Bledar Kola hat in renommierten Restaurants wie dem Noma in Kopenhagen gearbeitet, bevor er in seiner Heimat Albanien ein Lokal eröffnete – und nun mit lokalen Gerichten die Gourmetwelt erobert.
Bledar Kola hat im wahrsten Sinne des Wortes eine Tellerwäscherkarriere. 1984 in einem Dorf in Albanien geboren, verliess er seine Heimat mit 15 Jahren und zog zu seiner Schwester nach Turin. Nur weg aus Albanien, war das Credo. Als 16-Jähriger ging er nach England und wurde Tellerwäscher in einem Restaurant. Bei einem nächsten Job als Küchenaushilfe bemerkte der Souschef sein Talent und schickte ihn auf eine berufsbegleitende Kochschule. Kola erkannte die Chance, die sich ihm bot. Er arbeitete hart und es folgten Anstellungen und Praktika an renommierten Adressen wie den Restaurants Pied à Terre und Le Gavroche in London. Alles lief wie am Schnürchen.
Doch 2007 brach Bledar Kola die Zelte ab und kehrte nach Albanien zurück. «Meine Freunde dachten alle, ich sei verrückt», erzählt er. «Ich hatte im Ausland Fuss gefasst, hatte es geschafft und gab alles auf für ein Land, in dem immer noch alle weg wollten.» Kola wollte sich mit seinen Wurzeln auseinandersetzen. Um Vorurteile zu vermeiden, verschwieg er im Ausland seine Heimat Albanien wenn immer möglich und gab sich als Mazedonier aus. Bis er es selber satt hatte.
Mut zur Regionalität
Der Start in Tirana war harzig. Der junge Koch wollte «etwas mit albanischer Küche» machen, die Gäste verlangten nach internationalen Gerichten. Erst ein Praktikum im «Noma» in Kopenhagen, mehrfach als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet, veränderte vieles und liess Kolas Vision reifen: Die albanische Küche neu zu definieren, wie es René Redzepi, der ebenfalls albanische Wurzeln hat, mit der nordischen im Noma tat – weg von der französischen Haute Cuisine, hin zu regionalen Zutaten und Produkten. Heute lockt Bledar Kola mit seinem Restaurant Mullixhiu in Tirana Gourmets aus dem Ausland an – und begeistert auch immer mehr Einheimische.
«Mullixhiu» bedeutet «Müller»; täglich wird im Restaurant mit traditionellen Steinmühlen frisches Mehl aus verschiedenen Getreidesorten gemahlen. Slow Food in Reinform. Die Preise sind bewusst tief gehalten, das Restaurant selbst erinnert mit viel Holz nicht an den neuen Chic in Albaniens Hauptstadt, sondern an das einfache Leben auf dem Land. Serviert aber werden kleine Kunstwerke mit überraschenden Geschmackskombinationen und Konsistenzen. Kürbissalat mit Kaki, Jufka-Nudeln mit Blaubeeren oder Rinderragout mit Pflaumen. Regionale Spezialitäten und Zutaten, die während des Kommunismus mit einem aufdiktierten Einheitsbrei beinahe in Vergessenheit geraten wären. «Es ist den Grossmüttern zu verdanken, dass wir sie noch kennen», sagt Kola. In einer Zeit, in der selbst Kochbücher verbrannt wurden, bewahrten sie die alten Rezepte in ihren Köpfen auf. Kola hat diesen Schatz erkannt und unter anderem ein Food Festival in Tirana auf die Beine gestellt, bei dem er alte Mütterchen aus den Bergen mit jungen, erfolgreichen Köchen aus Albanien zusammenführte, die überall, jedoch nur nicht in ihrer Heimat tätig sind, und sie gemeinsam kochen und über die Zubereitungen philosophieren liess. Ein Erfolg, auch wenn nicht alles perfekt geklappt hat. «Es ist nicht ganz einfach, so viele ältere Damen zu führen», erzählt Kola und lacht.
Gesunder Fast Food
Das Food Festival war nur eines von vielen Engagements. Kola ist mehr als ein Koch. Er ist Wissensvermittler und Kulinarik-Botschafter. In Tirana hat er einen Foodtruck mit gesundem «Fast Food» ins Leben gerufen und in Schulen klärt er regelmässig über einen sinnvollen Znüni auf. «Es ist doch nicht möglich, dass unsere Kinder ein iPhone von einem Samsung unterscheiden können, nicht aber eine Gurke von einer Zucchetti.»
Dabei liefert die Natur in Albanien beste Zutaten: Mediterranes Gemüse und Fisch, aber auch Kräuter und Früchte aus Bergregionen. Die Küche mit ihren vielseitigen Einflüsse ist eine Entdeckung – wie auch das Land selbst. Die landschaftliche Schönheit mit hohen Bergen, tiefen Tälern und türkisblauem Meer sowie die reiche Kultur sind beeindruckend. Doch es sind vor allem die herzliche Gastfreundschaft der Menschen, ihre Offenheit sowie diese spürbare Aufbruchsstimmung, die Besucher berühren. Der Wille und die Hoffnung, etwas zu bewegen, damit sich die Zukunft endlich zum Besseren wendet. Junge Albaner, die im Ausland lebten oder studierten, kehren zurück und möchten Teil von einem neuen Albanien sein. Junge Menschen wie Bledar Kola. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Albanien auf der kulinarischen Weltkarte zu positionieren und tritt auf Food Events in ganz Europa auf, um dem Rest der Welt ein neues Bild seines Landes zu vermitteln. «Wir suchen uns noch», sagt er, «aber das ist in Ordnung.» Kola hat seine Mission gefunden.
Text Stefanie Schnelli
Gut zu Wissen
Anreise: Edelweiss fliegt bis Ende Oktober und ab Ende März zweimal wöchentlich nonstop von Zürich nach Tirana. www.flyedelweiss.com
Buchungen Restaurant: www.mullixhiu.al