An Hitzetagen zeigt sich, was die Versprechen der Deo-Industrie wert sind, die seit mehr als 100 Jahren gemacht werden und den Menschen das Fürchten beibrachten.
Die Hände in die Höhe gereckt und die glatt rasierten oder zumindest gut zurechtgestutzten Achselhöhlen ins beste Licht gerückt – soviel Reinheit, Wohlbefinden und Sicherheit suggeriert die klassische Deo-Werbung. Bei heissen Temperaturen wird das Bild von entblössten Achselhöhlen aber zum Schreckensszenario. Etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn die Schweissrückstände sich am Kulminationspunkt der Körpergerüche sammeln und sich frei in der Umgebung verteilen können. Millionen von Bakterien tummeln sich in den dunklen, feuchten Achsel höhlen, für die der menschliche Schweiss eine optimale Lebensgrundlage bildet. Das klingt und riecht unangenehm, auch wenn Schwitzen eine gesunde Reaktion zum Ausgleich der Körpertemperatur ist.
Kampf den Körpergerüchen
Den körpereigenen Gerüchen wird schon lange zu Leibe gerückt. Aus Ägypten ist der Einsatz des Minerals Tschermigit zur Bekämpfung des schlechten Geruchs bekannt. Später wurden üble Gerüche mit Parfüm übertünkt und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit Deos bekämpft. 1888 wurde von «Mum» das erste Deo als Patent gemeldet. Es kam als Crème auf den Markt, die mit den Fingern aufgetragen wurde. Seither wird an der Perfektionierung getüftelt. Gerollt, gerieben, gecremt oder gesprüht – der Varianten und Forschungsaufwände sind viele, genauso der Bezeichnungen: Sensibel, herb, blumig, mit edlen Duftstoffen versehen oder schlicht geruchsneutral.
Der Gebrauch eines Deos gehört heute zur Körperhygiene wie das Zähneputzen. Für Werbende ist es kein Thema mehr, dass ein Deo gebraucht wird, sondern was es für eines sein soll. Dafür werden Rapper in Viral-Kampagnen lanciert, aufwendige Clips gedreht und Promis als Zeugen verpflichtet. Der Markt ist lukrativ und umkämpft. Auf 18 Milliarden wird der Deo-Umsatz in den USA geschätzt.
Werbung verhalf zum Durchbruch
Ein Verkaufsschlager war es nicht von Beginn weg. Denn zuerst musste der Klientel klargemacht werden, weshalb es ein Deo auch wirklich braucht. Die Deo-Werbung verspricht seither, die Frauen vor Getuschel zu bewahren und die Anwender «nicht im Stich» zu lassen (Rexona). Oder: sie «ist für alle da» (bac) und «ein Duft, der Frauen provoziert» (Axe). Einige der legendären Slogans sind für immer in den Köpfen verankert und gehören längst zum kulturellen Gedächtnis. Der Siegeszug des Deos ist eng verbunden mit der Geschichte der Werbung, die in den 20er-Jahren eine erste Blütezeit erlebte.
Frauen mussten vom schlechten Geruch überzeugt werden
Vorerst war der Geruch eine Frauensache, wie eine Untersuchung von Juliann Sivulka der Universität Waseda zeigt. Die Damenwelt musste überzeugt werden, dass sie übel riecht und dadurch unangenehm auffällt. So waren Werbekampagnen, die Frauen von ihren misslichen Körpergerüchen überzeugen sollten, ab den 1920er-Jahren aktuell. Kein Zufall, denn in dieser Zeit eroberten die Frauen zusehends den öffentlichen Raum, verliessen die heimischen vier Wände und forderten ihre Rechte ein. Entsprechend die Werbung, die den öffentlichen Auftritt im Auge hatte und die Frauen davor bewahren sollte, dass ihr Körpergeruch zum Gesprächsthema der Männer wird.
Sexuelle Anziehungskraft als Hauptargument
Das änderte sich erst in den 40er-Jahren und der Entdeckung der Männer als Zielgruppen. Vorher war das kein Thema. Ein rechter Kerl brauchte Seife. Nicht Scham, sondern die gesteigerte Anziehungskraft, war in der Werbung das meistgenutzte Argument, das Männer vom Deo-Gebrauch überzeugen sollte. Das hat sich über die Jahrzehnte gehalten. Eine Sprühdose besitzt die Gabe, jeden gut gebauten Mann in einen unwiderstehlichen Adonis zu verwandeln. Dieses Klischee wird eifrig und auch komplett überzeichnet weiterverwendet, wie etwa in der äusserst erfolgreichen Old-Spice-Kampagne, die auf dem Web Kultstatus erhielt. Die Werber schafften es, ein einstiges Tabu-Thema zu einer prioritären Angelegenheit zu machen. Heute gilt Schweissgeruch als vermeidbar und ist auch ein akzeptabler Kündigungsgrund, wie ein deutsches Gericht vor zwei Jahren im Falle eines geruchsintensiven Architekten entschied.
Der echte Geruch hat auch seinen Reiz
Der Siegeszug des Deos ist an heissen Sommertagen ein Segen. Frauennasen lassen sich aber nur bedingt ablenken oder täuschen, wie der Forscher Charles Wysocki herausfand. Weder Deo noch Parfüm können sie richtig vom männlichen Originalgeruch ablenken. Obwohl es zwischen Männer- und Frauenschweiss keinen Unterschied in der Geruchsintensität gibt, lässt sich die weibliche Ausdünstung leichter mit anderen Aromen überlagern als die von Männern.
Was viele heute nicht mehr wissen: der eigene Körpergeruch ist fast wie ein Fingerabdruck und enthält spannende Informationen. Frauen signalisieren mit dem Duft den Zeitpunkt der Fruchtbarkeit und riechen im Laufe des Monats unterschiedlich. Dem Reiz des Schweisses ist man in früheren Jahrhunderten durchaus erlegen. In der elisabethanischen Zeit klemmten Frauen geschälte Äpfel in die Achselhöhlen und gaben sie anschliessend ihren Geliebten – sogenannte «love apples», um ihren Duft auch in der Abwesenheit zu wahren. Und von Napoleon ist überliefert, dass er seiner Josephine die Nachricht zukommen liess: «Zurück in drei Tagen, nicht waschen.»
Von Seraina Mohr