Die Dominikanische Republik ist bekannt für ihre traumhaften Strände. Ein Ausflug ins Landesinnere sollte bei einem Besuch aber nicht fehlen. Auf einer Tour zu den Kakao-Bauern zum Beispiel gewinnen Gäste Einblicke in das Leben der Einheimischen.
Am Vorabend war Emilio Perez noch schnell in der Banca. Allerdings wird hier kein Peso vermehrt, zumindest nur selten. In den bunten Häuschen, die ein wenig an Bushaltestellen erinnern und die in jedem noch so kleinen Dorf in der Dominikanischen Republik stehen, geht den meisten das Geld eher durch die Lappen. Auch Emilio hatte an diesem Tag kein glückliches Händchen. Eigentlich zieht er immer nur Nieten. Aber irgendwann könnte er ja den ultimativen Treffer landen. Er hofft auf das grosse Geld in einer der unzähligen Losbuden.
Viele Bauern wie Emilio verspielen allmonatlich einen Teil ihres Einkommens, das sie sich mit viel Schweiss erarbeitet haben. Jeden Morgen steht der 36-Jährige um fünf Uhr auf, die Temperaturen auf den Kakao-Feldern sind um diese Zeit noch halbwegs erträglich. Für Emilio ist das die einzige Einnahmequelle, und sein Glück ist, dass die Dominikanische Republik die Nase vorn hat in Sachen Bio-Kakao. Nicht, was die Menge betrifft. Aber die Qualität ist weltspitze. Das behaupten nicht nur die vielen hundert Kleinbauern, die sich der Öko-Produktion verschrieben haben. Auch europäische Bio-Firmen wie Demeter und Rapunzel bestätigen dies. Die Bauern verzichten auf die chemische Keule und bekämpfen die Ratten, den Hauptfeind der Kakaobohne, mit einem Gemisch aus Kern und Korn. Weizen oder Hafer vermengt mit geschredderten Avocado-Kernen schmeckt den Nagern, bekommt ihnen aber nicht. Für die Pflanzenwelt hingegen ist der Köder kein Problem. Auch die Düngung, die auf Bio-Basis erfolgt, ist für Emilio nichts Besonderes mehr, er kennt es nicht anders.
70000 Tonnen Bohnen pro Jahr
Mittlerweile fährt Emilio auf der Bio-Schiene sogar doppelspurig, indem er nicht nur mit dem Verkauf seiner Bohnen verdient, sondern auch Gäste in sein süsses Geschäft reinschnuppern lässt. Vor allem europäische Besucher begleiten ihn und staunen über sein wichtigstes Handwerkszeug: die lange Machete, die auch aus einem Bruce-Lee-Film stammen könnte. Mit kurzen Hieben hackt er die mangogrossen Kakaofrüchte von den Bäumen. Es ist nicht mehr dunkel, aber auch noch nicht hell, und er muss schon Acht geben, dass er nicht unreife Früchte zu Fall bringt oder die Bäume verletzt. «Mein Freund Carlo hat sich den Daumen abgehackt», sagt er und lächelt trotzdem. Kakao ist Handarbeit, da braucht man jeden Finger.
Ist die Ernte eingefahren, wird sie nach Hause gebracht. In einem Handkarren schiebt Emilio Perez die Früchte durch sein Dorf nahe der Stadt Yamasá. 83 000 Einwohner, die der Kakao ernährt. Die Häuser mit ihren blauen Mauern und grünen Türen, roten Fensterläden und gelben Blumentöpfen sind so bunt wie der Werbeprospekt eines Farbenhändlers. Nur manchmal geht dem karibischen Malkasten der Stoff aus und so stehen ein paar graue Hütten herum. Die Region 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santo Domingo gilt als zweitgrösstes Kakao-Anbaugebiet der Insel. Im Rücken der Kakaobäume ragt das Zentralmassiv der Dominikanischen Republik mit Riesen über 3000 Metern auf, die ihre Spitzen solange in die Wolken pieksen, bis es regnet. Und zwar regelmässig. Ein ideales Klima für 70 000 Tonnen Bohnen pro Jahr.
Schmeckt nach Vanille
Als Emilio in seinem kleinen Hof ankommt, fallen erste Tropfen vom Himmel, ehe bald ein prasselnder Regen die schwül-karibische Luft durcheinanderwirbelt. Nach zehn Minuten ist der Schauer vorüber, nach 15 Minuten ist der Boden wieder trocken. Längst hat der 36-Jährige begonnen die Früchte zu zerteilen, die Machete in der Linken, das gute Stück in der Rechten, macht er einen schnellen Schnitt und zieht anschliessend das Innere heraus. Er reicht einen Strang, der aus weissen, klebrig Bohnen besteht und fordert seine Gäste auf, davon zu probieren. Die Mutigen haben schon ein Stück im Mund und kauen, noch bevor Emilio erklärt, dass man nur lutscht. «Sonst sind die Bohnen bitter und schaden dem Magen.» Wer sich an seine Regeln hält, schmeckt nicht etwa Schokolade, sondern eine Mischung aus Vanille-Creme und zuckersüssem Pudding. «Es dauert noch eine Weile, bis daraus Kakao wird.»
Genossenschaftlich organisiert
Mindestens fünf Tage müssen die Bohnen trocknen. Sie erhalten zuerst eine Schwitzkur unterm Dach, ehe sie ins Freie gelangen. Aber bei 30 Grad Durchschnittstemperatur von Januar bis Dezember ist auch das eine Hitzestube. Bis vor ein paar Jahren hat noch jeder Bauer bei sich zu Hause Kakao-Bohnen getrocknet. Heute sind viele in Genossenschaften organisiert, die den Verkauf regeln und die Bohnen in grossen Anlagen anbauen. Emilio ist Mitglied beim Zusammenschluss Conacado, der unweit seines kleinen Hofes residiert. Den ganzen Tag fahren hier Autos oder Motorräder vor, laden Männer grosse Säcke ab und warten, bis sie ihren Lieferschein bekommen. Diese Genossenschaften sind der Glücksfall für ganze Regionen. Mit dem Gewinn können sie Schulen und Krankenhäuser bauen. Und das, obwohl nach Angaben der Genossenschaften auch die Bauern gut verdienen. Angeblich bleibt 72 Prozent des Gewinns beim jeweiligen Erzeuger hängen.
Bio-Kakao für Europa
Kakao ist ein gutes Geschäft. Die Preise steigen mit der Nachfrage und die hat in den vergangenen Jahren weltweit angezogen – vor allem für Bioware. Europa ist der grösste Abnehmer. Pralinen in der Schweiz. Schokoriegel in Deutschland. Bio-Kakao zum Backen aus der Karibik. Während Emilio seine Säcke abgeliefert hat, hat seine Frau Arancha über der Feuerstelle im Garten eine Portion getrocknete Bohnen geröstet und bittet auch die Gäste, beim Schälen zu helfen. Mit einem Mega-Mörser zerstampft sie die Menge anschliessend zu Pulver. Kakao in seiner reinsten Form. Schmeckt sehr gut. Vermischt mit Wasser und Zucker duftet in den Tassen ein Weihnachtstrunk mit Nuancen von Zimt und einer feurigen Note im Abgang. Kakao soll ja angeblich glücklich machen. Ob er auch Glück bringt? Wir haben es am Abend auch noch in der Banca versucht. Leider nur Nieten.
Text: Christian Schreiber
Gut zu wissen
Anreise: Edelweiss fliegt nonstop von Zürich nach Punta Cana. flyedelweiss.com
Hotels: In Santo Domingo und an den bekannten Strandregionen gibt es zahlreiche Luxushotels der grossen, weltweit operierenden Ketten. Die einheimischen Betriebe haben aber in den vergangenen Jahren stark aufgeholt, was Qualität und Komfort betrifft. Es gibt mehr und mehr Mittelklassehotels mit guten Zimmern, z.B. unter: GoDominicanRepublic.com
Kakao-Tour: Yamasá liegt rund 60 km nördlich von Santo Domingo. Geführte Kakao-Touren ab Santo Domingo kann man buchen unter: tequiaexperiences.com
Allgemeine Informationen: GoDominicanRepublic.com