In Afrika werden derzeit jeden Tag drei Nashörner gewildert. In Botswana finden die bedrohten Tiere nun eine neue Heimat.
Der Buschflieger taumelt. Ein plötzlich anschwellender Windzug rüttelt an seinen schmalen Flügeln. Unter der Propellermaschine breitet sich endloses Sumpfland aus. In unzähligen Wasserarmen, Inseln, Seen und Teichen glitzert die Morgensonne. Soweit das Auge reicht – nichts als Wildnis. Keine Strassen, keine Häuser, keine Stromleitungen. Das Okavangodelta im nördlichen Botswana ist ein menschenleeres, nie bezwungenes Land und eines der letzten grossen Tierparadiese im südlichen Afrika. Die entlegene Gegend soll nun ein Zufluchtsort für die anderswo vom Aussterben bedrohten Breit und Spitzmaulnashörner werden.
«Wir haben hier im Zentrum des Deltas bisher noch keine Nashörner an Wilderer verloren», sagt Kai Collins. «Die Voraussetzungen sind gut, dass die Tiere hier auch weiterhin gut geschützt sind.» Der Zoologe ist mit dem Buschflieger in ganz Botswana unterwegs. Er hat eine Mission. Seit Jahren betreut er das Artenschutzprogramm der Wilderness Lodges und will mehr und mehr der in Südafrika bedrohten Nashörner ins sichere Okavango umsiedeln. Seit 2001 haben die Luxus-Lodge-Betreiber Wilderness Safaris und Andbeyond vor allem Breitmaulnashörner wiedereingeführt. Die genauen Zahlen versuchen sie geheim zu halten, um keine Wilderer anzulocken. Inzwischen hat sich der Bestand im Delta mindestens verdoppelt. «Nun kommt es darauf an, dass es auch mit den noch gefährdeteren Spitzmaulnashörnern klappt. Und die Chancen stehen gut.»
2011 wurde die Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area (kurz: KaZa) als grösstes Schutzgebiet Afrikas gegründet. Es vereint mehr als 30 Nationalparks und Reservate in Angola, Namibia, Botswana, Sambia und Simbabwe zum grössten länderübergreifenden Naturschutzgebiet der Erde. Auf einer Fläche grösser als Deutschland leben Hunderte bedrohte Tierarten, darunter allein schätzungsweise 250 000 Elefanten, jedoch nur wenige Nashörner. Das Okavangodelta ist eines seiner Herzstücke. Bisher ist die Wilderei hier weitgehend unter Kontrolle.
Der Krieg um das Horn
Ganz anders ist die Situation in Südafrika: In den letzten Monaten wurden dort nach Angaben der Organisation «Save the Rhino» jeden Tag durchschnittlich drei Nashörner gewildert. Für 2015 wurden Anfang September bereits mehr als 800 getötete Tiere registriert, ein trauriger neuer Rekord. Die Zahl stieg in den letzten Jahren dramatisch. 2007 waren es 13, 2012 bereits 668, 2014 mit insgesamt 1215 fast das Doppelte innerhalb von zwei Jahren. Wenn die Wilderei weiter fortschreitet, könnte schon in wenigen Jahren der Fortbestand der Art gefährdet sein.
Naturschützer und Umweltaktivisten sprechen längst von einem Krieg um das Horn, das auf dem Schwarzmarkt in China und Vietnam als Wundermedizin und Potenzmittel gehandelt wird. Etwa 20 000 Breitmaulnashörner gibt es noch in Afrika, von den einst über weite Teile Afrikas verbreiteten Spitzmaulnashörnern haben nur etwa 4000 bis 5000 die Wilderei überlebt.
Unterstützung von prominenter Seite
Einen «Rhinozid» nennt Uma Thurman die illegale Jagd auf Nashörner. Die Hollywood-Schauspielerin begleitete gerade medienwirksam die Umsiedlung zweier Breitmaulnashörner nach Botswana, eine Mutter und ihr Kalb. «Es ist eine spirituelle, surreale Erfahrung, ein solch prähistorisches Tier besänftigt zu haben», sagte Thurman dem US-Magazin «Town & Country». «Die Schönheit der Nashörner und ihre unbegreifliche Not ist schmerzhaft.»
«Ich kannte Nashörner nur aus den Erzählungen meines Grossvaters», sagt Oganeditse Sefo. «Sie waren hier schon vor Jahrzehnten ausgerottet.» Der botswanische Ranger ist am frühen Morgen mit vier Besuchern der Mombo Lodge im Zentrum des Okavangodeltas zu einer Pirschfahrt aufgebrochen. Sie haben gerade eine Löwenfamilie beobachtet und einen Leoparden, der ein soeben erbeutetes Impala auf einen Baum schleppte. Der Grund, weshalb sie jedoch wirklich nach Mombo kamen, sind die Nashörner. «Mit viel Glück kann man hier Breit- und Spitzmaulnashörner auf einer Fahrt beobachten», sagt Sefo, «das ist einzigartig in Botswana. Das Land hat inzwischen eines der strengsten Naturschutzgesetze Afrikas. Die Nashörner sind nun hier wieder sicher.»
Sefo zeigt den Touristen die gewaltigen Spuren der Dickhäuter und wo sie sich bei Nacht im Schlamm gesuhlt haben. «Schaut nach wandernden Termitenhügeln», ruft er. «Es könnten in Wahrheit Nashörner sein.» In Botswana wacht der Präsident persönlich über die Nashörner und begibt sich hin und wieder selbst auf Pirschfahrt, um den Schutz der Tiere zu überprüfen. Auf Nashornwilderei stehen hier 15 Jahre Gefängnisstrafe. Selbst das Militär des Landes patrouilliert eigens mit Armeefahrzeugen und Hubschraubern für die Nashörner.
Vor einigen Monaten wurde eines der ersten Kälber von einer aus Südafrika eingeführten Spitzmaulnashornkuh in Botswana geboren. «Diese neue Geburt ist ein ganz besonderer Moment des Stolzes für alle, die sich an dem Projekt beteiligt haben», sagt Kai Collins. «Wir müssen den Erfolg an den Kälbern messen, die in der Wildnis geboren werden. Es ist ein Meilenstein und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»
Von Winfried Schumacher
Was für ein tolles Land Botswana. Wild und ursprünglich!