Seine Farben schimmern wie Perlmut, leuchten wie Juwelen – seine Motive geben Rätsel auf: Max Beckmann ist einer der grossen Künstler der Moderne.
Wer vor einem Gemälde von Max Beckmann (1884–1950) steht, staunt über die Meisterschaft, mit der er Farben handhabte, fein abstufte, kühn kombinierte. In den frühen 1920er Jahren dominieren hell schimmernde Töne. Ab 1925 werden die Farben immer kräftiger, schwarze Umrisslinien steigern ihre Leuchtkraft. In den 1940er-Jahren lassen Rot, Orange und Gelb die starken Blau- und Grüntöne vibrieren. Auch die (Nicht-)Farbe Schwarz setzte Beckmann oft und effektvoll ein.
Nachdem man sich an den Farben sattgesehen hat, rätselt man über die Motive. Clowns, Artisten und groteske Figuren bevölkern die Bildflächen, eng neben- oder übereinander gestaffelt, unter ihnen oft Beckmann selbst, seine Freunde und Familie. Männer und Frauen liegen im Widerstreit der Gefühle. Gewalt wird angedroht und ausgeübt. Utopien scheinen auf. Was will uns der Künstler sagen?
Beckmanns erstaunliche Bildwelt wurde stark von seinem bewegten Leben geprägt. 1884 in Leipzig geboren, hatte er schon in jungen Jahren mit impressionistisch geprägten Werken Erfolg. Doch der Einsatz im Ersten Weltkrieg erschütterte sein Weltbild. Nach einem Zusammenbruch trennte er sich von Frau und Sohn, zog allein nach Frankfurt. Er schuf nun vor allem Druckgrafiken. Hier tauchen erstmals die für sein Werk typischen Theater-Metaphern auf: Die Welt ist ein Theater, das der Künstler beobachtet und kommentiert, aber in das auch er verstrickt ist.
In den 1920er Jahren fand Beckmann zurück zu Erfolg und Ansehen. Er heiratete ein zweites Mal, malte wieder, entwickelte eine eigene Bildsprache, wurde gefeiert und gesammelt. Hitlers Machtübernahme 1933 beendete seinen Aufstieg jäh. Die Nazis diffamierten Beckmanns moderne Bildsprache als «entartet», er verlor seine Lebensgrundlage. 1937 floh er mit seiner Frau Quappi nach Amsterdam, wo er zehn Jahre unter schwierigen Bedingungen lebte und arbeitete. Erst 1947 konnte er in die USA emigrieren, fand wieder Lehraufträge und Sammler. 1950 starb er in New York. Die Erfahrung von Emigration, Isolation und Krieg verarbeitete Beckmann in seinen Bildern, wobei er Persönliches in Allgemeingültiges verwandelte. So inszenierte er sich 1936 im Selbstbildnis mit Glaskugel als Seher, der in dunklen Zeiten die Zukunft zu ergründen sucht. Auch Im Artistenwagen (1940) tritt Beckmann auf: Er versteckt sich hinter einer Zeitung, während rechts ein Uniformierter und Tiger lauern. Vor diesen schützt ihn – und den Fliehenden hinten links auf der Leiter – seine Frau Quappi, die quer in der Bildmitte liegt.
In Deutschland gilt Beckmann seit 1945 als einer der Grossen der Moderne. Doch auch anderswo wird er neu entdeckt und gewürdigt. Ausstellungen in Berlin, Madrid und Mendrisio führen in seinen faszinierenden Kosmos ein.
Text Regula Weyermann
Bild Max Beckmann. «Im Artistenwagen», 1940. 86 x 119 cm. Bild: Frankfurt, Städel Museum