Wenn sogar Robert Parker auf die Waadtländer Weine aufmerksam wird, dann lohnt es sich, mehr zu erfahren. Die Winzer Grégoire Dubois und Jean-Luc Blondel vom Lavaux sowie Rebbergbesitzer Claude Berthaudin der La Côte haben gute Gründe für ihren Erfolg.
Zum ersten Mal seit über 30 Jahren ging der renommierte «The Wine Advocate» von Robert Parker in seinem «best of 2012» auf Schweizer Weine ein und lobte auf www.erobertparker.com neben den Tessinern Anna Barbara von der Crone und Paolo Visini sowie dem Unterwalliser Robert Taramarcaz auch die Waadtländer Winzer Blaise Duboux aus Epesses und Pierre-Luc Leyvraz aus Chexbres. Damit steht eine Weinregion mit einer langen Geschichte international im Fokus: Die terrassierten Rebberge des Lavaux, die heute Teil des Unesco-Weltkulturerbes sind, wurden bereits im 11. Jahrhundert angelegt, als noch Benediktiner- und Zisterziensermönche die Region kontrollierten.
Grégoire Dubois (37), der mit seinem Bruder Frédéric seit 2005 in dritter Generation Les Frères Dubois aus Cully leitet, ist stolz auf die eng übereinander liegenden Rebterrassen und die drei Sonnen des Lavaux: «Die erste Sonne, die vom Himmel strahlt, die hat jeder. Unsere zweite ist jene, die sich im Genfersee spiegelt, und die dritte Sonne sind die Steinmauern, die tagsüber reflektieren und in der Nacht Wärme abgeben.» Wie bedeutend das ist, erklärt der Winzer mit einem Beispiel: Jene Trauben, die näher bei den Mauern wachsen, seien viel süsser als die andern.
Les Frères Dubois produziert jährlich 250 000 Flaschen. «75 Prozent davon sind Weisswein, 20 Prozent Roter sowie 5 Prozent Rosé und Schaumwein», erklärt Grégoire. Am wichtigsten für das Weingut ist der Chasselas, die auch schweizweit am meisten angebaute Rebsorte. Müller-Thurgau, Pinot Gris, Chardonnay und Muscat komplettieren das Weissweinangebot bei Dubois, das Rote besteht vorwiegend aus Pinot Noir, Merlot, Cabernet Franc sowie den Neuzüchtungen Gamaret und Garanoir. Kaum bekannt ist schliesslich die Traubensorte Plant Robert, ein lokaler Gamay-Klon.
Der Stolz des Weinguts ist der Dézaley-Marsens De la Tour Vase 4. Dieser Chasselas Grand Cru, der 2012 nach dem Crêt-Dessous von Gay et Pestalozzi aus Epesses bester Chasselas von Vin Vaudois wurde, wächst auf einer lehmigen Erde an den Ufern des Lac Léman auf 372 bis 550 Meter Höhe. «Die Parzellen sind bis zu 40 Jahre alt und können aufgrund ihrer Steilheit von bis zu 50 Grad nur von Hand bearbeitet werden», erklärt Grégoire. Seine Weine würden innere Ruhe ausstrahlen und mit Respekt von der Erde, der Sonne und der Natur erzählen, die sie hervorbringen. Oder etwas weniger poetisch formuliert: «Wir versuchen, die unterschiedlichen Rebsorten und Terroirs zu respektieren. Das soll sich in den Weinen ausdrücken.»
Ein absoluter Chasselas-Fan ist Jean-Luc Blondel (52), der ebenfalls in Cully winzert und auf eine Jahresproduktion von gegen 60 000 Flaschen kommt. Chasselas macht bei ihm 85 Prozent aus, der Rest die Rotweinsorten Pinot Noir, Merlot, Gamay, Diolinoir, Gamaret und Garanoir. Blondels Philosophie ähnelt jener von Dubois: «In meinen Weinen soll sich das Terroir zeigen. Ich möchte die Chasselas so fein wie möglich machen – ohne mit anderen Lagen zu mischen.» Sein Epesses entstehe beispielsweise auf lehmhaltigen Böden und habe deshalb mehr Charakter als sein Aperitifwein Villette blanc. Blondel liebt den Chasselas, «weil man ihn alleine trinken kann, er aber auch ein hervorragender Begleiter zu Käse, Fisch und Fleisch ist». Freilich gibt es auch einen ökonomischen Grund, weshalb der Winzer derart von der Weissweinsorte schwärmt: «Das Lavaux-Gebiet hat ein perfektes Klima für Chasselas und Rotweinsorten. Nur ist die Konkurrenz unter den Rotweinen grösser und deren Produktion für uns viel teurer.» Und mit Chasselas könne er sich von den (internationalen) Mitbewerbern abheben.
Blondel räumt ein, dass das Waadtland in der Vergangenheit zu wenig Marketing für die Weine betrieben hat. Jetzt brauche es Zeit und Geld, um sich bei den Konsumenten wieder in Erinnerung zu rufen. Der 52-jährige Winzer ist jedoch guter Dinge. So seien bei der Veranstaltung «Offene Weinkeller», die jeweils am Pfingstwochenende stattfindet, in zwei Tagen fast 800 Personen zu seinem Weingut geströmt, darunter einige Junge aus der Deutschschweiz, die Blondel als die Kunden von morgen sieht. «Die Qualität der Waadtländer Weine ist in den letzten Jahren viel besser geworden. Wir wohnen in einer so schönen Gegend. Jetzt muss man den Tourismus und die Qualitätsweine besser bekannt machen», sagt Blondel.
Mit einer Produktion von 400 000 Flaschen jährlich gehört die Cave Berthaudin zu den Grossen der La Côte, die sich von Morges bis vor die Tore von Genf zieht. Beim Rebbergbesitzer Claude Berthaudin (60) machen die Weissen 80 und die Roten 20 Prozent aus. Als er das Geschäft von seinem Vater übernommen hatte, setzte die Cavenoch zu 100 Prozent auf Chasselas. «Der Geschmack der Kunden hat sich verändert», begründet Berthaudin. Man könne im Waadtland nicht alle Trauben pflanzen. Aber die traditionellen Burgundersorten wie Chardonnay und Pinot Noir sowie Schweizer Eigenheiten wie Gamaret oder Garanoir «bieten sehr interessante Möglichkeiten». Steigende Temperaturen würden es ermöglichen, heute Cabernet Sauvignon und Merlot anzubauen. Die neue Generation habe weniger Interesse an Chasselas und Gamay, die Nachfrage für Chasselas gehe in seinem Weingut jährlich leicht zurück. Er reagiert mit einer Assemblage, die zu 40 Prozent aus Dornfelder und zu 60 Prozent aus Carminoir besteht, einer Neuzüchtung aus Cabernet Sauvignon und Pinot Noir. Dornfelder sorgt für Tannin, der Carminoir für Frucht und Persönlichkeit. Und er setzt auf Qualität: «Pro Hektar produzieren wir ungefähr 3500 bis 4000 Flaschen. Es gibt Winzer, die auf gleicher Fläche dreimal so viel Wein machen», sagt der Rebbergbesitzer und verabschiedet sich mit ernster Miene: «Wenn das Wetter weiter so schlecht bleibt, kann ich für nichts garantieren.»
Degustationsnotizen:
Artundreise-Chefredaktor Markus Weber,Autor Reto E. Wild und Robert Zurbriggen von WeinArt haben sich zu einer Degustation von Waadtländer Weinen getroffen. Fazit: Praktisch sämtliche Weine erreichen ein qualitativ hohes Niveau und das Waadtland besteht eben nicht nur aus Chasselas. Die besprochenen Weine können bei Wein-Art in Zürich-Höngg gekauft werden (spezialisiert auf Alpenweine, mit elf verschiedenen
Produzenten das breiteste Angebot an Waadtländer Weinen auf dem Platz Zürich, seit 2007 Ambassade des Vins Vaudois.
WeinArt® Die Marke der AlpenweinKultur
Imbisbühlstrasse 7 – 8049 Zürich – Tel. +41 44 342 20 30
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Le Virtuose 2008
Ein Epesses aus Gamaret, Garanoir und Diolinoir, von Blondel aus Cully, 13,7% Alkohol, 30 Franken/17 Punkte. Ein ausgewogener, zwei Jahre im Eichenfass ausgebauter Rotwein, den viele mögen. Duft nach dunklen Beeren und überreifen Erdbeeren, passt hervorragend zu Wild, hat jetzt seinen Höhepunkt erreicht. Dekantieren!
Pinot Noir 2008, Réserve des Héraults
von Les Frères Dubois aus Cully, 12,8% Alkohol, 33 Franken/16,5 Punkte. Erinnert an einen Burgunder, der 50 Euro kostet. Schön eingebettete Barrique-Note (er war ein Jahr lang im 225-l-Fass), Duft nach Himbeeren und Keller, sehr zugänglich. Für Pinot-Noir-Liebhaber.
Le Clos du Roussillon 2010
Grand Cru aus Tartegnin, von Cave Berthaudin, 13,8% Alkohol, 24 Franken/17 Punkte. Die Cuvée aus Gamaret, Garanoir und Pinot Noir besticht durch ein hervorragendes Preis-Genuss-Verhältnis, mit einer dezenten Beerennote. Passt zu Grilladen, pochiertem Zander, Braten oder einem Zvieriplättli. Erhielt am Grand Prix du Vin Suisse eine Goldmedaille.
Le Clos du Roussillon 2011
Grand Cru aus Tartegnin, von Cave Berthaudin, 11,8% Alkohol, 32 Franken (für 1,5-l-Magnum-Flasche; die 75-cl-Flasche kostet 13 Franken)/17 Punkte. Ein reiner Chasselas von der La Côte, Duft nach Stachelbeeren und Lindenblüten, ideal zum Apéro, aber auch als Begleiter zu Fondue oder Filet de perche. Pré-Lyre 2011, St-Saphorin von Blondel aus Cully, 12% Alkohol, 15 Franken/17 Punkte. Kräftig-süsse Nase mit einem
Ananas-Duft, spritzig wie ein Sprinter, zugänglich, eher ein femininer Chasselas, ohne zu viel Säure, der zu Fischgerichten passt.
Réserve Blanche 2009
Grand Cru von Château de Glérolles aus St-Saphorin Lavaux, 12% Alkohol, 23 Franken/16,5 Punkte. Ein fast schon öliger Schlosswein, ähnlich wie ein Dézaley, minime Vanillenote. Dieser elegante Chasselas, den man idealerweise zwei bis fünf Jahre lagert, ist kein Apéro-Wein, sondern ein
Essensbegleiter, z.B. zu einem Loup de Mer oder weissem Fleisch.
Dézaley-Marsens De la Tour Vase 4, 2009
Grand Cru «La Baronnie» von Les Frères Dubois aus Cully, 12,5% Alkohol, 29 Franken/17,5 Punkte. Ein eleganter, majestätischer Dézaley. In der Nase erinnert er an gelbe Früchte, kräftig und lang anhaltend im Gaumen. Passt zu Fisch, Meeresfrüchten, Käse und selbst zu Zürcher Geschnetzeltem. Jugendlich-spritzig zeigt sich übrigens der Dézaley-Marsens De la Tour 2011, der im Gegensatz zum erwähnten 2009er nur einen
Monat im Holzfass ausgebaut wurde. Ideal
zum Apéro oder einfach zum Geniessen. Kostenpunkt: 23 Franken/17 Punkte.
Privilège Gewürztraminer 2010
aus Tartegnin/La Côte von Cave Berthaudin, 14% Alkohol, 22 Franken/17 Punkte. Eine intensive Nase, die an einen Rosengarten erinnert, trocken und weniger süss als andere Gewürztraminer (Restzucker unter 5 g/l). Passt zur asiatischen Küche, Fisch oder weissem Fleisch.
Skala:
20–19 Punkte perfekt
18–17 Punkte Spitzenwein
16–15 Punkte überdurchschnittlich
14–13 Punkte mit Abstrichen
12–0 Punkte unterdurchschnittlich, Fehler
Text Reto E. Wild
Bild Montreuxriviera.com / Montreux-Vevey Tourisme
Interessant geschriebener Artikel. Gute Weine, Schöner Film, leichtfüssig und sympathisch. Einladung für ein Glas Waadtländer mit Dir!