Gabriele Münter ist als Malerin aus dem Umfeld des «Blauen Reiters» bekannt. Wie vielfältig ihr Schaffen auch später war, zeigt nun eine Ausstellung in München.
Wer die deutsche Künstlerin Gabriele Münter (1877–1962) kennt – oder zu kennen glaubt –, situiert sie im Umfeld des «Blauen Reiters»: also jener lockeren Gruppierung von Künstlerinnen und Künstlern um Wassili Kandinsky und Franz Marc, die 1911 und 1912 mit dem Almanach «Der Blaue Reiter» und zwei Ausstellungen einen kurzen, aber lang nachhallenden Auftritt in der Kunstwelt gab.
Münter und «Der Blaue Reiter»: Das ist richtig, aber greift zu kurz, wie die Städtische Galerie im Lenbachhaus in München bis am 8. April 2018 in einer Ausstellung zeigt. «Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife» gibt erstmals einen Überblick über das gesamte Schaffen der Künstlerin.
Lebensgefährtin Kandinskys
Als die junge Münter beschloss, Malerin zu werden, waren Frauen als Künstlerinnen Randerscheinungen, die staatlichen Kunstakademien waren ihnen grösstenteils noch verschlossen. Sie bildete sich deshalb an privaten Malschulen aus. 1902 wurde sie die Schülerin von Wassily Kandinsky (1866–1944), bald auch seine Lebensgefährtin, obwohl der Russe bis 1911 anderweitig verheiratet war. Nach Auslandreisen lebte und arbeitete das Paar ab 1908 zusammen in München und, im Sommer, in Murnau am Staffelsee. Dort kaufte Münter ein Haus, das die beiden mit selbst gefertigten Möbeln und Gemälden sowie Volkskunst einrichteten (heute ein Museum). Unter den befreundeten Künstlern, die im sogenannten «Russenhaus» ein und aus gingen, war die Kerngruppe, die sich ab 1911 unter der Führung Kandinskys an den Aktivitäten des «Blauen Reiters» beteiligte: die Deutschen Franz Marc und August Macke sowie das russische Paar Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky. Doch die lose Gruppierung zerstritt sich schon 1912, der Erste Weltkrieg riss sie endgültig auseinander: Marc und Macke fielen im Krieg, Kandinsky, Werefkin und Jawlensky mussten in die Schweiz fliehen. Münter reiste mit, doch hier trennten sich ihre und Kandinskys Wege. Er kehrte zurück nach Russland, wo er bald wieder heiratete; sie lebte zuerst in Skandinavien, ab 1920 wieder in Deutschland.
Erstaunliche Stilvielfalt
Die Entwicklung der Künstlerin nach 1914 lässt sich nun in München – neben den frühen Bildern aus Murnau – ebenfalls verfolgen. Viele der rund 200 Exponate aus ihrem Nachlass (Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung) waren noch nie oder seit ihren Lebzeiten nicht mehr zu sehen. Sie stammen aus allen Schaffensperioden und vermitteln ein umfassendes Bild von Münters Werk.
Die frühsten gezeigten Arbeiten sind Schwarz-Weiss-Fotos, welche die 22-Jährige 1899 auf Verwandtenbesuch in den USA aufnahm; die spätesten entstanden in den 1950er Jahren, unter ihnen auch ein abstraktes Gemälde. Mit der Abstraktion, mit der Münter im Fahrwasser Kandinskys als junge Künstlerin experimentierte, wurde sie nie warm: Mit wenigen Ausnahmen blieb ihr Werk figürlich. Sie malte bevorzugt Landschaften, Interieurs und Frauen.
Erstaunlich ist, welche Stilvielfalt Münter nach dem Ersten Weltkrieg pflegte. So knüpfen etwa die Gemälde, die sie in den späten 1920er Jahren schuf, wie «Die Sinnende II» (1928), an damals aktuelle Strömungen wie die Neue Sachlichkeit und Fernand Légers mechanistische Figuren an. «Fräulein Ellen im Gras» (1934) erinnert dagegen an frühere Arbeiten Münters.
Am überzeugendsten bleiben die Arbeiten, die sie vor dem Ersten Weltkrieg schuf. Von kühner Farbigkeit und scheinbar flüchtig gemalt, sind sie Teil der Avantgarde jener Zeit. Zu den anrührendsten Werken der Ausstellung gehören die Bildnisse, die Münter von ihren Künstlerfreunden in Murnau schuf. Sie zeugen von feiner Beobachtungsgabe und ihrer Fähigkeit, die Persönlichkeit der Porträtierten auf die Leinwand zu bannen, wie etwa im Bildnis «Marianne von Werefkin».
Sammlerin und Mäzenin
Münter war nicht nur als Künstlerin, sondern auch als Sammlerin von Bedeutung. Während des Zweiten Weltkriegs versteckte und schützte sie Kandinskys Frühwerk, das er 1914 zurücklassen musste, in ihrem Haus in Murnau. 1957 machte sie ihre Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich, indem sie der Stadt München über tausend Werke schenkte: Ölgemälde, Aquarelle, Skizzen und Grafiken Kandinskys, eigene Arbeiten sowie Werke von befreundeten Künstlern. Dank Münters Schenkung – sowie einer späteren durch die Familie von Mackes Ehefrau Elisabeth – besitzt die Städtische Galerie im Lenbachhaus heute die weltweit grösste Sammlung von Werken des «Blauen Reiters». Es empfiehlt sich, diese grossartige Sammlung ebenfalls zu besuchen.
Von Regula Weyermann, Bild: Gabriele Müntener- und Johannes Eichet-Stiftung, München
«Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife»:
bis 8.4.2018 Städtische Galerie im Lenbach-haus, München. 3.5. bis 19.8.2018 Louisiana Museum of Modern Art, Humblebaek (Dänemark). 15.9.2018 bis 13.1.2019 Museum Ludwig, Köln.