Die riesige «Seaside» der Reederei MSC Cruises ist den ganzen Sommer im westlichen Mittelmeer unterwegs und steuert sechs Städte in drei Ländern an.
Die «Seaside» von MSC gleitet im morgendlichen Sonnenlicht Meter für Meter in den Hafen von Genua. Ein Hafen, den schon der berühmteste aller Seefahrer nutzte: Christoph Kolumbus. Genua ist schliesslich seine Geburtsstadt. Für die «Seaside» erscheint der Hafen fast zu klein. Doch Kapitän Pier Paolo Scala gelingt das Kunststück, sein riesiges Schiff im Hafenbecken millimetergenau zu wenden, so dass der Bug auslaufbereit hinausschaut aufs offene Meer, als ob es das Schiff kaum erwarten kann, wieder hinausgleiten zu dürfen.
Für die Gäste an Bord steht aber zunächst Genua auf dem Programm, eine Stadt, in der man vom Hafen gemütlich ins Zentrum bummeln kann, ohne Bustransfer oder teure Ausflüge. Genua schmiegt sich an die bis zu beinahe tausend Meter hohen Hänge, wo gut 15 Kilometer Stadtmauer verlaufen, die längste Mauer in Europa. Doch die Häuser und Paläste wirken winzig gegenüber der 72 Meter hohen und 323 Meter langen «Seaside»: Da parkt ein Koloss vor der Stadt am Berg. Das Schiff kann mehr als 5000 Passagiere aufnehmen. Genua hat knapp 600 000 Einwohner. Und dennoch beherrscht das Schiff die Stadt, wenn es im Hafen liegt.
Ein Schiff, das der Sonne folgt
Schiffe haben diese Stadt allerdings schon immer bestimmt – und schliesslich auch reich gemacht. Aber ein solches Riesenschiff sieht man selbst in Genua immer nur dann, wenn die «Seaside» anlegt. Die Konkurrenz ist sichtbar einige Decks kleiner und der durchaus mächtige, mit 70 Kanonen bestückte Nachbau des Piratenschiffs «Neptune» mit gerade einmal drei Decks wirkt sogar wie ein Spielzeugmodell.
Konzipiert wurde die «Seaside» als Schiff, das der Sonne folgt: Im Sommer verkehrt es im Mittelmeer, im Winter in der Karibik. Kältere Fahrwasser sind nicht vorgesehen. Deshalb hat man auf fünf Decks Wert auf die Aussenbereiche gelegt: Man kann draussen essen, Bars bieten Tische und Stühle an, es gibt Sitzecken, Pools und Whirlpools, eine Wasserrutsche, einen Basketballplatz und sogar eine Zipline. Schade nur, dass es keine Möglichkeit gibt, einmal rund um das Schiff zu laufen. Der Waterfront Boardwalk auf Deck 8 führt zwar am Büffetrestaurants und an Bars vorbei, doch vorne am Bug ist sowohl von Steuerbord- als auch von Backbordseite Schluss. Als Entschädigung gibt es zwei Glasbrücken über dem Meer, die durchaus spektakulär sind und bei der Überquerung bei dem einen oder anderen für wackelige Knie sorgen.
Ein Spaziergang durch Jahrhunderte
Seetag auf dem Weg nach Valencia, einer der schönsten Stopps auf der Sieben-Tage-Route, die ausserdem noch Marseille, Rom, Palermo und Ibiza im Programm hat: Das Riesenschiff pflügt durchs Mittelmeer, als sei es nur ein Weiher ohne Strömungen und Seegang.
In Valencia, Spaniens drittgrösster Stadt, muss die «Seaside» einen Platz weit ausserhalb der Stadt, im schmucklosen Industriehafen, akzeptieren. Kein Hingucker, kein Grössenvergleich, kein Laufsteg: Was wohl Sophia Loren dazu sagen würde? Die Schauspieldiva taufte die Schiffsdiva schliesslich höchstpersönlich.
Weltkulturerbe ist ein Wort mit Gewicht. Zahlreiche Zivilisationen besiedelten Valencia, haben ein reiches historisches und kulturelles Erbe hinterlassen, von dem die Lonja de la Seda, die Seidenbörse, und das Tribunal de las Aguas, das Wassergericht, aufgrund «ihres aussergewöhnlichen universellen Wertes», so die Unesco, zum Welterbe gehören. Allerdings ist die Zeit in Valencia ein bisschen kurz für dieses tolle architektonische Freilichtmuseum, in dem der Gang durch die Strassen wie ein Gang durch Jahrhunderte und Kulturen erscheint, wie ein fröhliches Blättern im Lehrbuch der europäischen Baukunst von Barock und Rokoko über Jugendstil bis in die Moderne. Da bleibt leider keine Zeit mehr für eine Paella, die ja schliesslich dort erfunden wurde. Aber vielleicht klappt es in Marseille mit einer Bouillabaisse oder in Rom mit einer Trippa alla romana. Ein paar Tage dauert die Reise noch, ehe es dann mit Andrea Bocelli und der Auslaufmusik der «Seaside» heisst: «It’s time to say goodbye».
Text: Jochen Müssig