Diäten sind keine Unsitte unserer Zeit, sondern eine unendliche Geschichte. Seit mehr als 2000 Jahren wird dem Fett zu Leibe gerückt, es wechseln lediglich die Vorbilder und Hilfsmittel.
Vor der Badesaison ist nach der Badesaison – zumindest, was den Kampf gegen die Speckröllchen betrifft. Nach genüsslichen Sommerferien stehen Bauch, Beine und Po bereits wieder im Fokus und manch einer und eine gedenkt da gerne vermeintlich besserer alter Zeiten.
Dass der verklärte Blick in die Vergangenheit täuscht, das zeigt das Buch «Calories & Corsets» der britischen Medizinhistorikerin Louise Foxcroft, welche die Diätgeschichte der letzten 2000 Jahre aufgezeichnet hat. Die alten Griechen regulierten durch Erbrechen, es wurden bereits in vergangenen Jahrhunderten Pillen geschluckt und für eine Wespentaille wurde geschnürt und gelitten. Die heutigen Ideale sind Size zero und Waschbrettbauch, die mit den körperlichen Realitäten von Durchschnittsmenschen wenig gemeinsam haben. Gewandelt haben sich nur die Methoden und Hilfsmittel. Die Befreiung aus den Korsetts wurde als Erfolg gefeiert, am Wunsch nach einer schlanken Taille änderte sich jedoch nichts. Heute sollen es Diäten und Übungsprogramme richten.
Guter Rat ist teuer
Bereits 1558 veröffentlichte der venezianische Kaufmann Luigi Cornaro den ersten Diätratgeber: «Die Kunst des langen Lebens» ist nach wie vor lieferbar. Ein Long- und Bestseller wie so manch anderes Werk seiner Nachfolger. Wegrollen, wegtrinken, wegbeten, wegschwitzen, wegrauchen, wegmassieren – keine Methode wurde im Lauf der Zeit ausser Acht gelassen. Zum Teil durchaus mit gesundheitsschädigenden Folgen. Im 19. Jahrhundert assen Abnehmwillige Seife, die als Brechmittel fungieren sollte. Die Tabakindustrie warb in den 20er- und 30er-Jahren damit, dass Zigaretten der Schlankmacher schlechthin seien – ein Blick in die Archive offenbarte, dass dem Tabak von einzelnen Herstellern Appetitzügler beigemischt wurden.
Die Lord-Byron-Diät gibt es heute noch in allen Varianten, auch wenn der Nutzen von Apfelessig-Getränken umstritten ist. Seinen würdigen Nachfolger hat Lord Byron in Karl Lagerfeld gefunden. Von 100 auf 58 Kilogramm vermeldet die Erfolgsbilanz des Designers. Mitverantwortlich sein Arzt Dr. Houdret. Und da zeigt sich eine weitere Konstante im Kampf gegen die Kilos. Ein Diätkonzept hat dann Chancen, wenn es von einem Mann (möglichst mit Doktortitel) erfunden und von einem Prominenten propagiert wird. Das Interesse an den Tricks der Promis ist ungebrochen und die Anerkennung, die sie bei einer erfolgreichen Erschlankung erhalten, ist gewaltig.
Promis und ihre Gurus
Die Dukan-Diät, die seit Monaten auf den Bestsellerlisten ist, hat ihre Prominenz dem englischen Königshaus zu verdanken. Kate Middleton und ihre Mutter sind im Vorfeld der letztjährigen Hochzeit so offensichtlich erschlankt, dass auch andere bürgerliche Frauen hoffen konnten. Wenn schon nicht auf einen Königssohn, so wenigstens auf zwei Kleidergrössen weniger.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch wenn 2000 Jahre Diätgeschichte nur eine wirkliche Erkenntnis zulassen: Wunder gibt es keine. Dafür eine blühende Milliarden-Industrie.
von Seraina Mohr