Das Amazonas-Gebiet in Peru bietet jede Menge Stoff für Legenden – und auch heute noch handfeste Abenteuer.
Er schreit, fuchtelt wild mit den Armen und steigt einen Erdhaufen hinauf und wieder herab. Um Klaus Kinski herum stehen Einheimische und trauen ihren Augen kaum: Der Schauspieler hat einen seiner berüchtigten Wutausbrüche und kann sich kaum beruhigen. Man schreibt das Jahr 1981 und Regisseur Werner Herzog hat sich eine Mammutaufgabe vorgenommen: Im peruanischen Dschungel dreht er mit dem exzentrischen deutschen Star sowie Claudia Cardinale und hunderten Laiendarstellern den Film «Fitzcarraldo».
Oper im Dschungel
Er handelt vom Abenteurer und Opernliebhaber Brian Sweeney Fitzgerald, der von den Einheimischen Fitzcarraldo genannt wird. Sein Traum: Ein Opernhaus wie in Manaus – aber mitten im Dschungel. Fitzcarraldo will es in Iquitos errichten, einer peruanischen Stadt am Amazonas, die bis heute nicht mit dem Auto zu erreichen ist. Den Bau will er finanzieren, indem er Kautschuk anbaut. Er kauft einen alten Flussdampfer, mit dem er den Gummi-Rohstoff transportieren will. Doch weil die Kautschuk-Felder und der Amazonas von Stromschnellen getrennt sind, muss er sich etwas einfallen lassen. Er lässt sein Schiff von Einheimischen über einen Bergrücken ziehen – und scheitert schliesslich kläglich an deren Sicht der Dinge.
Was heute nach Spezialeffekten schreit, war für Herzog Anfang der 1980er-Jahre noch eine Frage der Ehre. Der Regisseur wollte kein «Modellschiff aus Plastik über einen Studiohügel» ziehen, schreibt er in seinen später veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen. Wegen der «Stilisierung eines grossen Opernereignisses» kam für ihn keine andere Lösung in Frage, als das Schiff tatsächlich über den Bergrücken ziehen zu lassen. Gesagt, getan. Noch heute sind die Überreste des Dampfers im Dschungel zu sehen. Und die deutsche Filmgeschichte ist um eine Legende reicher.
Vom Kautschuk zum Tourismus
Wer nach Iquitos kommt, wandelt nicht nur auf den Spuren von Herzog und Kinski, sondern folgt auch denjenigen des echten Fermín Fitzcerrald. 1862 geboren, galt er bereits mit 26 Jahren als einer der reichsten Kautschuk-Barone der Region Ucayali. Auch er liess ein Schiff über einen Berg transportieren – allerdings war es vorher in Einzelteile zerlegt worden. Der Kautschuk-Boom endete genauso abrupt wie Fitzcerralds Leben: Der Unternehmer ertrank mit nur 35 Jahren und Kautschuk wurde zum Leidwesen Südamerikas ab Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Asien und Afrika angebaut. Iquitos versuchte mit dem Anbau von Bananen und Tabak an die glanzvolle Kautschuk-Ära anzuknüpfen. Doch erst Erdöl-Förderung, Holzwirtschaft und Tourismus wurden ab den 1960er-Jahren zu stabilen Einnahmequellen. Gäste lassen sich heute von den kolonialen Bauten begeistern und nutzen die Stadt als Startpunkt für Ausflüge in den Dschungel und ins Naturschutzgebiet Pacaya-Samiria. Dort lassen sich vom Boot aus Palmen und Orchideen ebenso gut beobachten wie Affen, Schildkröten und der berühmte Amazonasdelfin. Das grösste Naturschutzgebiet Perus hat sich jüngst dem Ökotourismus verschrieben und ist besonders bekannt für seine vielen Seen und Gewässer, in denen unter anderem der angeblich grösste Süsswasserfisch der Welt, der Paichefisch, lebt.
Luxus auf dem Amazonas
Besonders luxuriös wird die Fahrt auf den vielen Flüssen des Amazonas-Gebiets an Bord der Aqua und des Schwesternschiffs Aria. Ab Iquitos geht es für vier bis acht Tage in den Dschungel Perus, den man zum einen vom grosszügigen Sonnen- und Observationsdeck aus erlebt. Zum anderen wandert man durch die wilde Natur, um Einheimische zu besuchen und in der Dunkelheit Kaimane aufzuspüren. Wer Individualität schätzt, wählt für seine Dschungeltour die Delfin I. Dieses Schiff bietet maximal Platz für acht Passagiere, während das Schwesternschiff Delfin II über 14 Suiten verfügt. Auf beiden Schiffen entdeckt man ab Iquitos das Yanalpa-Privatreservat, den Dorado-Fluss, den Atun-Poza-See sowie den Pacaya-Fluss und geht ebenfalls für Wanderungen, Tierbeobachtungen sowie Besuche bei Einheimischen von Bord. Zurück in der 400 000-Einwohner-Stadt Iquitos lohnt es sich, die Kirche auf der Plaza de Armas zu besichtigen. Weitere Sehenswürdigkeiten sind das Hotel Palace und das Casa de Fierro, das Eisenhaus, das der französische Architekt Gustave Eiffel entworfen hat. Wer Musik liebt, sucht allerdings vergeblich nach einem Opernhaus. Da haben wohl sämtliche Schimpftiraden Klaus Kinskis nichts geholfen.
Von Angela Pietzsch