreimaster Sea Cloud Spirit. Im Expeditionsbereich wird die Seabourn Venture als erstes explizites Expeditionsschiff von Seabourn Cruises mit Spannung erwartet. Gleich hohe Erwartungen schürt Le Commandant Charcot von Ponant, der luxuriöse Eisbrecher mit LNG-Betrieb und eigenem Helikopter an Bord. Nach der Hanseatic Nature und der Hanseatic Inspiration plant Hapag-Lloyd Cruises, mit der Hanseatic Spirit die dritte der drei Schwestern zu begrüssen.