Manhattan, Brooklyn, Queens und zurück – New York ist immer «on the move», seine Bewohner ziehen oft um. Sie wechseln das Quartier, bleiben der Stadt aber meist treu.
New Yorker neigen dazu, jenen Stadtteil am besten zu finden, in dem sie gerade wohnen. Dazu sind sie nomadisch veranlagt: Gemäss einer Studie sind rund 40 Prozent der 8,5 Millionen Einwohner in den letzten fünf Jahren umgezogen, 72 Prozent davon innerhalb der Stadt.
Dieses Kommen und Gehen, zusammen mit dem für New York lebenswichtigen Zustrom von Immigranten aus aller Welt, führt dazu, dass sich die Stadt dauernd verändert. Ein Quartier, das vor ein paar Jahren noch als gefährlich oder abgelegen galt, kann durch ein Zusammentreffen verschiedener Faktoren zum neuen Treffpunkt einer globalen Szene werden, wie zurzeit etwa die Stadtteile Bushwick und Bedford-Stuyvesant in Brooklyn oder Ridgewood in Queens.
Aus einer anderen Gegend, die eben noch als angesagt galt, kann durch überteuerte Apartments, die sich nur noch Reiche leisten können, wieder eine kulturelle Wolkenkratzerwüste werden, was zum Beispiel Williamsburg in Brooklyn droht oder an der einst kulturell höchst lebendigen Upper East Side in Manhattan der Fall war.
Mein Weg in den vergangenen zwanzig Jahren in New York führt von der Upper West Side ins East Village, dann über die Brücke nach Williamsburg, später weiter hinaus nach Ridgewood. Jetzt geht es zurück nach Brooklyn, nach Crown Heights am Prospect Park. Umziehen ist nie schön: Man sieht sein Leben in Schachteln gestapelt in der Ecke stehen, die lieb gewonnenen Räume werden zu weissen Boxen, in denen sich bald die Nächsten einrichten werden.
New York, wo Platz und Zeit immer kostbar sind, weiss das: Was nicht mehr gebraucht wird, kann am Abend an den Strassenrand gestellt werden, ein Anruf beim städtischen Service unter 311 genügt. Was auf dem Trottoir steht, ist aber auch schnell Beute der Strasse. Unsere erste Wohnung als junge Redaktoren der «New Yorker Staats-Zeitung» an der vornehmen Upper West Side zierte bald einmal ein Glastisch oder ein Gestell, das wir auf dem Weg nach Hause auf einem der breiten Boulevards gefunden hatten. Wer CDs oder Bücher nicht mehr braucht, stellt sie an den Strassenrand, ebenso wie alte TVs, Sofas, Matratzen (Achtung Bedbugs!) – des einen alte Last, des anderen neuer Gast. Von unserer alten Klimaanlage war nach zehn Minuten auf dem Trottoir in Ridgewood nichts mehr übrig als die Plastikverschalung. Ein Altmetallhändler bediente sich des Rests.
Zum Umzug lässt sich leicht ein Lastwagen mieten und man kann seine Freunde in die Pflicht ziehen. Leichter geht es aber mit dem berühmten «Man with the Van». Das ist ein Service, den viele Musiker zum Nebenverdienst betreiben: Warum den Kastenwagen, mit dem sie ihr Equipment abends von einem Club zum nächsten fahren, tagsüber nicht auch als Zügelwagen brauchen?
Wir wählen den Wooly Mammoth Moving Service – hier arbeiten fast nur Musiker. Ich darf sicher sein, dass meine Gitarren und Verstärker, die Plattensammlung und Bücher von Kennern transportiert werden. Kaffee und Gipfeli stehen bereit, als die Crew am frühen Morgen in Ridgewood eintrifft: Drummer Tim entpuppt sich als geschickter Einpack-Experte; der DJ und Bassist Dan mag reden und schleppen gleichzeitig; Dave, der Vorarbeiter und einst Besitzer eines legendären Cafés an der Lower East Side, lädt die Ware gekonnt in den Lkw.
Drei Stunden später ist der Spuk vorbei, wir stehen zwischen Schachteln und Möbeln in Brooklyn. Goodbye Ridgewood, ich werde den umtriebigen deutschstämmigen Landlord, den italienischen Pizzaiolo und den polnischen Metzger vermissen. Aber hallo, Crown Heights! Mit dem Hund der dominikanischstämmigen Vermieterin habe ich mich bereits angefreundet. Das Bio-Rotisserie Chicken vom Restaurant «Lula Bird» um die Ecke ist das beste Huhn, das ich neben meiner Mutters «Pollo à la Camàpagna» je gegessen habe. Und das Brooklyn Museum of Art, das im vergangenen Jahr mit der Ausstellung über David Bowie einen Besucherrekord verzeichnete, der Botanic Garden und Brooklyns grüner Mittelpunkt, der Prospect Park, sind nur ein paar Schritte entfernt. Ich bin mir sicher: In den nächsten Listen der Trendmagazine über die besten Quartiere von New York wird Crown Heights ganz oben stehen.
Text Roman Elsener
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