Corona verändere das Reiseverhalten, sagt Stephan Frei vom Reisebüro Mittelthurgau, dem Spezialisten für weltweite Flussreisen. Das Unternehmen zeigt sich bei seiner Excellence-Flotte immer wieder innovativ. Jüngst mit einem neuartigen Luftreinigungssystem.
Herr Frei, die Coronapandemie hat die gesamte Reisebranche weltweit praktisch lahmgelegt. Wie geht es Ihrem Unternehmen und der Excellence-Flotte?
Es liegt eine in jeder Beziehung harte Zeit hinter uns. Manchmal wundere ich mich selbst über den Elan in meinem Team – da herrscht unverminderte Zuversicht und Kreativität. Obwohl es gar nicht lustig ist, wenn man über eine so lange Zeit die Reisen, die man mit viel Engagement entwickelt hat und auf die sich die Gäste freuen, streichen muss – das können Sie mir glauben. Wirtschaftlich gesehen hat uns die Kurzarbeit sehr geholfen. Wir konnten alle unsere Mitarbeitenden an Bord halten. Was nichts daran ändert, dass die rote Zahl, die wir für 2020 zu verzeichnen haben, beträchtlich ist. 2021 werden wir auch nicht schwarz schreiben können, nachdem die Saison ja noch immer nicht starten konnte. Wir waren aber sehr erfolgreich in den Jahren vor Corona. Das war entscheidend dafür, dass wir nie in die wirtschaftliche Gefahrenzone kamen und für die laufende Saison weiter in unser Produkt investieren konnten.
Liegen die Excellence-Schiffe also noch in den Werften, wo sie für den Restart fit gemacht werden?
Alle unsere elf Schiffe ankern weiterhin in der Werft. Wenn alles gut läuft, legen wir Anfang Juli ab.
Ihr Unternehmen hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, wie Ansteckungen an Bord der Excellence-Flussschiffe verhindert werden können. Sie haben kürzlich eine neue Technologie vorgestellt, die an Bord saubere «Luft wie im Hochgebirge» garantiert. Können Sie uns diese Technologie in wenigen Worten erklären?
Uns war bereits im Herbst klar, dass das Hauptproblem in Innenräumen die Virenübertragung durch Aerosole ist. Wir haben mit vielen Fachleuten gesprochen und mit der sogenannten Ionisierungstechnik die Lösung gefunden, die wir gesucht haben. Die Technik funktioniert nach dem Vorbild der Natur. Man muss es sich so vorstellen: Die UV-Strahlen der Sonne, der Wind oder Gewitterblitze aktivieren Sauerstoffmoleküle, es entstehen Ionen. Diese reagieren mit kleinsten Partikeln und flüchtigen organischen Verbindungen und reinigen so die Luft. Genauso funktioniert auch unsere Ionisierungstechnik. Im Belüftungssystem von Schiff und Bus wird die Raumluft mit Sauerstoff-Ionen angereichert und auf natürliche Art gereinigt. Die Technologie wird in dieser Form inzwischen auch in Baumärkten, Schulen, Arztpraxen, Spitälern etc. eingesetzt. Das Ionisationsverfahren mit Sauerstoffaktivierung ist viel effizienter als herkömmliche Raumluftreiniger mit Filtern. Unabhängige Testlabors haben in unterschiedlich grossen und belebten Räumen keine oder nur noch minimalste Schadstoff- und Virenpartikel nachgewiesen. Die Technologie wurde übrigens in Zusammenarbeit mit namhaften Universitäten und Instituten in Deutschland und der Schweiz entwickelt. Wir sind sehr zufrieden, weil wir hier eine nachhaltige Lösung nicht nur für Coronazeiten, sondern für die Zukunft gefunden haben.
Der Event- und Themenbereich mit Konzerten, Gourmetabenden, Theater, Comedy etc. hat bei Reisen mit Excellence-Schiffen eine grosse Tradition. Werden diese Veranstaltungen dank Ihrer jüngsten technischen Innovation wieder wie vor der Krise stattfinden können?
Was das Leben und die Veranstaltungen auf unseren Schiffen betrifft – wir sind bereit und können mit gutem Gewissen sagen: Unser Schutzprogramm 2021, ergänzt mit der Ionisierungstechnik in allen Innenräumen, schützt unsere Gäste und unsere Mitarbeitenden in Bus und Schiff, ab- und bis in die Schweiz. Aber es gibt Einflussfaktoren, die wir nicht in der Hand haben. Unsere Flussreisen führen durch mehrere Länder. Es wird sich zeigen, wie sich die Pandemie und damit die behördlichen Bestimmungen entwickeln. Wir beobachten das Tag für Tag und wir sehen, dass sich die Dinge auf den meisten Flussrouten in eine Richtung entwickeln, die uns zuversichtlich stimmt.
Denken Sie, dass die Coronapandemie das Reiseverhalten der Menschen grundsätzlich verändert hat?
Definitiv. Mein Eindruck ist, dass es ganz grundsätzlich eine höhere Wertschätzung fürs Reisen gibt, eine Einsicht, dass es nicht selbstverständlich ist, die Welt zu bereisen. Ausserdem bin ich überzeugt, dass es eine erhöhte Sensibilität für Nachhaltigkeit im Tourismus gibt. Die Menschen haben verstanden, dass Pandemien und Umweltschutz zusammenhängen. Das begrüssen wir, denn wir machen seit vielen Jahren grosse Anstrengungen in diese Richtung. Auf unserer Nachhaltigkeitsseite sehen wir jetzt viel mehr Klicks. Die Kundinnen und Kunden scheint es zu interessieren, was wir konkret machen – das freut uns sehr.
Sind vor dem Hintergrund der Pandemie neue Trends im Flussfahrtenbereich entstanden?
Es scheint sich zu beschleunigen, was vorher schon sichtbar war. Kundinnen und Kunden wollen mehr Freiheit, mehr Optionen, wie sie ihren Tag verbringen. Ein Beispiel: Wenn wir in Wien anlegen, wollen einige die Stadt auf eigene Faust besichtigen, andere nehmen an einer Stadtführung teil, andere an der Wien-Velotour, wieder andere kennen die Stadt schon und verbringen den Tag auf dem Sonnendeck. Die Pandemie und die Lockdown-Erfahrung haben nach meiner Überzeugung ein anderes Bedürfnis verstärkt: das Bedürfnis nach Begegnung mit anderen Menschen. Wir sehen das schon seit einigen Jahren. Vielleicht ist das auch der Grund, warum unsere Themenreisen so stark nachgefragt werden. Es treffen sich Gleichgesinnte, die gemeinsam etwas erleben, seien es Sport, Kultur, Naturerlebnisse oder auch kulinarische Entdeckungen. Man teilt Wissen, Können und Begeisterung, oft entstehen Freundschaften fürs Leben. Wir haben je nach Schiffsklasse maximal 80 bis 170 Passagiere an Bord. In diesem Jahr reduzieren wir die Kapazität um 25 Prozent. Es geht also persönlich, fast familiär zu. Ich sehe mit grosser Freude, dass die Atmosphäre auf unseren Schiffen immer vielfältiger und offener wird. Es kommen verschiedene Generationen, Menschen mit ganz verschiedenen Hintergründen zusammen. Unsere Schiffe sind lebendige Begegnungsorte.
Sie verkaufen bekanntlich auch Kreuzfahrten auf hoher See. Wo sehen Sie dort die grössten Veränderungen?
Wir beobachten eine stärkere Nachfrage für kleine Schiffe sowie nach Premiumkreuzfahrten. Ein grosser Trend sind Yachtkreuzfahrten, vor allem in Kroatien. Hier kreuzen wir mit nur 38 Gästen durch die Adria – die Region gehört sicherlich zum Schönsten im Mittelmeerraum. Die Buchungs- und Annullationsbedingungen von Reiseanbietern haben in den vergangenen Monaten oft für Schlagzeilen in den Medien gesorgt.
Was bieten Sie Ihren Kunden in diesem Bereich an?
Wir kommen unseren Kundinnen und Kunden mit fairen Annullierungs- und Umbuchungskonditionen entgegen. Wir folgen dem Grundsatz: Unsere Excellence-Gäste sollen buchen können, aber nicht das Risiko der unsicheren Situation auf ihren Schultern tragen. Last-Minute-Storno ohne Grund gibt es bei uns aber nicht, ebenso wenig wie Restpostenpreise. Excellence-Flussreisen sind ein etabliertes Schweizer Reiseprodukt. Wir orientieren uns an der Qualität hochstehender Schweizer Hotellerie in bestem Sinne. Das hat seinen Preis, nach meiner Überzeugung einen sehr fairen, konkurrenzfähigen Preis. Die Excellence-Flotte ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen.
Sind immer noch neue Schiffe in Planung, oder wie geht es weiter?
Wir werden nicht stehenbleiben, wo wir sind. Unsere Augen sind immer offen, Ideen liegen in der Schublade. Konkretes gibt es im Moment aber nicht zu berichten. Mit der Entwicklung der Clean-Air-Technologie hat Excellence in der internationalen Flussschifffahrt eine Vorreiterrolle eingenommen.
Die Excellence Empress stösst mit ihrem innovativen Abgasreinigungssystem vergleichsweise 75 Prozent weniger Stickoxide und 90 Prozent weniger Feinstaub aus. Wie geht es bei der restlichen Flotte weiter?
Wir rüsten weitere Excellence-Schiffe mit der Technologie nach, als Nächstes die Excellence Princess und die Excellence Countess. Wir sind sehr überzeugt von der Technologie, weil der reduzierte Ausstoss während dem gesamten Schiffsbetrieb wirkt, nicht nur unter bestimmten Bedingungen. Deshalb werden weitere Schiffe mit der Nachrüstung folgen. Das Reisebüro Mittelthurgau hat in den vergangenen Monaten auch auf die Schweiz als Reiseland gesetzt.
Haben Sie persönlich etwas Neues in unserem Land entdeckt?
Unser Land ist reich an beeindruckenden Natur- und Kulturlandschaften, fantastischen Persönlichkeiten und hervorragenden Produkten, aus denen schweizweit eine köstliche Küche entsteht. All das wollen wir in unserer Schweizreisenkollektion zeigen. Begegnungen mit Winzern, Köchen, Hoteliers gehören dazu. Ich habe kürzlich den Kunst- und Skulpturenpark von Bruno Weber entdeckt und war erstaunt, was sich da ganz in der Nähe von Dietikon auftut: eine lebendige Fantasiewelt! Wir geben unseren Gästen einen exklusiven Einblick in sein Werk, und seine Witwe, Maria Anna Weber, gewährt uns sogar einen exklusiven Blick in die Privatwohnung – ein Domizil, das man nicht jeden Tag zu Gesicht bekommt.
Wo werden Sie selbst hinreisen, wenn alle Grenzen wieder geöffnet sind?
Ich merke schon, dass ich den Fluss und das Meer vermisse, das Leben und Treiben an Bord und auch die tollen Leute unserer Excellence-Crews. Die Route vom Burgund nach Südfrankreich habe ich auf meine Agenda gesetzt. Kultur zur Inspiration, Lavendelduft zum Entspannen, provenzalische Küche, der salzige Geruch des Meeres und ein Glas Rosé auf dem Sonnendeck. Das wäre ganz nach meinem Geschmack.
Interview: Markus Weber
Zur Person
Stephan Frei ist Geschäftsleiter des Reisebüros Mittelthurgau, dem Spezialisten für weltweite Flussreisen und Kreuzfahrten. Mit der Excellence-Flotte hat das Unternehmen, das zur Twerenbold-Gruppe gehört, elf eigene Schiffe im Portfolio. Die Excellence-Flotte zeichnet sich durch Schweizer Qualität an Bord aus und wurde mit dem Green Award und dem Myclimate-Award ausgezeichnet.
mittelthurgau.ch