Trekking, Wandern, Canyoning, Rafting – in der Dominikanischen Republik gibt es unzählige aktive Alternativen zu ruhigen Strandferien.
Hähnchenstücke und Ziegenfleisch liegen in Körben neben der Kasse. Eine Frau greift nach prallen, reifen Mangos und stopft ein Bündel sattgelber Kochbananen in ihre Tasche, während zwei Europäer durch das Geschäft trotten und gebrauchte Bergschuhe und krumme Wanderstöcke betrachten, die ebenfalls zum Sortiment zählen. Trekking-Besucher und alpines Equipment in der Dominikanischen Republik? Jenem Land mit den unendlichen Sandstränden? Tatsächlich gibt es aktive Alternativen zu faulen Strandferien mit Buffets und günstigem Rum.
Europäische Gäste haben das Jarabacoa-Tal mit seinen stolzen Bergen im Landesinneren des Karibik-Staates entdeckt. Auch die Region Puerto Plata erlebt einen ungeahnten Aufschwung dank Trekking-Besuchern, die ihre Touren mithilfe der einzigen Seilbahn des Landes starten können. Wandern und Aktivferien gehören zu den Trendthemen. Im Zentrum von Jarabacoa, dem Hauptort des Tales mit seinen 70 000 Einwohnern, steigt jeden Abend eine grosse Party. Aus den Bars dröhnt laute Musik – internationales Liedgut vermischt sich mit Bachata, den traditionellen Klängen der Dominikanischen Republik. Auch spätabends sind hier noch Familien mit kleinen Kindern unterwegs, Jugendliche spielen Karten auf dem Hauptplatz, hunderte Motorrad-Taxis hupen sich durch die engen Strassen. Beim Bier trifft man Wanderführer, Raftingguides sowie (Lebens-) Künstler. Und Carlos Cruz, der alles in einem ist. Er erlebt mit Besuchern sportliche Abenteuer am Berg und im Wasser, da er ebenfalls Surfkurse an der Küste anbietet. Die meisten nennen ihn allerdings «Rembrandt», denn er greift auch zum Pinsel, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Gerade stellt er seine farbenfrohen Bilder in einem Restaurant aus. Die Geschäfte laufen nicht so gut wie früher, als er in Puerto Plata noch durch die grossen Hotelkomplexe tingelte, um seine Gemälde US-Amerikanern und reichen Argentiniern zu verkaufen. Rembrandt hat erlebt, wie Geschäfte und Restaurants den Bach runtergingen, weil die Feriengäste ihre Hotels nicht mehr verliessen. Einer seiner Freunde hatte eine kleine Bar in der Küstenstadt. «Touristen kamen keine mehr, die Einheimischen konnten es sich nicht mehr leisten.» Die grossen Hotelkonzerne diktierten die Preise für Lebensmittel und Löhne.
Hier in Jarabacoa hat Rembrandt sein Paradies gefunden. Mit der Familie bewohnt er ein kleines Häuschen, seine Frau arbeitet vormittags auf dem Feld, nachmittags verkauft sie Papayas und Blumen auf dem Markt. «Und ich suche mir die Inspiration für meine Bilder in dieser wundervollen Natur.»
Die Schweiz der Dominikanischen Republik
Jarabacoa, das wegen seiner Berge und Flüsse auch die «Schweiz der Dominikanischen Republik» genannt wirdt, zählt zu den fruchtbarsten Regionen der Karibik. Im engen Tal blüht samtroter Hibiskus neben knallgelben Papayas. Einmal im Jahr gibt es ein landesweit bekanntes Blumenfest. Kaffee, Kakao und Cashewnüsse wachsen einträglich nebeneinander. Die Berghänge sind dicht bewaldet. Nur die ganz hohen Bergspitzen in der Ferne sind kahl und steinig.
In Jarabacoa können sportliche Gäste mehrtägige Trekkingtrips buchen, Wildwassertouren unternehmen, sich in Canyoning-Abenteuer stürzen oder den Pico Duarte, mit 3098 Metern die höchste Erhebung der Karibik, besteigen. Bei einer Wandertour zu den Jimenoa-Wasserfällen beobachten wir die Bauern, die Koriander ernten, und ihre Pferde links und rechts mit Säcken bepacken. Der Wind treibt feinen Sprühnebel von den vielen kleinen Flüssen vor sich her. Über abenteuerliche Hängebrücken erreichen wir eine Aussichtsplattform, die sich dem wilden Wasserfall zuwendet. Wer sich hier über die Felsen wagt, landet im Badeparadies – obwohl der Ozean rund hundert Kilometer entfernt ist.
Ein Grossteil der Dominikanischen Republik besteht aus Bergland und Gebirgslandschaft. Vier Gebirgszüge befinden sich auf engstem Raum. Im Südwesten wachsen die Gipfel deutlich über die 2000-Meter-Marke. In der Cordillera Central, in der Mitte des Landes, ragen sogar drei Dreitausender in den Himmel. Knapp ein Drittel der Landesfläche zählt als Naturschutzgebiet. Umso mehr verwundert es, dass die Tourismus-Industrie vier Jahrzehnte lang fast ausschliesslich auf Rundum-Sorglos-Pakete mit All-Inclusive-Hotels, Alkohol-Flatrate und 24-Stunden-Buffets setzte.
Die einzige Seilbahn des Landes
Nach der Wasserfallwanderung begleiten wir unseren Guide Juan zum Feierabend-Trunk in ein Colmado. Die bunten Geschäfte in Jarabacoa sind eine Mischung aus Tante-Emma-Laden und Wirtshaus. Juan arbeitet abends, wenn er seine Gäste heil vom Berg zurückgebracht hat, ebenfalls in einem solchen Shop. Auch er ist ein Lebenskünstler, hält sich seit seiner Jugend mit verschiedenen Jobs über Wasser. Früher verkaufte er Tickets für die einzige Seilbahn des Landes, die Besucher auf den Hausberg von Puerto Plata bringt.
Für Aktivreisende zählt der Pico Isabel de Torres zum Pflichtprogramm. Und so steigen auch wir in die bunten Gondeln, die eine italienische Firma gebaut hat. Am 800 Meter hohen Gipfel wollen alle einen Blick auf die Playa Dorada erhaschen und halten das Szenario mit ihren Smartphones fest. Mittlerweile sind erste Wanderrouten ausgeschildert. Trotzdem braucht man Abenteuerlust, wenn man sich auf den Weg durchs Dickicht macht. Unsere Tour führt nach Imbert, wir staunen über Dörfer ohne Strom und Schulgebäude, die nur aus einem Strohdach, Stühlen und einer Tafel bestehen. Kinder begleiten uns von einem Dorf zum nächsten und ein junger Mann bietet uns Wanderstöcke zum Kauf an. Sie sind krumm und bucklig. Noch gibt es hier keine professionellen Shops für Trekking-Zubehör.
Text Christian Schreiber
Bild Tourism Board Dominikanische Republik
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