Das Burgenland, Österreichs östlichstes Bundesland, bringt kräftige Rotweine hervor sowie Dessertweine, die zu den besten der Welt gehören. Mehr und mehr Weingüter rund um den Neusiedlersee konzentrieren sich auf autochthone Traubensorten wie Blaufränkisch, Sankt Laurent oder Zweigelt.
Weite Ebenen, der unter Surfern und Naturliebhabern beliebte Neusiedlersee, ein Velowegnetz von rund 2500 Kilometern, fünf Golfanlagen, mit Reben bestückte Hügellandschaften, Burgen und Schlösser: Das an Ungarn grenzende Burgenland ist nicht nur touristisch interessant. Es gilt auch als eines der ältesten Rebbaugebiete Europas. Eine Generation von meist jungen und innovativen Winzern sorgt für qualitativ hochstehende, im Geschmack eigenständige Weine, wobei die Roten immer wichtiger werden. Das zeigt die Entwicklung des Weinguts Heinrich in Gols, vier Kilometer östlich des Neusiedlersees, exemplarisch: Als der Winzer Gernot Heinrich nach dem Studium in Wien 1985 beim elter lichen Betrieb eingestiegen war, dominierten beim Anbau weisse Traubensorten.
Das Mikroklima am Neusiedlersee
Heute bewirtschaftet das Weingut auf 83 Hektaren bei einer Jahresproduktion von 500 000 Flaschen hauptsächlich Blaufränkisch (48 Prozent), Zweigelt (24), Merlot (12), Sankt Laurent (8) und Pinot Noir (4) sowie nur noch vier Prozent Weissweine mit Chardonnay, Weiss und Grauburgundern. Der inzwischen 48jährige Winzer Gernot Heinrich, der zu den Besten des Burgenlands gehört, begründet die Strategie: «Wir wollen mit Blaufränkisch und Zweigelt den regionaltypischen Charakter herausstreichen und damit eine unverwechselbare und eigenständige Individualität entwickeln.» Beim eigentlichen Weinausbau hat sich der dreifache Familienvater bewusst von neuen Holzfässern abgewandt. «So werden die Weine wesentlich spannender, straffer und vielleicht ein wenig schwieriger und fordernder. Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen.» Seit 2006 sind Heinrichs Weine biodynamisch. Er arbeitet ohne Hilfsstoffe. Dabei profitiert das Gut von einem Mikroklima, bei dem der Neusiedlersee tagsüber Wärme speichert und diese nachts abgibt.
Das gilt auch für das westlich vom Steppensee gelegene Weingut Rosi Schuster in St. Margarethen. Drei Hektar klein war das Weingut, das Rosi Schuster 1979 von ihren Eltern übernahm. Inzwischen sind daraus 10 Hektar geworden. 95 Prozent machen Blaufränkisch, Sankt Laurent und weit weniger Zweigelt aus, der Rest Chardonnay. Im Schnitt produziert das Weingut 30 000 bis 35 000 Flaschen, im schlechten Jahr 2010 waren es nur 10 000. «Ich bin in einem reinen Weissweinbetrieb aufgewachsen und habe auf einen fast reinen Rotweinbetrieb umgesattelt», sagt Rosi Schuster (57). Lagerung und Weinausbau seien für sie dabei entscheidend gewesen.
Sankt Laurent statt Cabernet Sauvignon
Ihr Sohn Hannes (30), seit der Ernte 2007 für die Produktion verantwortlich und seit 2011 Betriebsführer, konzentriert sich bei seiner Arbeit auf die richtige Standortwahl. Er ist, ähnlich wie Heinrich, überzeugt: «Das Weinland Österreich kann nur mit Qualität und heimischen Sorten, die schon immer hier waren, bestehen. Wir wollen aus Blaufränkisch und Sankt Laurent alles herausholen, was der Boden hergibt.» Gerade der Sankt Laurent sei eine Herausforderung, weil er ertragsunsicher und anfällig auf Fäulnis ist und nicht so eine hohe Zuckerkonzentration hat. Doch von der Eigenständigkeit der Traubensorte, die nur in Österreich und in der deutschen Pfalz existiert, sei er fasziniert. Folgerichtig ist Hannes Schuster deshalb dabei, die Restbestände aufzuforsten. Sein verstorbener Vater hatte noch in den 80erJahren Cabernet Sauvignon und Merlot gepflanzt. «Wir hatten aber immer wieder Probleme damit, bis die Sorten richtig reif wurden. Ein Blaufränkisch reift hingegen selbst in einem schwierigen Jahr gut», vergleicht Schuster.
Auch künftig, so Heinrich, fordere es ihn heraus, die Böden und die Lagen zu entdecken und «unsere Rebstöcke bis ins Alter zu begleiten. Ich möchte die Unterschiede sehen – und was ältere Rebstöcke bringen können». Die Zukunft des Weinguts scheint gesichert. Der 14jährige Laurenz Heinrich, das jüngste von drei Kindern von Gernot und seiner Frau Heike, interessiert sich für Tiere und Pflanzen. Er besucht ein alternatives Gymnasium in Wien und absolviert derzeit ein Praktikum auf dem Bauernhof. Ein erster Schritt ist also getan.
Von Reto E. Wild