Denver war lange Zeit Durchgangsstation für Ausflüge in die gewaltige Natur Colorados. Jetzt wird die Stadt selbst zum Reiseziel und gilt als neue Trenddestination der USA. Zu Recht.
Alles begann an diesem Fluss. Unter einer grossen Brücke mitten in Denver fliessen der South Platte River und der Cherry Creek sprudelnd zusammen. An dieser Stelle liegen die Wurzeln von Denver, von hier aus wuchs die Stadt, nachdem um 1858 Gold gefunden worden war. Der kalifornische Goldrausch lag erst wenige Jahre zurück und der Traum vom grossem Reichtum erfüllte viele Köpfe. So strömten hoffnungsvolle Männer aus dem ganzen Land in dieses Nirgendwo am östlichen Fuss der Rocky Mountains, um ihr Glück zu versuchen. Nicht unbedingt die Art von Menschen, die in erster Linie eine gut funktionierende Stadt aufbauen wollten. Mit der Konsequenz, dass Denver in den ersten Jahren vor allem aus Saloons, Spielhallen und Bordellen bestand.
«Das war hier wirklich der Wild Wild West», sagt Rich Grant, Stadtkenner der Extraklasse. «Und ein bisschen ist es das auf seine Art immer noch.» Grant lächelt. Er muss es wissen. 35 Jahre lang hat er für die Tourismusorganisation «Visit Denver» gearbeitet, seit vielen Jahren lebt der New Yorker in der «Mile High City», wie die Stadt wegen ihrer Höhe auf 1600 Metern über Meer genannt wird. Wo Rich heute noch den Wilden Westen sieht, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Der Verkehr in der Stadt wirkt fast beruhigend, die Menschen sind auffallend freundlich und offen. Denver ist eine der am meisten isolierten grossen Städte der USA. Rund 1000 Kilometer ist Las Vegas entfernt, etwa 1500 Kilometer sind es nach Chicago. In einem riesigen Umkreis gibt es keine Stadt in vergleichbarer Grösse, sondern unglaubliche Weiten, viel Natur und kleine, schöne Nester. An der Union Station, dem Hauptbahnhof, fahren neben der praktischen Airport-Linie nur zwei Züge pro Tag. Die Reise nach San Francisco dauert etwa 28 Stunden. «Und dann bleibt der Zug vielleicht noch irgendwo stundenlang auf einem Feld stehen. Das kann man nicht mit Europa vergleichen», sagt Rich.
Trotzdem wurde die Union Station umgebaut, sorgfältig renoviert, und – zum Vorteil für die Stadt – zweckentfremdet. Im schönen Gebäude von 1914 haben sich gute Restaurants, schöne Shops und ein Hotel eingemietet. Zur Eisenbahn bleibt zu sagen: Sie hat später, nach dem Gold und dem Silber in den Rocky Mountains stark zum Wirtschaftsaufschwung von Denver beigetragen.
Von der Präriestadt zum «best place»
Die Union Station steht exemplarisch für den Geist, der in Denver weht. Lange war die Stadt Durchgangsstation für Reisen in die Rocky Mountains, die man am Ende der Strassenzüge sehen kann, oder für andere Outdoor-Trips in die grandiose Natur von Colorado. Doch seit einigen Jahren haben amerikanische Grossstädter Denver City als Ziel entdeckt. Die Stadt ist hip geworden, ist sozusagen von der Prärie ins Zentrum des Interesses gerückt. Gründe dafür gibt es viele. Die entspannten Einheimischen, die am liebsten draussen sind zum Raften, Wandern, Skifahren oder Fischen zum Beispiel, die jungen Firmen, die sich im lange noch günstigeren Denver niederliessen, die alte Jazz-Tradition im Viertel Five Points, die gerade ein Revival erlebt, und vielleicht auch die Legalisierung von Cannabis, was der Stadt viel Aufmerksamkeit brachte. Vieles wird hier etwas lockerer gesehen als in anderen Teilen des Landes, in neuen Rankings wurde Denver zum «best place to live» in den USA erkoren.
Die historischen Gebäude – wegen eines frühen Brandes wurde bald nach der Gründung vor allem mit Backstein gebaut – sind gut erhalten und gepflegt. Selbst in LoDo, wie die Einheimischen Lower Downtown nennen, stehen immer wieder alte Fabriken oder Gebäude vor den Hochhäusern. Man weiss, woher man kommt, und Cowboys haben ihren Platz auf Wandbildern, aber auch in der Gesellschaft. Rockmount, ein alteingesessener Familienbetrieb, der die typischen Hemden produziert und alles verkauft, was ein richtiger Cowboy trägt, steht an bester Lage. Vielleicht könnte man sogar die Liebe der Einwohner zum Drahtesel – Denver hat 135 Kilometer Radwege und war nach Paris die zweite Stadt weltweit, die einen Bike-share-Dienst einführte – auf das Cowboy-Pferd zurückschliessen.
Sauerbier und Yoga
Besonders atmosphärisch ist der Larimer Square, Denvers ältester Block, mit seinen viktorianischen Häusern und den Lichterketten. Er ist die Ausgehmeile für Foodies. Slow Food, lokal, vegan und vegetarisch, ist allgegenwärtig. «Wir sitzen das ganze Jahr über draussen», erzählt Rich beim Vorbeigehen an den Terrassen. Entgegen den meisten Vorstellungen wird es in Denver nie sehr kalt. Die Sonne scheint zu oft, die Luft ist extrem trocken. Noch lieber spricht Rich aber von den Bars in der Umgebung, in denen auch Jack Kerouac viele Stunden verbrachte und die er in seinem Buch «On the Road» verewigte.
Dass Bars durchaus eine wichtige kulturelle Institution sind, wird spätestens klar, wenn man sich mit einem einheimischen Bierbrauer unterhält. Colorado hat eine grosse Szene von Mikro- und Craft-Brauereien, in denen mit Leidenschaft experimentiert wird. Ob der Trend vom Sauerbier auch in Europa Fuss fasst, wird sich zeigen. Die Liebe der Einheimischen zum Bier ist aber auf jeden Fall beeindruckend. Im Trendquartier RiNo, ausgeschrieben River North, das unter anderem durch coole und hochstehende Street Art auffällt, trinken sogar die Yogis Bier. Während der Übungsstunde und auch danach. «Beer Yoga» – das ist der moderne Wilde Westen.
Text: Stefanie Schnelli
Foto: Edelweiss/Melanie Stocker
GUT ZU WISSEN
Anreise: Edelweiss fliegt bis am 21. September jeweils zweimal wöchentlich ab Zürich direkt nach Denver. Das Angebot lässt sich gut mit der Flugverbindung nach Las Vegas kombinieren. flyedelweiss.com
Hotels: In Denver zum Beispiel das Hotel Born: Modernes Design mit Holz, zentrale Lage. hotelborndenver.com. In Fort Collins ist das neue The Elizabeth Hotel sehr schön. marriott.com
Restaurants: Das «City, O City» serviert Frühstück, Lunch, Nachtessen und late night Snacks, alles vege-tarisch, teilweise aus der eigenen Urban Micro Farm. cityocitydenver.com. Das «Tag» am Larimer Square ist ein ausgezeichneter Tipp für alle, die raffinierte Gerichte mit internationalen Einflüssen mögen. tag-restaurant.com
To do: Ein Konzert im einzigartigen Red Rocks Park & Amphitheatre geniessen. redrocksonline.com. «Beer Yoga» im RiNo-Quartier ausprobieren. Zum Beispiel bei Hoppy Yogis. greatdivide.com. Stand-up Paddling, Yoga auf dem SUP, Wasserskifahren oder Wandern in der Horsetooth Area, einem Naherholungsgebiet von Denver. larimer.org Eine Micro- oder Craft-Brauerei besuchen, zum Beispiel die New Belgium Brewing in Fort Collins. newbelgium.com. Rafting im The Cache la Poudre River in der Nähe von Fort Collins. awanderlustadventure.com
Touren: In Denver ist die Tour im eTuk sehr unterhaltsam. etukride.com Wer die Region mit einer Schweizerin entdecken möchte, ist bei Kathrin Troxler richtig. aspire-tours.com
Informationen: denver.org, colorado.com