Die Sehnsucht zu reisen ist gross. Das zeigt eine Umfrage von DER Touristik Suisse. Kuoni und die Spezialisten aus dem Haus rechnen mit einem Nachholeffekt. «Allerdings mit neuen Bedürfnissen», sagt Andre Plöger, Vice President von DER Touristik Suisse.
Herr Plöger, die Corona-Pandemie hat die Reisebranche weltweit praktisch lahmgelegt. Wie geht es Kuoni?
Natürlich stellt uns die Krise vor grosse Herausforderungen und beeinflusst unser Geschäftsergebnis mindestens in den Jahren 2020 und 2021 erheblich. Dennoch darf ich sagen, dass Kuoni und ihre Schwestermarken im Haus von DER Touristik Suisse wirtschaftlich stabil geblieben sind und dies auch bleiben werden. Wir begegnen der Situation entschlossen und haben uns so aufgestellt, dass wir gestärkt aus dieser Krise finden können. Natürlich ist auch unsere Einbindung in ein sehr grosses, diversifiziert aufgestelltes Unternehmen wichtig. Ein Glücksfall, dass Kuoni die deutsche REWE-Gruppe im Rücken hat.
Wäre ein Überleben ohne die starke Mutter überhaupt möglich gewesen?
Es steht fest, dass wir ohne starkes Mutterhaus im Rücken zur Deckung der Liquidität Kredite hätten aufnehmen müssen – schliesslich haben wir zeitnah alle an uns gestellten Kundenforderungen für nicht durchführbare Reisen zurückgezahlt, während wir teilweise noch heute auf die Rückzahlung dieser Beträge durch Fluggesellschaften oder Reedereien warten. Wir sind froh, dass wir diese Zins- und Tilgungsbelastung nicht tragen müssen.
Wie blicken Sie auf das Jahr 2020 zurück? Welche Lerneffekte gab es? Was hat Sie besonders beeindruckt? Oder aufgeregt?
Der Buchungsstand war im Januar noch sehr erfreulich, zwei Monate später sahen wir uns mit einem De-facto-Berufsverbot konfrontiert, das wir infolge des hohen Aufwandes durch Stornierungen nur bedingt mit Kurzarbeit kompensieren konnten. Als sich die Lage im Sommer entspannte, «ordnete» der Bundesrat Schweizferien an und machte Auslandsreisen mit Quarantäneregeln unattraktiv, die nichts zur Eindämmung der Pandemie beitragen konnten. Und dann kam die zweite Welle… Beeindruckt hat mich, wie unsere Mitarbeitenden am Anfang der Krise die Kunden aus allen Teilen der Welt sicher und gesund in die Schweiz zurückgeholt haben und wie sie um die Ferienerlebnisse unserer Kundinnen und Kunden gekämpft haben. Das Learning ist, dass die Reisebranche wohl krisenanfällig ist, aber auch eine Branche, der die Kunden stets treu bleiben werden.
Denken Sie, dass die Corona-Pandemie das Reiseverhalten der Menschen langfristig verändern wird? Wenn ja, inwiefern? Was könnten die Trends sein, wenn Reisen wieder unbeschwert möglich ist?
Aktuell beschäftigen wir uns sehr stark mit der Frage, wie sich das Reiseverhalten in der Zukunft ändern wird. Gibt es ein Zurück zum «Old Normal»? Oder wird die Krise dauerhaft Einfluss haben? Die für uns gute Nachricht lautet zunächst, dass die Menschen auch in der Zukunft reisen wollen. 54 Prozent aller Menschen im DACH-Raum würden sofort verreisen, wenn die Reiserestriktionen aufgehoben werden. 74 Prozent aller Menschen wollen in Zukunft gleich viel oder sogar mehr für private Reisen investieren als in der Vergangenheit. Sobald Impferfolge erreicht, Reisebestimmungen international harmonisiert und Einreiserestriktionen aufgehoben sind, wird es zu einem Nachholeffekt kommen. Viele Studien zeigen, dass die Themen Sicherheit und Flexibilität bei der Reise sehr stark an Bedeutung gewinnen werden. Insbesondere verlässliche Destinationsinformationen, sichere Reisestandards und technologische Lösungen für sicheres Reisen. Eine leistungsstarke Reiseversicherung gewinnt an Bedeutung. Daneben glauben wir, dass es auch bei den Reisedestinationen zu einer partiellen Verschiebung kommt. Nachhaltiges Reisen sowie Reisen, bei denen Sport, Gesundheit und Wellness im Vordergrund stehen, werden an Bedeutung gewinnen. Weg vom Overtourism, hin zum besonderen, einzigartigen Erlebnis. In vielen Branchen hat die Corona-Krise zu einem regelrechten Digitalisierungsschub geführt. Dieser hatte in der Reisebranche bekanntlich schon lange vorher eingesetzt.
Was hat sich aber in der aktuellen Krise im Bereich der Digitalisierung noch verändert oder beschleunigt?
Wir sind überzeugt, dass qualifizierte Reiseberatung auch in Zukunft sehr stark nachgefragt werden wird. Hier können wir die Digitalisierung für uns nutzen. Nach einer erfolgreichen Testphase mit sehr zufriedenen Kunden werden wir die virtuelle Videoberatung mit unseren Reiseexperten Ende Januar in der ganzen Schweiz ausrollen. Weitere wichtige Errungenschaften in der jüngsten Vergangenheit sind ein neues Tool für die massgeschneiderte Kreation von Rundreisen und der Sprung unserer Mitarbeitenden ins Zeitalter von Smart Work. Ende Januar veranstaltet Kuoni an drei Abenden digitale Kundenevents mit Vorträgen und Gremiumsdiskussionen.
Was erhoffen Sie sich vom Event?
Vorfreude ist die schönste Freude. Wir spüren, dass die Sehnsucht nach Reisen bei unseren Kunden gross ist. Dass sich die Pandemie im Laufe des Jahres durch Impferfolge eindämmen lässt, erlaubt mindestens, sich für die nächste Reise inspirieren zu lassen.
Befürchten Sie nicht, dass Ihre Kunden schon etwas videomüde sind und nicht mehr so gut auf solche virtuelle Anlässe ansprechen?
Wir hätten uns auch über ein Wiedersehen mit unseren (potenziellen) Kundinnen und Kunden gefreut. Das ist im geplanten Rahmen leider aktuell nicht möglich. Und für unsere Zwecke – Inspirieren und Informieren – eignen sich über Bildschirme präsentierte Inhalte sehr.
Spüren Sie bei den Kunden, nach all den Zoom- und Onlinemeetings, die jeder erlebt hat in den vergangenen Monaten, ein stärkeres Bedürfnis nach analogen Dingen wie zum Beispiel einem schön gestalteten, informativen Katalog? Erlebt der gute alte Reisekatalog seine Renaissance?
(Lacht) Die kann er nicht erleben, da er auch vor der Pandemie eine wichtige Quelle für unsere Kundinnen und Kunden war. Aber es ist schon richtig: Bei aller Digitalisierungs-Notwendigkeit und gerade angesichts der Pandemie bewegt sich die Reisebranche in einem Umfeld, in dem der persönliche Kontakt, das Beratungsgespräch mit dem Reiseexperten und auch ein gleichermassen informativer wie Fernweh auslösender Katalog wichtig bleiben.
Wohin werden Sie als Erstes reisen, wenn es wieder ohne Bedenken möglich ist? Was hat Ihnen am meisten gefehlt?
Ich werde mit meiner Familie an die Pazifikküste der USA reisen. Am meisten im letzten Jahr hat mir nämlich die Freiheit zu reisen sowie Sand unter den Füssen und das Meeresrauschen gefehlt. Beides kann ich dort gut kombinieren.
Interview: Markus Weber
Zur Person
Andre Plöger, 48 Jahre alt, ist seit 2017 als Vice President bei DER Touristik Suisse verantwortlich für Unternehmensentwicklung und Marketing. Vorherige berufliche Stationen waren alltours (Direktor Marketing und Vertriebsunterstützung) und Swiss Life Deutschland (Direktor Marketing und Kommunikation). dertouristik.ch; kuoni.ch