Abu Dhabi – nicht Dubai – ist die Kapitale der Vereinigten Arabischen Emirate. Mit innovativen Zukunftsplänen tritt das grösste der sieben Emirate aus dem Schatten des kleinen Nachbarn.
Abu Dubai? – «Ja, ich hätte gerne ein paar Informationen zu Abu Dubai.» Da hat ein Kunde tatsächlich Abu Dhabi wieder mit Dubai verwechselt. Anfragen wie diese zeigen: Die Welt spricht irgendwie immer von Dubai, obgleich Abu Dhabi knapp 90 Prozent des gesamten Territoriums der Vereinigten Arabischen Emirate ausmacht und ebenfalls rund 90 Prozent aller Erdöl- und Gasvorkommen des Landes besitzt. Deshalb gibt es nun «The Abu Dhabi Economic Vision 2030». Ohne Zeitdruck und Aktionismus beschreitet Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan in seinem Reich mit durchdachtem Wachstum einen eigenen Weg. In Abu Dhabi müssen keine hochriskanten Milliardenprojekte wie Palmen oder gar die Welt in Inselform ins Meer gebaut werden. Das Emirat verfügt über zweihundert natürliche Inseln und die Wüste im Hinterland, wo rund um die Oase Liwa eines der schönsten Wüstengebiete der Welt zu bewundern ist. Dubais von Menschenhand gebaute Skyline ist geradezu langweilig gegen dieses landschaftliche Breitwandkino mit einem Meer aus flach wiegenden Sanddünen und mehr als 200 Meter in den Himmel ragenden Dünen-Skyscrapern, die in der Hitze flimmern. Hier kostet ein Liter Wasser fast so viel wie ein Liter Benzin. Und es gibt eigene Regeln für Unfälle mit Kamelen: Tagsüber ist der Fahrer schuld, nachts der Kamelbesitzer.
Die reichste Stadt der Welt?
Wie Dubai hat auch Abu Dhabi das letzte Jahrhundert gefühlsmässig in der Hälfte der Zeit zurückgelegt: Vor gut fünfzig Jahren noch Fischer, Perlentaucher und Beduinen, ohne Strom, fliessend Wasser, Kühlschrank oder Klimaanlage, sind die Einheimischen heute reiche Leute. Man sagt sogar, Abu Dhabi Stadt sei die reichste Stadt der Welt. Nur in einem Punkt hat Abu Dhabi das Rennen mit Dubai aufgenommen: Das Emirates Palace, das flächenmässig grösste Hotel weltweit, stiehlt dem Burj Al Arab von Dubai mit so manchen Zahlen die Schau: 1,3 Kilometer Sandstrand, 114 Kuppeln, 128 Küchen, 1002 Kronleuchter, 2000 Angestellte aus fünfzig Nationen, monatlich 6000 Euro nur für Blumendekorationen, 7000 Türen und einen Gold-(nicht Geld-!)Automaten in der Lobby.
Yas Island, eines der grössten natürlichen Eilande, wird auch Ferrari-Insel genannt, weil dort nicht nur die erste Ferrari-World weltweit ihre Pforten geöffnet, sondern zudem eine Formel-1-Strecke ihre Heimat gefunden hat. Weiss und trendy wurde das Yas Viceroy Hotel mitten in den Parcours gebaut, an dem Scheich Khalifa keinen Ehrenplatz, sondern einen eigenen Zuschauerturm besitzt. Für 800 Dirham, gut 200 Franken, kann man an rennfreien Tagen einen Aston Martin mieten und so viele Runden drehen, wie in dreissig Minuten passen. Die Ferrari-World ist dagegen ein müder Vergnügungspark.
Auf Sir Bani Yas sollen neben Arabiens grösstem Naturpark und seinen angesiedelten 18 000 Tieren bis ins Jahr 2030 verschiedene Bade- und Resortinseln wie auf den Malediven, aber auch Campinginseln entstehen. «Dieses Projekt verkörpert Abu Dhabis Vision, die schöne Inselwelt und andere natürliche Ressourcen im Einklang mit der Natur und dem kulturellen Erbe nachhaltig zu entwickeln », sagt Abu Dhabis Herrscher, Scheich Khalifa.
Neuer Kunst-Hotspot
Alles in allem sollen im Emirat acht natürliche Inseln erschlossen werden. Dazu gehört das grösste Projekt mit einer komplett neuen Stadt samt Museen von Weltrang. Saadiyat Island, Insel des Glücks, wird bis 2020 eine City mit Marina, einem neun Kilometer langen Beach District, Parks, Hotels (geöffnet haben bereits das Park Hyatt Abu Dhabi und das St. Regis Saadiyat) und die Heimat von Ablegern des Louvre und des Guggenheim Museums sein. Während sich Louvre 2.0 wie ein gerade gelandetes Ufo geben wird, sieht Frank Gehrys Projekt mit dem dann weltweit grössten Guggenheim Museum aus, als ob der Spielzeughaufen eines Riesen nicht aufgeräumt wurde.
«Ein Design, das in den USA oder Europa nicht möglich gewesen wäre», so Gehry. Bis zum Zieljahr 2030 sind fünfzig Grossprojekte im Bau oder in Planung. Das Gesamtvolumen beträgt mehr als 150 Milliarden USDollar. Viel Geld, doch das Öl in Abu Dhabi reicht ja noch weitere 130 Jahre. Und bis ins Jahr 2030 soll keiner mehr von Abu Dubai sprechen.
von Jochen Müssig